Audio

Jüdische Studierende beklagen Antisemitismus an der HS Fulda

Städtischer Platz mit großen Gebäuden im Hintergrund und einer großen Skulptur im Vordergrund

Der anhaltende Krieg im Nahen Osten ist längst auch in Hessen Anlass heftiger politischer Auseinandersetzungen. Wo endet legitime Kritik an der israelischen Regierung, und wo beginnt Antisemitismus? Mit dieser Frage muss sich die Hochschule Fulda auseinandersetzen.

Jüdische Studierende werfen dem Allgemeinen Studierenden Ausschuss (AStA) der Hochschule Fulda vor, nicht in der Lage zu sein, "Antisemitismus zu identifizieren". Das geht aus einer Erklärung hervor, die der Verband Jüdischer Studierender in Hessen (VJSH) am Freitag veröffentlichte.

Konkreter Aufhänger für den öffentlichen Brief des VJSH sind die Aktivitäten einer relativ neuen Gruppierung, die sich "Students for Palestine HS Fulda" nennt. Diese war zunächst auf pro-palästinensischen Demonstrationen in Fulda in Erscheinung getreten und hatte vom AStA einen Stand für die Hochschultage genehmigt bekommen.

Kuchen und Holocaust-Relativierung

Laut AStA sollte der Stand auf dem dreitägigen Kulturfest auf dem Campus in erster Linie dazu dienen, durch Kuchenverkauf Spenden für die Evakuierung palästinensischer Familienangehöriger eines in Fulda lebenden Mannes aus dem Gazastreifen zu sammeln.

Der VJSH aber wirft der Gruppe vor, den Stand genutzt zu haben, um "Antisemitismus, völkisch-arabischen Nationalismus, Israel-Hass und Terror- sowie Holocaust-Relativierung" an der Hochschule Fulda salonfähig zu machen.

Unterstützung durch politische Hochschulgruppen

Der VJSH verweist unter anderem darauf, dass an dem Stand ein Plakat mit der Aufschrift "From Fulda to Gaza, y’allah Intifada“ (sinngemäß: Von Fulda bis Gaza, auf zur Intifada!) zu sehen war. Der VJSH sieht in dem Slogan eine Anspielung auf die zweite Intifada, die von "gewalttätigen, ultranationalistisch und islamistisch motivierten Angriffen" auf Jüdinnen und Juden geprägt war und mehr als 1.000 Todesopfer forderte. Er sei daher als "Aufruf zur Ermordung von Jüdinnen und Juden sowie Israelis" zu werten.

Weiterhin verweist der VJSH auf Posts der Gruppe auf Instagram. Dort soll unter anderem ein weiteres Plakat mit der Aufschrift "One Holocaust does not justify another" (Ein Holocaust rechtfertigt nicht einen anderen) zu sehen gewesen sein. Solche Parolen würden dem israelischen Staat unterstellen, dieselben Verbrechen zu begehen wie das NS-Regime. Es handele sich folglich um eine Relativierung des Holocaust.

Der VJSH zählt in seinem offenen Brief weitere Beispiele auf, die seiner Einschätzung nach vor allem israel-bezogenen Antisemitismus belegen. Dazu zählen unter anderem Redebeiträge von Aktivistinnen und Aktivisten der "Students for Palestine" und Social-Media-Posts. Damit stelle sich die Gruppierung außerhalb jedweden "konstruktiven Diskurses".

Unterstützt wird der VJSH von verschiedenen politischen Hochschulverbänden - darunter die Liberale Hochschulgruppe, der Ring Christlich-Demokratischer Studenten, der Grünen Jugend Hessen und den Jusos - die den offenen Brief mitunterzeichneten.

AStA distanziert sich von Parolen

Die "Students for Palestine" weisen derweil auf hr-Anfrage sämtliche Anschuldigungen des VJSH als "offensichtlich grundlos" zurück. Man habe als Gruppe tatsächlich an den Hochschultagen teilgenommen, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Der Stand sei von der zuständigen Ordnungsbehörde als Versammlung eingestuft und entsprechend angemeldet worden. Diese sei friedlich verlaufen und nicht aufgelöst worden. Alle vom VJSH beanstandeten Aussagen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Ganz reibungslos scheint derweil auch die Zusammenarbeit mit dem AStA der Hochschule nicht verlaufen zu sein. So hält der AStA in einer Stellungnahme auf der eigenen Homepage fest, dass vorab mit der Gruppe abgesprochen gewesen sei, dass das Schild mit dem Intifada-Aufruf auf den Hochschultagen nicht gezeigt werden solle. Am letzten Tag sei es dann für ein Gruppenfoto hervorgeholt worden. Der AStA habe daraufhin einen Teil der Kaution für den Stand - 100 Euro - einbehalten.

Das Schild mit der Holocaust-Gleichsetzung sei dem AStA nicht bekannt gewesen, hieß es auf hr-Anfrage weiter. "Wir distanzieren uns klar von dieser Parole und kritisieren diese scharf. Wir werden daraus Konsequenzen ziehen", teilte der AStA schriftlich mit.

Streit um Antisemitismusdefinition

Die Verwerfungen zwischen dem VJSH und dem Fuldaer AStA gehen allerdings über den konkreten Anlass hinaus. Sie entzünden sich unter anderem an der Frage, was alles unter Antisemitismus subsumiert werden soll. Der VJSH macht dem AStA zum Vorwurf, sich in einem Brief an das Hochschulpräsidium und die Landeshochschulkonferenz gegen die Verwendung der Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) ausgesprochen zu haben.

In dem Schreiben hatte der AStA unter anderem darauf verwiesen, dass es sich um eine "politische" und nicht eine wissenschaftliche Definition von Antisemitismus handele. "Mit der neuen Regelung wird jegliche Kritik an den Menschenrechtsverletzungen des Staates Israel mundtot gemacht", heißt es unter anderem. Damit bezieht sich der AStA auf eine Passage, die festhält, dass sich Antisemitismus auch "gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird" richten kann.

Der VJSH wiederum wirft dem AStA nun vor, mit Falschbehauptungen zu arbeiten. So halte die IHRA-Definition explizit fest, dass Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden kann.

Hochschulleitung will vermitteln

Von einer "aufgeladenen Stimmung" zwischen pro-palästinensischen Aktivisten und ihren Kritikern spricht Hochschul-Präsident Karim Khakzar. Der Campus sei traditionell ein Raum, auf dem politische und gesellschaftliche Diskurse ausgetragen würden. Das sei auch auch weiterhin wünschenswert. "Es muss alles im rechtlich korrekten Rahmen ablaufen und wir haben die Rolle dafür zu sorgen, dass das auch so passiert."

Sowohl Hochschulleitung als auch der AStA müssten dabei moderierend aktiv werden, betont Khakzar. Bislang habe die Studierendenvertretung dabei "überwiegend gute Arbeit" geleistet. Das Ziel der Hochschulleitung sei es, die verschiedenen Gruppierungen "zeitnah" zu einem gemeinsamen Gespräch einzuladen.

Redaktion: Susanne Mayer

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen