Patrick Kraicker aus Gießen hat nach mehr als sechs Jahren Haft in der Türkei das Gefängnis verlassen können. Die Kurdische Gemeinde Deutschland sieht in ihm "ein Opfer der türkischen Willkürjustiz".

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Patrick Kraicker aus dem Gefängnis entlassen

Patrick Kraicker vorgeführt in türkischen Medien
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Der 35-Jährige hat nach Angaben seiner Anwältin das Gefängnis in Ankara am Sonntag verlassen und befindet sich in Abschiebehaft. Patrick Kraicker habe seine Ende 2018 verhängte Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation abgesessen. Am Mittwoch soll der Gießener demnach nach Deutschland fliegen. 

Der damals 29-Jährige wurde türkischen Angaben zufolge im März 2018 im Grenzgebiet zu Syrien in einer militärischen Sperrzone festgenommen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, sich der Kurdenmiliz YPG in Syrien anschließen zu wollen. Diese gilt in der Türkei wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation. Im Oktober desselben Jahres verurteilte ein Gericht Kraicker zu mehr als sechs Jahren Haft. Nach Angaben seiner Familie war Kraicker nur zum Wandern in der Türkei. 

Dem ARD-Hörfunkstudio Istanbul sagte Kraicker am Telefon, es gehe ihm soweit gut, er sei glücklich. Er habe bereits per Video mit seiner Mutter in Deutschland telefoniert. Dem hr sagte Kraickers Mutter zu der Freilassung ihres Sohns: "Es ist wie ein Traum, der nach langer Zeit endlich in Erfüllung geht."

Scharfe Kritik von Kurdischer Gemeinde

Kraicker sei "Opfer der türkischen Willkürjustiz" gewesen, teilte die Kurdische Gemeinde Deutschland (KGD) auf Facebook mit: "Von seiner Unschuld waren wir überzeugt und haben für seine Freiheit gekämpft."

Er habe mit Kraickers Mutter gesprochen, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der KGD, Mehmet Tanriverdi, am Montag. Der 35-Jährige werde, sobald die Formalitäten erledigt seien und er einen Flug bekomme, nach Deutschland reisen können. Angesichts der Verhältnisse in türkischen Gefängnissen sagte Tanriverdi: "Wer nach sechs Jahren freikommt, ist beschädigt."

Die KGD und er hätten den Fall von Anfang an begleitet und seine Inhaftierung immer wieder thematisiert, sagte Tanriverdi weiter. Er halte Kraicker für "absolut unpolitisch". Es habe keinen Beweis gegeben und keinen Grund, ihn so lange festzuhalten. Die Gerichtsverhandlung habe ohne Übersetzer stattgefunden.

Kontakt zu deutschem Konsulat

Kraicker und seine Familie hätten "keine Lobby" gehabt, kritisierte Tanriverdi. Die KGD habe den Fall etwa vor Staatsbesuchen immer wieder thematisiert und die Bundesregierung aufgefordert: "Setzt euch für die Freilassung der deutschen Staatsbürger ein." Die Bundesregierung habe bei Patrick Kraicker "halbherzig" agiert. Für seine Freilassung eingesetzt hatte sich die Initiative "Free Patrick". Diese startete eine Petition zu seiner Freilassung.

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, der Fall sei bekannt. "Der Betroffene wird von unseren Kolleginnen und Kollegen der Botschaft Ankara konsularisch betreut", teilte das Bundesaußenministerium mit.

Deutschland, die USA und Europa stufen nur die PKK als Terrororganisation ein. Die YPG ist dagegen ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Terrormiliz IS. 

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