Kartoffelbauer Willi Billau (links) und Pflanzenschutzexperte Michael Lenz auf einem Kartoffelacker

Die Kartoffelbauern in Hessen schlagen Alarm. Der viele Regen und die milden Temperaturen lassen einen Pilz wachsen, der die Ernte bedroht. Gerade mancher südhessische Biobauer muss einen Totalausfall befürchten.

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Starker Pilzbefall setzt Kartoffeln zu

Befallene Kartoffel aufgeschnitten auf Kartoffelhaufen
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Willi Billau steht auf einem Feld, ein paar Kilometer außerhalb von Lampertheim an der Bergstraße. Hier baut er auf insgesamt 60 Hektar Kartoffeln an. Aber das bringt dieses Jahr mehr Probleme als sonst mit sich.

Der Landwirt zieht eine Pflanze aus dem sandigen Boden und zeigt auf das Grün, das sich an einigen Stellen bereits braun verfärbt hat. "Von dem kreisrunden, abgestorbenen Fleck, wo sich die Infektion bereits zeigt, wandert der Pilz weiter ins Blattinnere oder -äußere, um auch das abzutöten", erklärt Billau.

Phytophthora infestans heißt dieser Pilz. Landläufig ist er als Kraut- und Knollenfäule bekannt. Auch Tomaten im heimischen Garten werden davon befallen, bekommen braune Flecken und fallen ab. In diesem Jahr verbreitet sich der Pilz besonders stark.

Hochaggressiver Pilz

Michael Lenz vom Hessischen Pflanzenschutzdienst steht neben Willi Billau auf dem Acker. Er verschafft sich einen Überblick über den Pilzbefall auf den Feldern. Lenz sagt: "Dieser Pilz hat die Fähigkeit, bei günstigen Bedingungen innerhalb von zwei bis drei Wochen einen ganzen Kartoffelbestand von grün auf komplett absterbend hinzubekommen."

Das bestätigt der Hessische Bauernverband. Dessen Sprecherin Marie-Claire von Spee sagt: "Die Pilze sind so aggressiv, dass ganze Bestände zusammenfallen und am Ende kein einziges grünes Blatt mehr auf dem Acker steht." Kartoffelbauern müssten mit Mindererträgen bis hin zum Totalausfall rechnen.

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Vorsicht, Pilz! Kartoffelbauern müssen wachsam sein

Kartoffelacker in Südhessen
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Phytophthora infestans liebt Feuchtigkeit und milde Temperaturen. Beides gibt es in diesem Frühjahr im Überfluss. Seit Mitte Mai breitet der Pilz sich rasant in Hessen aus. Der Pflanzenschutzdienst hat deshalb die Kartoffelbauern im Land gewarnt.

Ohne Fungizide würde die Ernte ausfallen

Der Lampertheimer Landwirt Willi Billau hat in den vergangenen Wochen mehrere Male seine Pflanzen mit Fungiziden gespritzt. Mit chemischen oder biologischen Mitteln werden die Pilze und ihre Sporen abgetötet oder ihr weiteres Wachstum gestoppt. "Wenn wir keine Mittel hätten, wären die Kartoffeln hier in Süddeutschland kaputt, und zwar zu 95 Prozent", sagt er.

Was das bedeutet, zeigte sich wiederholt seit 1843, als die Kraut- und Knollenfäule aus Nordamerika in Europa eingeschleppt worden war. Wenige Jahre später sorgte sie in Irland für dramatische Ernteausfällen und eine Hungersnot ("Great famine"). Rund eine Million Menschen starben.

Eine geschädigte Kartoffelpflanze

So etwas sei heutzutage in Europa nicht zu befürchten, räumt Marie-Claire von Spee vom Hessischen Bauernverband ein: "Jedoch kann es zu einer Knappheit an Kartoffeln kommen." Die Knolle ist hierzulande beinahe ein Grundnahrungsmittel, ihre Stärke wird in vielfacher Weise verarbeitet.

Bio-Bauern stehen weniger Gegenmittel zur Verfügung

Den Kartoffelbauern, die konventionell wirtschaften, stehen rund 20 unterschiedliche Spritzmittel gegen die Pilzerkrankung zur Verfügung, sagt Michael Lenz vom Pflanzenschutzdienst. Willi Billau verwendet zwei dieser im Kartoffelanbau zugelassenen Mittel. Er sagt: "Wenn wir vorbeugend behandeln, können wir den Bestand ohne Infektion bis zur Ernte retten." Nach Angaben des Bauernverbandes ist die Kartoffelernte nur durch "frühzeitige Fungizid-Maßnahmen" zu sichern.

Besonders groß scheint das Pilz-Problem für die Bio-Bauern zu sein. Sie dürfen nur wenige Spritzmittel verwenden, vor allem Kupfer. Kartoffelbauer Billau hat mit Öko-Kollegen in Südhessen gesprochen. Er berichtet: "Die sind dieses Jahr ganz schlimm dran und haben schon vor acht bis 14 Tagen ihre Kartoffeln aufgeben müssen."

Pflanzenschutzdienst-Experte Lenz kennt die einzelnen Präparate gut, die die Landwirte verwenden. Für die Verbraucher gibt er Entwarnung: "Die Mittel werden nur über das Blatt aufgenommen und dann auch entsprechend abgebaut von der Pflanze, so dass kein Schaden und kein Eindringen in die Knolle passiert." Die Behandlung sei damit "für den Verbraucher vollkommen unbedenklich".

Vor allem Südhessen betroffen

So unterschiedlich der Pilzbefall bei den Kartoffelpflanzen vor Ort ist, so unterschiedlich verbreitet ist er in den hessischen Regionen. Michael Lenz zeigt Landwirt Billau eine Karte, die zwar nur noch rote Flächen zeigt. Heißt: Die Kraut- und Knollenfäule wütet inzwischen im ganzen Land.

Aber es gebe Unterschiede, sagt Lenz. Drastisch treffe es in diesem Jahr die Kartoffelbestände vor allem in Südhessen. "In Nord- und Osthessen ist die Situation doch deutlich anders, wir haben dort wesentlich weniger Befall", berichtet Lenz. Das komme unter anderem daher, dass im Norden und Osten des Landes weniger intensiv Kartoffeln angebaut würden. Der Pilz könne sich deshalb nur langsam dort ausbreiten.

Kartoffelbauer Willi Billau kann trotz der grassierenden Krankheit durchatmen. Auf dem anderthalb Hektar großen Acker, auf dem er mit dem Pflanzenschutzexperten Lenz steht, werden die meisten der gut 40.000 Pflanzen überleben und Kartoffeln hervorbringen.

Bauer freut sich über gute Preise

Und die Preise seien in diesem Jahr gut, sagt Billau. Das hänge auch damit zusammen, dass wegen des Kriegs in Israel und Gaza und wegen der Trockenheit in Spanien weniger Kartoffeln nach Deutschland geliefert würden. "Der Lebensmitteleinzelhandel war in diesem Jahr früher als sonst ausverkauft mit Importkartoffeln, und da sind natürlich die deutschen Kartoffeln gefragt", erzählt er.

Abzulesen ist das auch am Preis. Für 100 Kilo Kartoffeln werden aktuell zwischen 80 und 85 Euro gezahlt. Im vorigen Herbst kostete die Dezitonne gerade mal um die 30 Euro. Wenn alles gut gehe, sagt Billau, komme sein Betrieb bei dieser Feldfrucht auf einen Jahresumsatz von mehr als 800.000 Euro. An der Knolle hängt rund die Hälfte des Familieneinkommens. Das scheint in diesem Jahr gesichert zu sein.

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