Menschen feiern in einem Kiosk im Frankfurter Nordend

Wasserhäuschen erfreuen sich in Frankfurt seit jeher großer Beliebtheit, doch in der letzten Zeit ist die Zahl der Kioske in der Stadt rasant gewachsen. Manche von ihnen kommen inzwischen ganz ohne Personal aus – dafür setzen sie auf Influencer.

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So sieht der E-Kiosk auf der Berger Straße von innen aus

Die Front des E-Kiosks auf der Berger Straße
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Bereits seit dem 19. Jahrhundert findet man in Frankfurt Wasserhäuschen. Damals waren sie noch von der Stadt gefördert, um die Herausgabe von Mineralwasser zu ermöglichen - und um die Bevölkerung davon abzuhalten, Alkohol zu trinken. Zwei Jahrhunderte später nennt man das Wasserhäuschen vielfach Kiosk, und es ermutigt die Menschen, Alkohol zu trinken. Natürlich verkaufen die Kioske auch Mineralwasser und eine Reihe weiterer Getränke. Eine städtische Förderung jedenfalls scheinen die Verkaufsbuden - gemessen an den vielen Neueröffnungen - nicht mehr zu benötigen.

Ob auf der Haupteinkaufsstraße Zeil oder der Berger Straße in Nordend und Bornheim: An vielen Orten in der Stadt sind in den vergangenen Monaten neue Kioske hinzugekommen. Rund 170 Gewerbeanmeldungen im Bereich "Kiosk" liegen dem Frankfurter Ordnungsamt seit Januar 2022 für das gesamte Stadtgebiet vor.

Auch die Industrie- und Handelskammer Frankfurt hat den Zuwachs in der Stadt bemerkt: "Es gibt viel mehr Kioske als früher", bestätigt Noemí Fernández Sánchez, Referentin für Handel und Stadtmarketing bei der IHK. "Wir sehen diese Entwicklung an den A1-Lagen (hochfrequentierte Lagen wie die Zeil, Anm. d. Red.), aber vor allem auch an anderen Standorten. Der traditionelle Einzelhandel, eher klein- und mittelständig, zieht sich zurück und weniger hochwertige Einzelhandelsformate entstehen", sagt Fernandes Sánchez.

Kiosk als "Wohlfühloase"

Allein auf der Berger Straße unterhalb der Haltestelle Bornheim-Mitte gibt es mittlerweile acht Kioske, die Seitenstraßen nicht mitgezählt. Auch an den "Landstraßen", also Eckenheimer, Friedberger oder Eschersheimer Landstraße, stehen sichtbar mehr Verkaufsbuden als noch vor ein paar Jahren.

2021 hatte das Marktforschungsunternehmen Globis Consulting in seiner "Kiosk-Studie" noch einen bundesweiten Rückgang der Kioske ausgemacht, für den es auch die Corona-Pandemie verantwortlich sah. Im Vergleich zu 2018 schloss demnach etwa jeder zwölfte Kiosk.

In Frankfurt ist davon nicht mehr viel zu spüren: "Das Trinken vor dem Kiosk ist ein großer Hype geworden", meint beispielsweise Kaan Asif, Mitbetreiber des kürzlich eröffneten Kiosks "Späti Bros" nahe der Konstablerwache. "Ein Kunde hat es letztens so beschrieben, dass unser Kiosk eine Wohlfühloase ist, wo er mit 'normalen Leuten' reden kann", erzählt Mert Kilic, der den Späti Kiosk am Kreisel in Bad Homburg betreibt.

Auf der Berger Straße in Frankfurt setzt Kilic trotzdem auf weniger menschlichen Kontakt: Im Dezember hat er dort Frankfurts ersten E-Kiosk eröffnet.

24 Stunden geöffnet - ganz ohne Personal

Dort sind alle Produkte rund um die Uhr verfügbar - und das ganz ohne Verkaufspersonal. Über im Shop befindliche Terminals oder das eigene Smartphone wählen die Kundinnen und Kunden die gewünschten Produkte selbst aus und zahlen am Automaten bar oder mit Karte.

"Klar bereitet ein Kiosk ohne Personal weniger Kosten. Aber auch ein Blick ins Ausland, wo Supermärkte komplett ohne Mitarbeiter funktionieren, hat uns dazu motiviert", erklärt Kilic. Ganz ohne Hilfestellung müssten die Kunden aber nicht zurechtkommen: "Wir haben 24/7 geöffnet, das heißt: wir sind auch 24/7 bei Mängeln oder Problemen erreichbar", versichert er.

Sortiment von TikTok inspiriert

Knallbunte Süßigkeiten, pappsüße Drinks: Auch beim Sortiment hat sich Mert Kilic inspirieren lassen. "Ich bin aktiv auf TikTok, stöbere dort herum und sobald wir ein Hype-Produkt oder etwas, das super schmecken soll, sehen, bemühen wir uns, das auch bei uns anzubieten", sagt er. Das sei auch notwendig, um auf dem Markt attraktiv zu bleiben: "Entweder du gehst mit der Zeit oder du gehst mit der Zeit", lautet sein Credo.

Für Kaan Asif von den "Späti Bros" sind die sozialen Medien ebenfalls ein wichtiges Instrument: "Wir holen uns unsere Infos zu neuen Produkten bei TikTok und Instagram." So sieht man immer öfter in den Kiosken teuer importierte Getränke und Snacks, die noch teurer verkauft werden. Für ein besonders häufig auf TikTok gezeigtes Getränk mit Elektrolyten und Kokosnusswasser zahlen Kunden im Supermarkt beispielsweise zwei Euro. In den Kiosken geht es für vier bis sechs Euro über die Ladentheke.

Comedian für Social Media engagiert

Digitale Trends sind auch der Grund, warum das Sortiment im Kiosk so bunt ist. "Allein, dass ich ein Logo farblich und nicht schwarz-weiß sehe, führt dazu, dass ich die Marke besser bewerte", erklärt Jan Landwehr, BWL-Professor mit Schwerpunkt Marketing an der Uni Frankfurt. Nicht nur hätten Farben eine psychologische Wirkung auf unser Gehirn, bunte Produkte würden aufgrund ihrer Farbstättigung auch in den kurzen Social-Media-Videos unsere Aufmerksamkeit sehr gut binden und einen Anregungszustand auslösen, so Landwehr.

Kein Wunder also, dass immer mehr Kioske mit eben jenen Produkten auf ihren eigenen TikTok-Kanälen werben. Mert Kilic hat bereits einen Comedian aus dem Raum Frankfurt engagiert, der das Gesicht seines E-Kiosks auf TikTok werden soll: "Wir haben den Charakter 'Robert, der Mechaniker' ins Leben gerufen, da die Automaten eine Vielfalt der Mechanik anbieten." Auch die Späti Bros sind auf Social Media präsent.

"Werbung in sozialen Netzwerken wird immer beliebter", beobachtet auch Fernández Sánchez von der IHK Frankfurt. Die Werbemaßnahmen auf Social Media seien auch notwendig: "Die Einzelhändler müssen auf diesen Trend aufspringen, da es angesichts des fortgeschrittenen Strukturwandels bald unverzichtbar sein wird, um als Einzelhändler am Markt bestehen zu bleiben."

Amsterdam: Kioske neben Coffee Shops

Eine weitere Entwicklung könnte den Kiosken womöglich ebenfalls helfen: Die Legalisierung von Cannabis seit dem 1. April. Wer schon mal in Amsterdam war, weiß, dass es dort neben den Coffee Shops viele Läden gibt, die die absurdesten und buntesten Süßigkeiten anbieten.

Der Zusammenhang ist wissenschaftlich belegt: Wie Forscher und Forscherinnen der amerikanischen Uni Yale 2015 herausfanden, sorgen nach dem Konsum von Marihuana Neuronen, die normalerweise den Appetit zügeln sollten, dafür, dass der Heißhunger kommt - ganz gleich, ob die konsumierende Person zuvor satt war.

Und aus einer Analyse des Marktforschungsunternehmen Nielsen IQ aus dem Jahr 2019 geht hervor, dass der Absatz von Süßigkeiten und salzigen Knabbereien dort größer ist, wo Cannabis legal ist. Die Kioskbetreiber dürfte es freuen.

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Frankfurts erster E-Kiosk ist auf der Berger Straße

Lebensmittelautomaten im E-Kiosk in Frankfurt
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