3D-Effekte für Hollywood Ein Oscar geht nach Frankfurt
Für Martin Scorseses 3D-Film "Hugo Cabret" animierte die Frankfurter Firma Pixomondo eine ganze Stadt in 3D. Dafür erhielt das hessische Unternehmen einen Oscar. Zu Recht - denn das Ergebnis ist atemberaubend.
Paris 1931, es schneit. In einer riesigen Bahnhofshalle wimmelt es von Menschen, ewig lange Züge fahren ein und aus. Ein kleiner Junge beobachtet durch das ausgestanzte Ziffernblatt einer zimmerhohen Bahnhofsuhr das bunte Treiben. Hinter ihm halten gigantische Zahnräder das Uhrwerk am Laufen. All das sieht ganz real aus, doch weit gefehlt: Denn bis auf die Schauspieler und wenige Gegenstände ist hier definitiv nichts real. Die Filmkulisse wurde mit Hilfe von Computern animiert.
And the Oscar goes to...
Diese digitale Spielfilmwelt stammt aus der Effektschmiede Pixomondo. Die Mitarbeiter der hessischen Firma griffen für Scorseses neuen 3D-Streich "Hugo Cabret" besonders tief in die Trickkiste. Und da die Computeranimationen so verblüffend realistisch aussehen, wurde der Film in der Kategorie "Beste visuelle Effekte" mit dem Oscar ausgezeichnet.
Einer der Hauptverantwortlichen ist Sven Martin. Er ist Visual Effects Supervisor bei Pixomondo und betreute das Projekt in der Frankfurter Niederlassung. "Ich übersetzte die kreativen Ideen des Regisseurs für unsere Techniker in konkrete Arbeitsschritte", sagt er lachend. Hergestellt wurde der Film über die ganze Welt verteilt. Die Mitarbeiter schickten mittels einer Software riesige Datenmengen zwischen den einzelnen Niederlassungen hin und her.
854 virtuelle Einstellungen
Rund 62 der insgesamt 126 Minuten des Spielfilms wurden mit virtuellen Animationen angereichert. Über eineinhalb Jahre lang schufen die Mitarbeiter von Pixomondo das virtuelle Paris und die anderen Kulissen. Damit die Techniker den 3D-Effekt beim Arbeiten in Echtzeit sehen konnten, habe die Firma in neue Spezialmonitore und -brillen investiert. Hunderte von Rechnern waren im Dauereinsatz. "Darunter 20.222 Prozessoren", ergänzt Martin. Vor allem Scorseses extrem lange Kamerafahrten durch die digitale 3D-Welt brachten die Computer ordentlich zum Glühen.
"Wenn ein Film in einem Bahnhof spielt, ist es sehr schwer, ihn komplett real nachzubauen. Denken Sie allein an die fahrenden Züge", sagt Martin. Und genau hier kamen die Animationen von Pixomondo ins Spiel.
Mensch und Maschine verschmelzen vor dem Green Screen
Eine Prise Realität, gemixt mit dem digitalen Grundstoff – die richtige Mischung macht's. Das Team um Martin verknüpfte in der Nachbearbeitung virtuelle Kulissen mit real gefilmten Szenen. Bei den Dreharbeiten zu diesen Szenen kam der sogenannte Green Screen zum Einsatz: Die Schauspieler von "Hugo Cabret" spielten vor einer giftgrünen Stoffwand. Mit Hilfe der allerneusten Software wurde die grüne Fläche zunächst wegretuschiert und danach durch virtuelle 3D-Kulissen und -Gegenstände ersetzt. Ein realer Bahnhof war also überhaupt nicht notwendig. "Überall wo Grün ist, kommt der digitale Bahnhof rein", sagt Martin.
"Green-Screen-Body"
Doch Pixomondo ging sogar noch einen Schritt weiter: Die Green-Screen-Technik wurde auch bei Schauspielern angewandt. Für spezielle Szenen trug der Hauptdarsteller Asa Butterfield beispielsweise einen giftgrünen Ganzkörperanzug. "All die Teile, die später durch einen digitalen Roboter ersetzt werden, sind mit Grün verhängt", so Martin. Im Film ist nur noch sein realer Kopf zu sehen – der Unterleib wurde am Computer durch einen Roboterkörper ersetzt. So verschmelzen im Film Mensch und Maschine.
Ritterschlag für Pixomondo
Pixomondo hat sich auf derartige Animationen spezialisiert. Und so animierte das Team schon für zahlreiche Hollywood-Produktionen virtuelle Spezialeffekte. Zum Beispiel für Roland Emmerichs Blockbuster "2012". Was vor einigen Jahren in Spielfilmen wie "I, Robot" noch eher wie gewollt aussah, erhält von der Jury der Academy Awards nun das Prädikat gekonnt.
Rund um die Uhr und rund um die Welt
Die Filialen des Unternehmens liegen auf unterschiedlichen Kontinenten und befinden sich dadurch in verschiedenen Zeitzonen. Diese vermeintliche Not machten sich die Mitarbeiter zur klaren Tugend: Pünktlich zum Feierabend übergab beispielsweise ein Team aus Los Angeles das Projekt an ein Team aus Europa. Nach diesem Prinzip arbeitete Martin mit seinen Kollegen rund um die Uhr und rund um die Welt an "Hugo Cabret". Das positive Presse-Echo macht deutlich, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
Pixomondo wurde 2001 in Frankfurt an der Hanauer Landstraße gegründet – inzwischen beschäftigt das Unternehmen weltweit rund 670 Mitarbeiter.