Eintracht international Nach Europa geschrien
Erstmals seit 1994 hat sich Eintracht Frankfurt über den Ligabetrieb für den europäischen Wettbewerb qualifiziert. Die Stimmung war nach dem Saisonfinish gegen Wolfsburg entsprechend bestens – auch wenn der Kapitän Sorgen bereitet.
Nach ziemlich genau 15 Jahren und dem 1. FC Kaiserslautern schaffte mit der Eintracht zum ersten Mal wieder ein Aufsteiger den direkten Sprung auf das europäische Parkett. So bemerkenswert die Saison der Hessen war, so ungewöhnlich war auch das letzte Teilstück auf dem Weg nach Europa. Es lief die 89. Minute, als sich die Nachricht vom Leverkusener Führungstreffer in Hamburg wie ein Lauffeuer auf der Tribüne verbreitete. Mit dem Signal auf der Anzeigetafel verwandelte sich die Commerzbank-Arena dann in ein Tollhaus.
Der Jubel war so ohrenbetäubend, "ich bin erschrocken", gab Pirmin Schwegler im Nachhinein zu. Seinen Wolfsburger Konkurrenten ging es anscheinend ähnlich. Anders als durch den extremen Lärm konnte man die Slapstick-Einlage vor dem 2:2-Schlusspunkt nicht erklären, als Ricardo Rodriguez den Ball über den heraus rennenden Diego Benaglio ins eigene Tor köpfte, weil er dessen Rufe nicht hörte.
Als Außenstehender hätte man angesichts der folgenden Szenen glatt denken können, die Frankfurter hätten den Husarenritt der Lauterer aus dem Jahre 1998 wiederholt und sich die Meisterschaft gesichert: Auf dem Rasen jagte eine Bierdusche die nächste, Spieler und Fans waren in Ekstase vereint. Dabei hatten die Hessen ja "nur" Platz sechs und damit die Teilnahme an der Qualifikation zur Europa League gesichert. "Aber Europa League mit der Eintracht ist ähnlich wie eine Meisterschaft", stellte Trainer Armin Veh klar. Dass Frankfurt dabei mit 51 Zählern exakt genauso viele Punkte sammelte wie die beiden Mitauf- und nun Absteiger aus Düsseldorf (30) und Fürth (21) zusammen, ist ein weiterer beeindruckender Beleg für die Stärke des Teams.
Aigner: "Haben nie aufgesteckt"
Sportdirektor Bruno Hübner stimmte nach dem Abpfiff in die Freudensänge über die Frankfurter "Mini-Meisterschaft" ein. "Vom ersten bis zum letzten Spieltag unter den ersten Sechs – das war richtig klasse für einen Aufsteiger", meinte der 52-Jährige. "Die Mannschaft hat es einfach verdient, dass sie nächstes Jahr Europa rockt." Mittelfeldspieler Stefan Aigner wertete das "geile Gefühl" als eine Art Belohnung für die lange Saison: "Wir sind in der Rückrunde teilweise auf dem Zahnfleisch gegangen, haben aber trotzdem nie aufgesteckt und sind deswegen hochverdient in der Europa League."
Kapitän Schwegler ging in seiner Reaktion noch weiter zurück und erinnerte an das Saisonende 2010/11, als eine Niederlage am letzten Spieltag in Dortmund den Abstieg ins Unterhaus besiegelte. "Vor zwei Jahren lagen wir am Boden", sagte der Schweizer. "Jetzt sind wir Sechster. Das ist fast wie eine Meisterschaft." Den Schlusspunkt einer Traumsaison konnte er gar nicht beschreiben. "Da fallen mir nur Superlative ein. Das passende Wort finde ich aber nicht."
Schwegler-Abschied naht
Keine deutlichen Worte fand Schwegler auch bezüglich seiner Zukunft bei den Hessen. Am Rande des Spiels verdichteten sich die Anzeichen, dass der 26-Jährige seine Zelte am Main abbrechen und einen Wechsel forcieren möchte. Während sich Schwegler nach eigener Aussage im bevorstehenden Urlaub "Gedanken machen" will, sorgten Hübners Bekundungen für Skepsis bei den Eintracht-Fans. Er hoffe, dass sich Schwegler seinen Abgang aus Frankfurt noch einmal überlege, sagte der Manager der "Frankfurter Rundschau" nach dem Remis gegen Wolfsburg. "Hier hat er einen riesigen Stellenwert. Und mit dem Erreichen des Europapokals wollen wir es ihm so schwer wie möglich machen, zu gehen."
Schlagkräftigere Argumente könnte in dieser Hinsicht der FC Schalke als finanzkräftiger Champions-League-Qualifikant bieten, dem neben Wolfsburg ein großes Interesse an dem Mittelfeldregisseur nachgesagt wird. Und so ganz hat die Eintracht ihren Traum von Europas B-Elite auch noch nicht verwirklicht: Über eine Qualifikationsphase im August muss sich der Club erst für die Gruppenphase der Europa League qualifizieren. Erst dann geht es an die Fleischtöpfe der UEFA (siehe Box). Doch mit solchen Feinheiten wollte sich am Tag der gefühlten Meisterschaft selbstverständlich niemand auseinandersetzen.