Nur wenige Angebote in hessischen Städten Public Viewing zur Fußball-EM: Zu teuer, zu risikoreich
Bei der Fußball-EM sind die hessischen Städte mit Public-Viewing-Events zurückhaltend und überlassen privaten Veranstaltern das Feld. Die Kommunen zählen verschiedene Gründe auf. Laut werden darf's in EM-Nächten aber auf jeden Fall.
Schwarz-rot-goldenes Menschenmeer, auch abseits der Stadien: Public Viewing gehört seit der Heim-WM 2006 bei jedem Fußball-Großereignis eigentlich dazu. In Frankfurt gibt es die Fan-Zone, in Kassel die Nordhessen Arena – und sonst?
Kaum etwas. Andere größere Städte organisieren keine eigenen Fußball-Events, sondern überlassen das Public Viewing eher Kneipen und Biergärten, Vereinen und privaten Unternehmen.
Zu teuer, zu riskant
Die Gründe dafür sind vielfältig – viele Kommunen betonen auf hr-Nachfrage, dass Technik, Veranstaltungsort und Genehmigungen deutlich teurer geworden seien.
Ein großes Public-Viewing-Event sei deshalb inzwischen finanziell kaum stemmbar, heißt es etwa aus Bad Homburg (Hochtaunus) und Hanau (Main-Kinzig).
Wiesbaden bietet ebenfalls kein Public Viewing an, "weil die Kosten ja erheblich sind und viele Kommunen auf ihren Haushalt achten müssen", wie ein Stadt-Sprecher sagte. Aber es gebe in Wiesbaden Kneipen und Restaurants "im zweistelligen Bereich" mit entsprechenden Angeboten. "Die haben ja auch was davon."
Sicherheit geht vor – und ist teuer
Hinzu kommen erhöhte Sicherheitsauflagen: Seit der Katastrophe bei der Loveparade 2010 in Duisburg seien die Anforderungen stark gestiegen, teilt die Stadt Fulda mit. Seitdem gebe es dort keine Public-Viewing-Ambitionen mehr.
Neben den Kosten sei schlussendlich auch das finanzielle Risiko zu groß: Würde die Nationalelf schon in der Vorrunde rausfliegen, würde es kaum noch Interesse am gemeinsamen Fußballgucken in großer Runde geben.
Es gebe inzwischen einige Anmeldungen für kleinere Public Viewing-Events, teils auch im Zusammenhang mit anderen Veranstaltungen, hieß es weiter von der Fuldaer Stadtverwaltung. Einige Kneipen und Bars in der Domstadt würden ebenfalls Public Viewing anbieten, das müsse aber bei der Stadt in der Regel nicht angemeldet werden. Daher gebe es auch keine konkreten Zahlen.
Kein Vertrauen in die Nationalelf
In Gießen gab es bei vergangenen Turnieren Public-Viewing-Veranstaltungen im Schifferberger Tal. Diese wurden zwar nicht von der Stadt selbst betrieben, aber durchaus unterstützt. In diesem Jahr steigt aber auch dort keine EM-Sause, wie die Gießener Allgemeine berichtet.
Laut Veranstalter seien die Sponsoren zurückhaltend. Man glaube nicht so recht an den Erfolg der Nationalmannschaft und befürchte ein Minusgeschäft.
Bad Hersfeld winkt wegen der finanziellen Belastung ab. Man habe durch Großveranstaltungen wie dem Lullusfest und den Festspielen die Erfahrung gemacht, dass Veranstaltungskosten um etwa ein Drittel gestiegen seien – ein Public Viewing sei für Stadt und Veranstalter nicht wirtschaftlich.
Auch in Marburg soll lediglich ein etwas größeres, privat organisiertes Public-Viewing-Event in einem Gewerbegebiet steigen, ansonsten böten vor allem viele Kneipen Möglichkeiten zum gemeinsamen Fußballschauen, wie eine Stadtsprecherin sagte.
Deutsche Spiele auf Melsunger Marktplatz
Melsungen (Schwalm-Eder) ist eine der wenigen Städte, die ein Public Viewing anbieten – mitten auf dem Marktplatz. Auf einem großen LED-Bildschirm laufen die Spiele der deutschen Mannschaft am 14., 19. und 23. Juni.
Die Übertragung am 23. Juni finde als Teil des Melsunger Heimatfestes statt und wird von diesem Veranstalter mitorganisiert, wie ein Sprecher der HNA sagte.
Kleinere Veranstaltung, kleineres Risiko
In den meisten hessischen Städten gibt es die Möglichkeit, bei privaten Anbietern zum Fußballgucken zusammenzukommen, etwa aus der Gastro-Szene. Für diese kleineren Public Viewings ist das Risiko geringer: Sogenannte "kleine Veranstaltungen" brauchen nämlich keine UEFA-Lizenz.
Die Veranstalter müssen nur die passenden TV-Abonnements für den kommerziellen Bereich und die notwendigen örtlichen Genehmigungen vorweisen. Und: die Übertragungsbedingungen der UEFA einhalten.
Lärm erlaubt dank Sonderverordnung
Von den insgesamt 51 EM-Spielen beginnen 26 Spiele um 21 Uhr. Damit das Public Viewing, beispielsweise im Außenbereich von Kneipen, nicht um 22 Uhr abgebrochen werden muss, hat das Bundeskabinett im März 2024 die sogenannte Public-Viewing-Verordnung beschlossen.
Die Verordnung sieht für die Zeit der EM Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln vor. Die Nachtruhe gilt für Public Viewings demnach erst ab 1 Uhr – auch in Wohngebieten. So können Bars und Kneipen in diesem EM-Jahr auch draußen bis in die Nacht weithin hörbar Fußball laufen lassen.