Särge und Skelette 300 Jahre alte Gräber unter Kirchenboden entdeckt

Bei Bauarbeiten in einer Kirche in Alsbach-Hähnlein sind Handwerker auf zwei Gräber mit Särgen und Skeletten aus dem 18. Jahrhundert gestoßen. Offenbar wurden dort zwei Geistliche aus dem Ort begraben.

Kircheninnenraum mit Ausgrabungen im Kirchenboden: zwei tiefe Gräber. Davor zwei Leuchten und zwei Menschen darin sitzend.
Experten untersuchen die Gräber unter dem Kirchenboden in Alsbach-Hähnlein Bild © EKHN

Ein bisschen erinnert die Szenerie an die Abenteuerfilme mit dem rauhbeinigen Archäologen Indiana Jones: eine Grabung in einer Kirche, alte Grüfte, Särge und Skelette. Aber hier sind die Gräber echt und die Kirche ist keine Hollywood-Kulisse.

Bei Bauarbeiten in der evangelischen Kirche in Alsbach-Hähnlein (Bergstraße) entdeckten Handwerker zwei fast 300 Jahre alte Ruhestätten.

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Die Gräber wurden bereits kurz nach Beginn der Umbauarbeiten im vergangenen Sommer freigelegt. Ende Januar untersuchten Experten der "Forschungsstelle Gruft" aus Lübeck die Gräber und legten jetzt ihren Abschlussbericht vor.

Särge sind noch erhalten

Die Grüfte sind demnach rund 60 Zentimeter tief. Sie seien "sorgfältig gemauert und kalkverputzt", bedeckt waren sie mit einer gemauerten Ziegeldecke. Begraben wurden die Toten in Särgen aus Eiche und Nadelholz, die noch gut erhalten sind.

Ein Experte von der "Forschungsstelle Gruft" aus Lübeck untersucht eines der Gräber.
Ein Experte von der "Forschungsstelle Gruft" aus Lübeck untersucht eines der Gräber. Bild © EKHN

An den Skeletten habe der Zahn der Zeit deutlich intensiver genagt: Die Knochen verwandelten sich über die Jahrhunderte in sogenanntes Brushit, wie es in dem Bericht heißt. Das ist ein kristallines Mineral, das in diesem Fall wohl aus einer Reaktion der Knochen und der im Holz enthaltenen Gerbsäure entstanden ist.

Man hätte es ahnen können

"Der Fund war schon eine große Überraschung", sagt Pfarrerin Julia Fricke am Donnerstag im Gespräch mit dem hr. Dabei hätte es keine Überraschung sein müssen: Nachdem die Gräber gefunden wurden, hätten sich einige Gemeindemitglieder gemeldet und von den Ruhestätten erzählt.

"Die Kirche wurde 1972 schon einmal renoviert. Da haben die auch schon ein Loch gefunden und dann aber einfach wieder zugemacht", erzählt Fricke. Sie und der Kirchenvorstand seien jedoch ahnungslos gewesen. "Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass Menschen in Kirchen begraben liegen."

Diesmal wurden die Löcher nicht einfach wieder zugeschüttet. Die Kirche meldete die Funde in dem denkmalgeschützten Gotteshaus umgehend dem Landesamt für Denkmalpflege. Die Bodendenkmalpflege sowie die Bauaufsicht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind ebenfalls involviert, wie die Landeskirche mitteilte.  

Identität der Toten wohl geklärt

Mittlerweile weiß die Kirchengemeinde auch, wer hier zur letzten Ruhe gebettet wurde. "Zumindest in einem Fall sind wir sicher, dass dort unser ehemaliger Pfarrer Georg Ludwig Busch liegt", berichtet Fricke. Er starb 1747.

Nicht ganz so eindeutig habe die Identität des anderen Toten festgestellt werden können. "Es gibt Hinweise darauf, dass es sich um Dekan Johann Philipp Neuß handelt", sagt die Pfarrerin. In einem Heimatbuch, das ein ehemaliger Schulleiter aus Alsbach-Hähnlein 1963 veröffentlichte, sei vermerkt, dass der 1741 verstorbene Neuß "in hiesiger Kirche" bestattet wurde.

Die Särge sind noch gut erhalten
Die Särge sind noch gut erhalten. Bild © EKHN

Nachdem zunächst alle Bauarbeiten für die Untersuchung der Gräber gestoppt wurden, geht es mittlerweile weiter. Die Gräber sind bereits wieder verschlossen, die Handwerker verlegen nun den neuen Fußboden. Dabei soll auch der Zugang zum Altarraum barrierefrei gestaltet werden.

Pfarrerin will Totenruhe wieder herstellen

Die Grüfte werden dann nicht mehr sichtbar sein, sollen aber dennoch nicht ganz verschwinden. "In unserem neuen Sandsteinboden werden die Stellen der Gräber mit Platten aus einem anderen Sandstein gekennzeichnet", erklärt Fricke. Zusätzlich soll eine Tafel mit Informationen zu den Ruhestätten aufgestellt werden.

Nach Abschluss der Arbeiten will Fricke in einem Gottesdienst eigens Gebete und einen Segen sprechen, um die Totenruhe formell wiederherzustellen, die durch die Arbeiten gestört worden sei. "Wir und auch die Archäologen begegnen der Totenruhe dieser Menschen mit Ehrfurcht und Respekt."

Wann das allerdings sein wird, ist noch unklar. "Die Funde haben unseren Zeitplan ordentlich durcheinandergebracht", berichtet Fricke. Eigentlich sollte der Umbau im Sommer abgeschlossen sein, durch die Zwangspause werde es aber eher Ende des Jahres.

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de