80 Jahre Befreiung von "Euthanasie"-Anstalt Hadamar Tausende Tote, alle unschuldig
Mit Gas, mit Gift, mit Hunger: In ihrem Vernichtungswahn gegen psychisch Kranke und geistig Behinderte töteten die Nationalsozialisten in Hadamar fast 15.000 Menschen. 80 Jahre später sind die Erinnerungen in der Bevölkerung noch immer präsent.
Rosa Schillings rebellierte bis zu ihrem Tod gegen ihre Inhaftierung. Sie verweigerte Medikamente, traute es sich, Hitler einen Schweinehund zu nennen und stellte gegenüber einem Arzt fest: "Ich bin ohne Sinnen gestorben!"
Drei Monate später wird sie im Alter von 42 Jahren von den Nationalsozialisten in einer Gaskammer der angeblichen Landesheil- und Pflegeanstalt Hadamar getötet. All das ist in ihrer Krankenakte dokumentiert, neben einer erlogenen Todesursache: Leukämie.
Insgesamt 300.000 nationalsozialistische Euthanasiemorde
In Wirklichkeit litt Rosa Schillings seit dem Tod ihrer Tochter und ihres Ehemannes an einer Depression und geriet so in die NS-Vernichtungsmaschinerie.
Schillings wurde zu einem von fast 15.000 Opfern in dieser Einrichtung - und von etwa 300.000 Menschen, die die Nazis im Rahmen von sogenannten "Euthanasie"-Aktionen in ganz Europa ermordeten.
Unter dem Vorwand der "Euthanasie" töteten die Nationalsozialisten zwischen den Jahren 1939 und 1945 gezielt Menschen mit körperlichen und psychischen Krankheiten und Behinderungen. Nach der NS-Ideologie galten diese als "nicht lebenswert". Meist waren die Opfer schon zuvor Patienten in Heil- und Pflegeanstalten. Mit der ursprünglichen griechischen Begriffsbedeutung eines "schönen Todes" hatte die Umdeutung nicht viel zu tun. Die NS-Euthanasiemorde waren vielmehr ein Verbrechen, das oft mit vorherigen Zwangssterilisationen einherging. Den Angehörige wurden oft erfundene Todesursachen übermittelt.
Quelle: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages
Die „Euthanasie“-Morde
Unter dem Vorwand der "Euthanasie" töteten die Nationalsozialisten zwischen den Jahren 1939 und 1945 gezielt Menschen mit körperlichen und psychischen Krankheiten und Behinderungen. Nach der NS-Ideologie galten diese als "nicht lebenswert". Meist waren die Opfer schon zuvor Patienten in Heil- und Pflegeanstalten. Mit der ursprünglichen griechischen Begriffsbedeutung eines "schönen Todes" hatte die Umdeutung nicht viel zu tun. Die NS-Euthanasiemorde waren vielmehr ein Verbrechen, das oft mit vorherigen Zwangssterilisationen einherging. Den Angehörige wurden oft erfundene Todesursachen übermittelt.
Quelle: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages
Ihre Enkelin Gabriele Lübke hat Rosa Schillings Schicksal recherchiert und in einem Buch verewigt. 80 Jahre nach der Befreiung der Anstalt findet sie es "wichtig, dass den Menschen würdig gedacht wird."
Die Morde dürften nicht vergessen werden. In der heutigen Gedenkstätte Hadamar, sagt sie, "gibt man den Menschen ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Würde zurück".
Haben Sie eine Großmutter, die Ihnen Geschichten erzählt hat? Haben Sie eine Großmutter, die Sie getröstet hat, wenn Sie traurig waren? Ich hatte keine Großmutter, meine Großmutter ist in Hadamar ermordet worden. Zitat von Gabriele Lübke, Buchautorin und Enkelin von Euthanasieopfer Rosa SchillingsZitat Ende
Graue Busse fuhren Opfer in die Tötungsanstalt
Zeitzeuge Heinz Duchscherer hat als Kind direkt neben der Tötungsanstalt gelebt. Der Garten seines Elternhauses war dort, wo sich heute der Parkplatz der Gedenkstätte befindet.
Die Familie sah vieles, was in der Anstalt vor sich ging: Die grauen Busse, die täglich voll mit Menschen auf den Hof der Anstalt fuhren und sie leer wieder verließen. Die rauchenden Schornsteine der Krematorien und die Massengräber auf dem Hügel hinter dem Haupthaus.
Duchscherers Eltern beschäftigten sogar einen der Häftlinge in ihrer Familienbäckerei – Herrn Selzer aus Magdeburg. Eines Tages sei Herr Selzer schweißgebadet und krank zur Arbeit gekommen.
Auf die Rückfrage von Duchscherers Vater, wieso er nicht im Bett liege, habe Herr Selzer erwidert: "Wenn ich mich heute ins Bett lege, bin ich morgen nicht mehr da". Nach einigen Monaten sei er nicht mehr gekommen. Die Familie habe gewusst, wo er war.
Zeitzeuge: Gerüchte schnell unterdrückt
Auch viele andere Hadamarer hätten auf dem Schirm gehabt, was in der Tötungsanstalt passierte, sagt Duchscherer heute: "Es sind so viele Busse mit verhängten Gardinen dort hochgefahren, die Räume der Anstalt müssen doch schon längst überfüllt sein" – so hätten die Gerüchte damals gelautet.
Doch "man hat nicht darüber gesprochen, es vielmehr in sich hinein gefressen", meint der Zeitzeuge. Die Repressionen durch das NS-Regime seien zu groß gewesen. Menschen, die über die Vorgänge gesprochen hätten, seien ins KZ gebracht worden.
Gedenkstättenleiter über Befreiung: "Ganz wichtiger Tag"
Am 26. März 1945 setzen die Amerikaner dem Töten ein Ende. In der Gedenkstätte wurde am Mittwoch an diesen Tag, an die Zeit des Leidens und an die Ermordeten mit einem großen Festakt erinnert.
Zur Bedeutung der 80-jährigen Befreiung Hadamars sagte Jan Erik Schulte, der Leiter der Gedenkstätte: "Für die Gedenkstätte ist das ein ganz wichtiger Tag der Erinnerung, des Rückblicks, was mit den Menschen hier vor Ort passiert ist und auf die Verbrechen, die hier geschehen sind".
Erinnerung an das Morden gibt Gelegenheit zur Reflexion
Außerdem sei der Jahrestag eine Gelegenheit für einen Ausblick auf die Zukunft und eine Reflexion der Gegenwart sowie vergleichbarer Verhaltensmuster und Strukturen unserer heutigen Gesellschaft.
"Das ist eine Gelegenheit, um zu überlegen, was heute passiert", so Schulte, "wo das damals hingeführt hat und ob das Wege sind, die wir gehen wollen."