Abgeschoben trotz Ausbildungsplatz Aysu will zurück nach Linden

Sie hatte einen Ausbildungsplatz in Aussicht - und trotzdem wurde die 18 Jahre alte Aysu aus Linden nach Aserbaidschan abgeschoben. Das löste bei vielen Menschen Unverständnis aus. Jetzt versucht Aysu, mit juristischer Hilfe nach Hessen zurückzukehren.

Aysu im Deutschkurs
Viermal die Woche geht Aysu in Baku zum Deutschkurs. Bild © privat

Aysu kommt gerade vom Deutschkurs, als wir sie in Aserbaidschans Hauptstadt Baku anrufen. Im braunen Pullover sitzt sie vor der Webcam. Ihre dunklen Haare trägt sie länger als im September, kurz nach ihrer Abschiebung. Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet die 18-Jährige knapp: "Nicht gut, nicht schlecht." Manchmal sehe sie sich alte Fotos auf ihrem Handy an, dann sei sie traurig.

Mehr als vier Monate ist Aysu schon in Baku. Sie ist bei einer Familie untergekommen. Der Deutschkurs am dortigen Goethe-Institut gibt ihr eine Aufgabe, aber sie traut sich noch immer kaum aus der Wohnung heraus.

Sie fürchtet sich vor ihrem Vater, der ihr nach ihren Aussagen schon als Kind Gewalt angetan hat. Mit 13 Jahren sollte sie verheiratet werden, sagt Aysu. In Aserbaidschan fühle sie sich deshalb nicht sicher. Sie sei alleine und habe kein Geld, um Miete und Lebensmittel zu bezahlen. "Ich hoffe, ich kann zurück nach Deutschland", sagt sie. "Ich brauche diesen Job."

Videobeitrag

Weitergedreht – was wurde aus der Geflüchteten Aysu aus Linden?

Elmar Schaub und eine Frau
Bild © hr
Ende des Videobeitrags

Trotz Ausbildungsplatz abgeschoben

Aysus großer Traum ist es, mit alten Menschen zu arbeiten. "Die sind sehr süß und ich mag es, mit ihnen zu reden und ihnen zu helfen." Schon im vergangenen Jahr hatte sie eine Zusage für eine Ausbildung als Pflegehelferin in Linden (Gießen).

Doch dann wurde sie im September plötzlich abgeschoben. "Da hat sich die Welt um 180 Grad gedreht", sagt Elmar Schaub. Gemeinsam mit seiner Frau Anna-Lena leitet er die Jugendwohngruppe, in der Aysu gelebt hatte. Mit der Abschiebung hätten die beiden nie gerechnet.

Aysus Unterstützerkreis wurde damals mitgeteilt, dass die Ausbildung zur Pflegehelferin nicht als qualifizierte Ausbildung anerkannt wird. Es handelt sich dabei um eine Vorstufe zur vollen Ausbildung als Pflegefachkraft. Deshalb bekam Aysu keine Arbeitserlaubnis - und durfte nicht in Deutschland bleiben.

Anna-Lena und Elmar Schaub
Seit der Abschiebung setzen sich Anna-Lena und Elmar Schaub dafür ein, dass Aysu zurückkommen kann. Bild © hessenschau.de/Milena Pieper

Einreisesperre könnte verkürzt werden

Jetzt gibt es einen "kleinen Hoffnungsschimmer", sagt Elmar Schaub. Mit einem Anwalt haben sie einen Antrag gestellt, um zu erreichen, dass Aysu im Frühjahr wieder einreisen darf. Denn seit der Abschiebung gilt eine Einreisesperre für sie.

Damit der Antrag Erfolg haben kann, müssten vier Kriterien erfüllt sein, sei ihnen gesagt worden. Aysu brauche den Ausbildungsvertrag für 2025, zudem genug Geld für Ausreise und Wiedereinreise. Drittes Kriterium sei ein Sprachkurs - "den macht sie gerade in Baku auf dem Niveau A1, um dann hoffentlich in Deutschland B1 zu machen", so Schaub. Außerdem brauche Aysu eine Wohnung. "Die bekommt sie bei uns in der Wohngruppe."

Plakat "Aysu never give up"
Dieses Bild haben ihre ehemaligen Mitbewohnerinnen aus der Wohngruppe für Aysu gemalt. Bild © hessenschau.de/Milena Pieper

Ausbildungszusage gilt immer noch

Die Zusage für den Ausbildungsplatz im Seniorenzentrum Linden, wo Aysu ein Praktikum gemacht hatte, gilt weiterhin: "Sie hat die Möglichkeit, ab Sommer eine zweijährige duale Ausbildung zu machen", sagt Christa Hofmann-Bremer, die Geschäftsführerin der diakonischen Altenhilfe in Gießen und Linden. Dazu gehörten der Hauptschulabschluss und die einjährige Altenpflegehilfe-Ausbildung. Im vergangenen Jahr hatte diese Zusage nicht für die Arbeitserlaubnis gereicht.

Der Antrag wird nun von der Ausländerbehörde Gießen bearbeitet. Ob die Kriterien für die Verkürzung der Einreisesperre nun erfüllt sind, ist noch nicht bekannt. Zu dem laufenden Verfahren könnten keine Details genannt werden, teilt der Landkreis Gießen mit.

Externer Inhalt

Externen Inhalt von YouTube (Video) anzeigen?

An dieser Stelle befindet sich ein von unserer Redaktion empfohlener Inhalt von YouTube (Video). Beim Laden des Inhalts werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen. Nähere Informationen erhalten Sie in unseren Datenschutzbestimmungen .

Ende des externen Inhalts

Wiederkehrendes Problem in der Altenpflege

So wie Aysu geht es in der Altenpflege auch anderen. Immer wieder fehlen den Seniorenzentren in Gießen und Linden Mitarbeitende, weil Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse nicht verlängert werden, sagt Leiterin Christa Hofmann-Bremer.

"Wir haben für beide Einrichtungen 46 Mitarbeiter, die eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine Arbeitserlaubnis haben, die dieses Jahr ausläuft." Das bedeute in jedem Quartal bis zu 15 Mitarbeitende, mit denen sie nicht fest rechnen könne.

Christa Hofmann-Bremer
Christa Hofmann-Bremer ist Geschäftsführerin der diakonischen Altenhilfe in Gießen und Linden. Bild © hessenschau.de/Milena Pieper

"Das ist ein systemisches Problem in der Altenpflege." Die Konsequenz: Sie müssten Leiharbeitnehmer einstellen oder andere Mitarbeitende müssten noch mehr Überstunden machen.

Sie wolle den Behörden keine Vorwürfe machen, betont Hofmann-Bremer. Wie auch Aysus Unterstützer kritisiert sie aber, dass Prozesse der Behörden für das Seniorenzentrum nicht immer transparent seien. Auch in diesem Fall hätten sie keinerlei Sicherheit, ob Aysu zurückkommen kann.

Keine Alternative in Aserbaidschan

Für die 18-jährige Aysu ist die Ausbildung in Deutschland gerade die einzige Chance. In Aserbaidschan könne sie keine entsprechende Ausbildung machen, erzählt sie. Es gebe keine Abendschule, um den Schulabschluss nachzuholen.

"Deswegen lerne ich weiter Deutsch und bleibe stark", sagt sie. "Ich habe keine Alternative."

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de