Datenschutz verletzt In geschlossener Reha-Klinik liegen Patientenakten offen herum
In der verlassenen Klinik Lohrey waren Patienten- und Mitarbeiterakten ungesichert zugänglich. Unbefugte hatten Zugang, drehten Videos. Der hessische Datenschutzbeauftragte ist alarmiert.
Patienten, Ärzte und Pflegekräfte haben die Klinik Lohrey in Bad Soden-Salmünster längst verlassen. Ende 2022 rutschte die private Reha-Klinik im Main-Kinzig-Kreis Hals über Kopf in die Insolvenz, auf einer Personalversammlung bekamen die Mitarbeitenden die Kündigung in die Hand gedrückt.
Seitdem ist das Haus ungenutzt und zieht Lost-Places-Jäger an, Liebhaber verlassener Gebäude, die dort Videos drehen. Aufnahmen, die dem hr zugespielt wurden, zeigen Chaos in dem aufgegebenen 180-Betten-Haus.
Am meisten fällt dabei wohl ins Gewicht, dass Patientenakten mit Namen, Krankengeschichte und sensiblen privaten Angaben teilweise aufgeschlagen auf Tischen, Stühlen und Fußböden herumliegen. Im Personalbüro finden sich Gehaltsabrechnungen ehemaliger Mitarbeiter, Zertifikate, Dienstpläne. Manche Räume waren offenbar unverschlossen, Unbefugte konnten in den persönlichen Daten stöbern.
Aktenlager war unverschlossen
Betroffen ist auch der Würzburger Orgelbaumeister Winfried Elenz. Er war Ende 2022 zur Reha in der Klinik Lohrey, wurde aber bald in ein anderes Krankenhaus verlegt. Dass seine Akte immer noch offen in dem verlassenen Gebäude liegt, macht ihn fassungslos. "Das ist eine Unverschämtheit", sagt er, als er vom hr über die Zustände in der Klinik erfährt.
Die Empörung kann der Datenschutzbeauftragte des Landes, Alexander Roßnagel, gut nachvollziehen. Nach der hr-Anfrage zur früheren Klinik in Bad Soden-Salmünster hat er die Polizei eingeschaltet und das Gebäude sichern lassen. Tatsächlich fand die Polizei nach eigenen Angaben die Tür zu einem Aktenlager unverschlossen und brachte dort einen Riegel an.
Insolvenzverwalter von Chaos überrascht
Das reiche aber nicht, findet Roßnagel. Die Daten müssten so aufbewahrt werden, dass Patienten, Ärzte und Mitarbeiter bei Bedarf darauf zugreifen könnten. Dafür sei zunächst der Insolvenzverwalter zuständig. Das ist Rechtsanwalt Lucas Flöther aus Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt). Mit ihm will Roßnagel sich in Verbindung setzen.
Auch Flöther zeigt sich im Gespräch mit dem hr vom Chaos in der Klinik überrascht. Eigentlich, sagt er, habe er die Frage der Akten geregelt. Er habe mit einem Vertragspartner vereinbart, dass dieser die Unterlagen sichere und aufbewahre. "Sollten da Pflichtverletzungen passiert sein, müssen wir dem nachgehen", sagt Flöther.
Fachfirma für Datensicherung zu teuer
Über den Vertragspartner macht Flöther keine Angaben. Nur so viel: Ein qualifiziertes Unternehmen für Datensicherung ist es nicht. Eine Fachfirma sei viel zu teuer, erklärt Flöther. Sein Problem: Alles, was er veranlasst, muss er aus der Insolvenzmasse der Klinik bezahlen. Und offenbar ist wenig Geld übrig, die Klinik war finanziell am Ende. Noch immer warten ehemalige Mitarbeiter auf ausstehende Gehaltszahlungen.
Warum es mit der Klinik Lohrey im Jahr 2022 rapide bergab ging, ist nicht ganz klar. So, wie es ehemalige Mitarbeiterinnen dem hr schildern, verschärfte sich eine bereits bestehende Schieflage durch die Corona-Pandemie. Personal fiel aus, es kamen weniger Patienten, die Einnahmen brachen ein. Ob die Verantwortlichen womöglich zu spät die Reißleine zogen und die Insolvenz verschleppten, wird nach Angaben des Insolvenzverwalters geprüft.
Notfallfonds für Patientendaten gefordert
Eine Regelungslücke sieht hier Hessens oberster Datenschützer. Es passiere oft bei Klinik-Insolvenzen, dass man sich nicht richtig um die Patientendaten kümmere, weil das Geld dafür fehle, berichtet Alexander Roßnagel. Gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten der anderen Bundesländer und des Bundes fordert er eine systematische Lösung für solche Fälle.
Denkbar wäre etwa ein Datensicherungsfonds, aus dem eine fachmännische Sicherung der Akten bezahlt wird, sagt Roßnagel. Noch aber gibt es in Hessen eine solche Lösung nicht. Im Fall der Klinik Lohrey in Bad Soden-Salmünster ist deshalb unklar, wer das Datenchaos in Ordnung bringt.