Sieben-Punkte-Plan Landesregierung will härter im Frankfurter Bahnhofsviertel durchgreifen

Mit mehr Härte und besseren Hilfen will das Land die Lage im Frankfurter Bahnhofsviertel angehen. Dazu haben die zuständigen Ministerien einen Sieben-Punkte-Plan vorgestellt. Ein Punkt ist dabei besonders umstritten.

Polizisten kontrollieren mögliche Drogendealer im Frankfurter Bahnhofsviertel.
Razzia der Polizei unter möglichen Drogendealern im Frankfurter Bahnhofsviertel. Bild © picture-alliance/dpa

Mit einem Sieben-Punkte-Plan will die hessische Landesregierung stärker gegen Kriminalität im Frankfurter Bahnhofsviertel vorgehen: Eine Kombination aus mehr Härte gegen Dealer und Kriminelle und mehr Hilfen für Wohnungslose und Suchtkranke stellt den Kern des Plans dar, den Innenminister Roman Poseck (CDU) und Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) am Mittwoch bei einem Vor-Ort-Termin im Bahnhofsviertel vorstellten.

Maßnahmen bei Polizei und im Sozialbereich

"Wir brauchen hier Aktivitäten, sowohl seitens der Polizei als auch im Sozialbereich", sagte Poseck. "Und insoweit setzen wir als Landesregierung auf ein umfassendes Maßnahmenbündel", führte der CDU-Politiker aus. 

Die sieben Punkte sind nach Angaben der beiden Ministerien:

  • Mehr Kontrollen, um gegen Dealer vorzugehen
  • Ausweitung von Strafen und Gewahrsamnahmen
  • Ausbau der Videoüberwachung
  • Bessere medizinische und psychiatrische Versorgung
  • Mehr Hilfen für Wohnsitzlose
  • Umsiedlung von Betreuung und Beratungsangeboten
  • Bessere soziale Quartiersarbeit

Bereits am Sonntag hatte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) den Sieben-Punkte-Plan in einem Gastbeitrag in der FAZ angekündigt. Mit Bezug auf den Punkt zur Umsiedlung von Betreuungs- und Beratungsangeboten hatte er davon geschrieben, das Bahnhofsviertel "für suchtkranke Menschen zu schließen".

In der gemeinsamen Pressemitteilung von Innen- und Sozialministerium war dieser Punkt am Mittwoch zwar nicht mehr enthalten, auf Nachfrage des hr bestätigte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums jedoch, dass Beratungs- und Betreuungsangebote laut dem Plan perspektivisch außerhalb des Bahnhofsviertels angesiedelt werden sollen.

Kritik von Frankfurter Dezernentin Voitl

Die Frankfurter Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Grüne) bezeichnete diesen Vorschlag in einer Mitteilung als "hochriskant": "Wenn Ministerpräsident Boris Rhein allen Ernstes das Bahnhofsviertel für drogenkranke Menschen schließen will, muss er auch die Verantwortung dafür übernehmen, wenn in Zukunft auf jedem Kinderspielplatz in dieser Stadt Dealer stehen." Die Szene drohe sich so über die ganze Stadt zu verteilen und unkontrollierbar zu werden.

Videobeitrag

7-Punkte-Plan fürs Frankfurter Bahnhofsviertel

Innenminister Roman Poseck im Frankfurter Bahnhofsviertel
Bild © hr
Ende des Videobeitrags

Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) erklärte auf Anfrage der dpa, jede Veränderung, die zu einer besseren Situation führe, sei zu begrüßen. Es gebe einen ständigen Austausch mit der Landesregierung über das Bahnhofsviertel. Dass es bei der Versorgung von Abhängigen neuer Wege bedürfe und Frankfurt "nicht halb Süddeutschland mitversorgen" könne, darauf habe er bereits im April vergangenen Jahres hingewiesen und vom Land wie vom Bund entsprechende Hilfen gefordert.

Hofmann: Magnetwirkung des Viertels beenden

Die Stadt Frankfurt hatte in der Vergangenheit auch an das Land appelliert, dass andere Kommunen Einrichtungen zur Versorgung von Suchtkranken bereitstellen müssten, damit diese nicht weiter nach Frankfurt kämen. Darauf geht die Landesregierung in ihrem aktuellen Plan nicht ein.

Hofmann und Poseck verwiesen dennoch auf eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt. Sozialministerin Hofmann erklärte, man wolle die Magnetwirkung des Viertels beenden und den Stadtteil stabilisieren. "Wir werden nicht jeden Drogenabhängigen hier aus dem Bahnhofsviertel bringen wollen und können", betonte sie.

Roman Poseck (CDU), Innenminister von Hessen, nimmt auf einer Polizeiwache ein Videosystem in Augenschein, welches KI-gestützt im Bahnhofsviertel zum Einsatz kommt. Es zeigt den Rolltreppenausgang der U-Bahnstation.
Roman Poseck (CDU) nimmt auf einer Polizeiwache ein Videosystem in Augenschein, welches KI-gestützt im Bahnhofsviertel zum Einsatz kommt. Bild © picture alliance/dpa | Boris Roessler

KI-Gesichtserkennung bei der Videoüberwachung

Laut dem Plan soll die Videoüberwachung in dem Viertel künftig mit Künstlicher Intelligenz (KI) gestützt werden. So sollen laut Polizei unter anderem vermisste Jugendliche, die in die Prostitution oder Drogenszene abrutschen könnten oder auch bekannte Gefährder registriert und per KI-Gesichtserkennung für Maßnahmen beobachtet werden.

"Damit stellen wir den Einsatzkräften einen computergestützten Assistenten zur Seite, der die Videoüberwachung noch intelligenter und effektiver macht", sagte Poseck. Die ersten KI-Maßnahmen sollen noch im ersten Halbjahr 2025 eingesetzt werden.

Der erstmalige Einsatz von KI bei der Videoüberwachung in Hessen war im Dezember vergangenen Jahres im Rahmen der Reform des Polizeirechts mehrheitlich mit den Stimmen von CDU und SPD gebilligt worden.

Kontrollen und Aufenthaltsverbote

Der Punkt zur Ausweitung der Kontrollen im Bahnhofsviertel zielt laut den beiden Ministerien darauf ab, Dealerstrukturen im Viertel aufzulösen. Ziel sei es, das Bahnhofsviertel für Drogenhändler unattraktiv zu machen.

Das passiere meist in einem Viererschritt, sagte Polizeipräsident Stefan Müller bei dem Termin. Zunächst würden Strafverfahren wegen Straßenhandels eingeleitet werden. "Der zweite Schritt ist dann die Festnahme. Der dritte Schritt ist die Aufenthaltsverbotsverfügung", führte Müller aus. Damit werde den Betroffenen für drei Monate der Aufenthalt im Bahnhofsviertel untersagt.

Nach dem neuen Plan sollen Strafverfahren eingeleitet werden, wenn dagegen verstoßen werde. Der vierte Schritt bedeute für Kriminelle mit ausländischer Staatsangehörigkeit, dass sie abgeschoben würden.

Mehr Regelungen für Versorgung Suchtkranker

Die Teile des Sieben-Punkte-Plans, die beim Gesundheitsministerium liegen, beinhalten unter anderem, dass Drogenkonsumentinnen und -konsumenten mit psychischen Störungen nach dem "Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz" versorgt und behandelt werden sollen.

Außerdem werde eine Regelung geprüft, wonach schwerwiegend Suchtkranke "eine ärztliche Begutachtung erhalten und dadurch eine damit einhergehende fortgesetzte Gesundheitsschädigung und Verwahrlosung verhindert wird", so das Ministerium.

Redaktion: Anikke Fischer und Pia Stenner

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de/Anikke Fischer und Frank Angermund; dpa/lhe