Zu wenig Platz für Kleinkinder Baucontainer statt Bauklötze: Raumnot in hessischen Kitas

In Bad Sooden-Allendorf fehlen Räume für Kita-Kinder. Die Stadt sucht verzweifelt Gebäude - und improvisiert mit Containern. Mit der Raumnot ist man im Werra-Meißner-Kreis nicht allein. Das macht viele Kommunen erfinderisch.

Weiße Container mit Eingangstür stehen neben einem Eingang zu einer Kita, in dessen Hof ein bunt angemaltes Gebäude steht.
In diesen Containern in Bad Sooden-Allendorf ist eine Kita untergebracht. Bild © Fabian Schmidt (hr)
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Kindergarten im Container

hessenschau von 19:30 Uhr
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Bauklötze gehören zum Kita-Alltag dazu. Baucontainer bisher eher selten. Doch genau die stehen jetzt vor dem langgestreckten Bau der Kita "Werrawichtel" in Bad Sooden-Allendorf (Werra-Meißner). Was von außen wirkt wie das erste Anzeichen einer Großbaustelle, entpuppt sich im Inneren als fast fertiger Kindergarten: Holzstühle, Puppen- und Bauecke, dazu kleine Toiletten und ein Wickeltisch. Alles ist neu und sauber und wartet darauf, dass erste Kinder einziehen. 

Wie in vielen anderen hessischen Kommunen fehlen in Bad Sooden-Allendorf Kita-Plätze. Erst im Oktober 2022 kam eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu dem Ergebnis, dass in Hessen zigtausende Kita-Plätze fehlen. Besonders schlimm sei die Lage bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen, heißt es darin. Doch nicht nur der Fachkräftemangel und hohe Krankenstände sind vielerorts ein Problem, sondern auch eine akute Raumnot. Weil in Bad Sooden-Allendorf kein geeignetes Gebäude in Sicht war, mussten die Verantwortlichen improvisieren: mit den Containern.

Bad-Sooden-Allendorf: Container für 4-Jährige
Stühle, Regale, Puppenecke: die Möbel sind da, jetzt werden die Container eingeräumt. Bild © Fabian Schmidt (hr)

Container als Übergangslösung

Berechnungen des Standesamts haben ergeben: Insgesamt 35 Kita-Plätze fehlen in Bad Sooden-Allendorf. 15 Kinder sollen demnächst in den Containern betreut werden, fast alle Plätze sind bereits vergeben. Bürgermeister Frank Hix (CDU) sieht die Container als Übergangslösung, bis die Stadt ein Konzept für den zukünftigen Bedarf aufgestellt hat. Gelöst habe man damit auch die Personalproblematik noch nicht, sagt er. Allein für die Container-Gruppe brauche man drei Vollzeitstellen, eine Herausforderung bei dem derzeitigen Fachkräftemangel. 

Frank Hix steht vor weißen, gereihten Containern.
Bürgermeister Frank Hix (CDU): es ist "eine Kraftanstrengung, den Bedarf zu decken" Bild © hr/Fabian Schmidt

Der Personalmangel erschwere auch die Finanzierung eines Neubaus, erklärt Bürgermeister Hix: Ohne Erzieherinnen und Erzieher werde der Finanzierungsantrag für eine räumliche Erweiterung nicht bewilligt. Weil es derzeit kein Investitionsprogramm gebe, müsse die Stadt das Geld für einen Neubau aus eigener Tasche bezahlen. Bis zu sechs Millionen Euro koste der Bau für eine Kita mit drei bis vier Gruppen.

Limburg-Weilburg: Komplette Kita zieht in 35 Container

Vor ähnlichen Problemen steht man derzeit im Kreis Limburg-Weilburg. Weil das Kita-Gebäude in Limburg-Dietkirchen veraltet und die Bausubstanz nicht mehr zu retten war, wurde es abgerissen und wird derzeit neu gebaut. 65 Kita-Kinder mussten deshalb in eine komplette Container-Kita umziehen. Im Ortskern wurden gleich 32 Container aneinander gebaut: drei Gruppenräume mit Nebenräumen und Sanitäranlagen, außerdem Küche, Essraum, Personalraum, Büro und Abstellräume.

Was Eltern, Kinder und Erzieher herausfordert, ist zudem auch noch enorm teuer. Auf Anfrage erklärt ein Sprecher der Stadt: Die noch bis mindestens Anfang 2024 benötigte Container-Übergangslösung kostet die Stadt insgesamt rund 380.000 Euro, deutlich mehr als ursprünglich veranschlagt. Hinzu kommt: Auch der Neubau selbst wird mit fast sechs Millionen Euro etwa doppelt so teuer wie zunächst geplant. Gründe dafür sind laut Stadt vor allem zwischenzeitlich geänderte Baupläne und die allgemeine Kostensteigerung im Bausektor.

Forderung: schnellere Genehmigung für standardisierte Gebäude 

David Rauber vom Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB) kennt die Herausforderungen der Kommunen. Viele müssten improvisieren, zum Teil mit Containern wie in Bad Sooden-Allendorf, aber auch mit Waldgruppen, zweckentfremdeten Gebäuden oder einer Umwandlung des Turnraums in einen zusätzlichen Gruppenraum. Die Gründe für den erhöhten Bedarf seien neben hohen Geburtenzahlen auch die Zuwanderung - zuletzt vor allem aus der Ukraine.

Weil es an normalen Kita-Gebäuden fehlt, werden teilweise auch ungewöhnliche Räume genutzt: In Wanfried (Werra-Meißner) wird beispielsweise bald das Dorfgemeinschaftshaus zur Kita umfunktioniert, in Obertshausen (Offenbach) wurden neben Containern auch drei Holzbauwagen bestellt, um zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen, bis der Bau einer neuen Kita abgeschlossen ist.

Der Bau einer neuen Kita sei ein langwieriger Prozess, erklärt Rauber vom Städte- und Gemeindebund, zumal für die Genehmigung spezielle Anforderungen erfüllt werden müssten. Das Verwaltungsverfahren habe weder die Stadt noch die Gemeinde oder ein freier Träger in der Hand, vielmehr obliege das dem Kreisbauamt. Auch das Jugendamt könne mitreden, so dass es mindestens drei Jahre dauere, bis man mit dem Prozess beginnen könne. Er fordert deshalb eine schlankere Bürokratie beim Bau einer neuen Kita. Zumal die Gebäude meist standardisiert seien, sagt er, deshalb "müsste ein Genehmigungsverfahren unserer Meinung nach nicht so lange dauern". 

Marburg: 30 Minuten mit dem Bus zur Kita

Auch in Marburg sind Kita-Plätze Mangelware - zumindest mancherorts. Zwar gibt es im Stadtgebiet theoretisch mehr als genug Plätze, aber die Verteilung auf die Stadtteile führt zu Problemen. Besonders schwierig ist es derzeit im bevölkerungsreichsten Stadtteil Richtsberg, in dem besonders viele Familien mit geringem Einkommen wohnen. Seit diesem Jahr leben dort auch zahlreiche Ukrainerinnen mit Kindern. Laut Stadt Marburg werden am Richtsberg momentan 30 Plätze mehr angefragt als vorhanden, gemeldet seien 388 Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Der zusätzliche Bedarf ukrainischer Familien könne mit den bestehenden Kapazitäten nicht abgedeckt werden, heißt es bei der Stadt.

Der Ortsbeirat fordert schon seit einem Jahr, dass im Stadtteil dringend die Kita-Kapazitäten ausgebaut werden müssten. "Es kann doch nicht sein, dass Eltern von hier ihre Kinder jeden Morgen 30 Minuten mit dem Bus einmal quer durch die Stadt zur Kita fahren müssen", meint Ortsvorsteherin Erika Lotz-Halilovic (SPD). Die Stadt erklärte dazu: Man habe in den vergangenen Jahren schon neue Plätze geschaffen und suche nach weiteren Gebäuden oder Flächen. Aber: Anhand der im Stadtteil gemeldeten Kinder gehe man davon aus, dass die Nachfrage schon nächstes Jahr wieder sinken werde.

 Ein Platz für alle Kinder auf der Warteliste

In Bad Sooden-Allendorf ist inzwischen Ruhe eingekehrt. Denn Eltern und auch das Team der Kita waren von den Containern anfangs überhaupt nicht begeistert, es gab viele Fragen und Sorgen, erinnert sich die stellvertretende Kita-Leiterin Tina Niepoth, doch mittlerweile habe sich das gelegt. 

Bad-Sooden-Allendorf: Container für 4-Jährige
"Froh, dass Kinder von der Warteliste einen Platz bekommen": Tina Niepoth und Ingmar Leuverink im zukünftigen Gruppenraum. Bild © Fabian Schmidt (hr)

Vielmehr sei man "froh, dass jetzt alle Kinder auf der Warteliste einen Platz bekommen", sagt auch Ingmar Leuverink, Elternbeirat bei den "Werrawichteln". Dennoch habe er den Wunsch, dass zeitnah eine neue Kita entstehe und man nicht zu lange auf die Übergangslösung zurückgreifen müsse.

Wenn jetzt noch rechtzeitig Personal für die Gruppe gefunden wird, können im März 15 Kinder in ihren Kita-Container einziehen, die Wände verschönern, hier Mittagsschlaf halten und in der Kuschel-Ecke Freundschaften schließen. 

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 16.01.2023, 19:30 Uhr

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Quelle: Stefanie Küster, Rebekka Dieckmann, Till Möller, Fabian Schmidt, hessenschau.de