"Keine Trennung von Theorie und Praxis" Bei der Feuerwehr stößt Inklusion an ihre Grenzen

Bei der Freiwilligen Feuerwehr mithelfen trotz schwerer körperlicher Behinderung? In Fällen wie dem von Maik Holler aus Haiger zeigt sich, dass Inklusion zwar nicht überall möglich ist - es aber doch Möglichkeiten zum Mitmachen gibt.

Feuerwehrleute räumen umgefallene Bäume von einer Straße
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Wenn Maik Holler ein Feuerwehrauto sieht oder ein Martinshorn hört, dann werden seine Augen ganz groß. Der 21-jährige aus Haiger (Lahn-Dill) interessiert sich sehr für die Feuerwehr und möchte in der Ortswehr im Stadtteil Rodenbach mitmachen. Es gibt aber ein Problem: Maik leidet an Zerebralparese. Er sitzt im Rollstuhl, seine Beine und sein rechter Arm sind gelähmt.

Deshalb könne er verstehen, dass er nicht bei Einsätzen mitfahren darf. "Es ist ja auch offensichtlich", gibt er zu. Sein großer Wunsch ist es aber, einfach im Team der Ortswehr dabei zu sein. Zum Beispiel würde er gerne "den Teamgeist fördern und in der Jugendfeuerwehr die Kinder begleiten", wie er sagt.

"Die Kinder haben sich gefreut"

Im Sommer 2021 nahm ein Nachbar den damals 19-jährigen mit zur Feuerwehr. Maik war begeistert und trat kurz danach in den Feuerwehr-Verein ein. Als passives Mitglied half er immer mal wieder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Maik erzählt, dass er zum Beispiel den Kindern etwas über Knotenkunde, Funkmeldungen und Fahrzeuge beigebracht habe: "Die Kinder haben sich jedes Mal gefreut, wenn sie meinen Rollstuhl gesehen haben. Das war sehr schön."

Maik habe mit seiner offenen Art mindestens drei Kinder dazu motiviert, in die Feuerwehr einzutreten, sagt seine Mutter Ulrike Holler: "Eigentlich ist er eine Bereicherung für alle. Durch die Feuerwehr ist sein Selbstvertrauen unheimlich gestiegen." Ihr Sohn habe in der Feuerwehr gemerkt, dass es Menschen gebe, die ihn in ihrer Gesellschaft haben wollen und dass er etwas bewirken könne.

Seine Familie setzte sich dafür ein, dass er auch aktiv in der Feuerwehr mitwirken kann. Maik wollte an Übungen teilnehmen und noch mehr über die Feuerwehr lernen.

"Es scheitert nicht am Wollen, sondern am Können"

Im April gab die Stadtverwaltung von Haiger schließlich ein rechtliches Gutachten in Auftrag. Nach Aussage von Stadtbrandinspektor Andreas Dilauro möchte die Feuerwehr ihn zwar integrieren, wollte aber zunächst vor allem klären, was Maik trotz seiner Behinderung machen kann - und was nicht.

Maik Holler sitzt neben seiner Mutter Ulrike Holler in ihrer Wohnung in Haiger
Maik Holler aus Haiger mit seiner Mutter Ulrike Holler. Bild © Marc Klug (hr)

Mittlerweile liegt das Gutachten vor. Für Maik ist das eine eher schlechte Nachricht, denn eine aktive Teilnahme bei der Freiwilligen Feuerwehr ist demnach nicht möglich. "Es scheitert nicht am Wollen, sondern am Können", sagt Ingo Lankau, der die Stadt Haiger als Fachanwalt für Verwaltungsrecht vertritt.

Das hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) sei in dem Punkt eindeutig, erklärt der Jurist. Was die körperliche Einsatzfähigkeit angehe, könnten bei einer derart schweren Behinderung keine Ausnahmen gemacht werden.

"Einige Beispiele, wo Inklusion funktioniert"

Nach den Vorschriften des HBKG müsse jeder Feuerwehr-Anwärter eine Grundausbildung erhalten und somit erforderliche Kenntnisse über den aktiven Feuerwehreinsatz nachweisen können. "Gesundheitlich ist Maik dazu leider nicht in der Lage", sagt Lankau. Daran ändere auch die UN-Konvention für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nichts. Weil die Einsatzfähigkeit bei Maik nicht mal teilweise gegeben sei, fehle in seinem Fall eine rechtliche Grundlage für die Aufnahme in die Freiwillige Feuerwehr, so der Jurist.

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Gesetzliche Regelung

Im Hessischen Brand- und Katastrophenschutz-Gesetz (Paragraf 10, Absatz 6) ist geregelt, dass nur diejenigen bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmachen können, die "hierzu geistig und körperlich in der Lage" sind. Dies ist im Zweifel durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Das schließt laut dem hessischen Landesfeuerwehrverband (LFV) aber keineswegs Menschen mit Behinderung aus. "Im Rahmen der Inklusion begrüßen wir eine Aufnahme sogar ausdrücklich", teilt der LFV mit.
Entscheidend sei dafür jedoch, dass eine Einsatzfähigkeit immerhin teilweise festgestellt werden könne. "Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche konkreten Tätigkeiten die jeweilige Person tatsächlich ausüben kann", informiert der LFV. Als Beispiel führt der Verband eine Feuerwehrfrau aus Wabern (Schwalm-Eder) mit nur einem Arm an.

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Das Gutachten verdeutlicht, wie die körperliche Einsatzfähigkeit mit dem Anspruch auf Inklusion ins Verhältnis zu setzen ist: Ohne das eine ist das andere nicht möglich. Der Brandinspektor des Lahn-Dill-Kreises, Harald Stürtz, hält fest: "Es gibt einige Beispiele, wo Inklusion funktioniert. Wie der konkrete Fall zeigt, gelingt das aber nicht immer." Die Feuerwehr entscheide immer anhand des Einzelfalls, bekräftigt Stürtz.

"Rate zu Aktivität auf Vereinsebene"

Maik kann mit seiner linken Hand einen Rollstuhl-Stick steuern, viel mehr aber nicht. Das bedeutet, dass er nicht an offiziellen Übungen oder bei der Kinder- und Jugendfeuerwehr teilnehmen darf. Auch diese Tätigkeiten gehören zum aktiven Dienst. "Bei der Feuerwehr gibt es keine Trennung von Theorie und Praxis", betont der Verwaltungsrechtler Lankau. Das sei sinnvoll, denn die Übungen und die Jugendarbeit seien dafür da, um Menschen auf einen Einsatz vorzubereiten.

In Maiks Fall stoße Inklusion an Grenzen. Da schafft das Gutachten für die Stadt Haiger Rechtssicherheit. Eine offene Tür gebe es aber doch, so Lankau: "Wozu ich rate, ist, dass er sich auf der Vereinsebene so gut wie möglich entfaltet. Dann ist er in der Feuerwehrwelt drin und wird auch anerkannt und geschätzt." Diese habe der Feuerwehr-Verein in Rodenbach Maik auch zugesichert.

"Eigentlich hätte man das Fass nicht aufmachen müssen"

Maik ist zwar enttäuscht, dass er nicht bei allem dabei sein kann. Einige Aufgaben für ihn gibt es aber im Vereinsleben: zum Beispiel die Organisation von Festen oder die Begleitung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen.

Seine Mutter kritisiert, dass die rechtliche Prüfung so lange gedauert habe. Monatelang habe Maik auf das Ergebnis gewartet. Zuletzt sei er nicht mehr zur Feuerwehr gegangen. Ulrike Holler sagt: "Eigentlich hätte man das Fass gar nicht aufmachen müssen." Die Feuerwehr könne Maik doch dort integrieren, wo er trotz seiner Behinderung mitwirken kann - im Verein nämlich. Er habe das auch schon vor dem Gutachten getan.

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Sendung: hr-iNFO, 21.12.2023, 11.52 Uhr

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Quelle: hessenschau.de