Endlich kein Lehramt zweiter Klasse mehr
Schwarz-Grün hat sich lange Zeit gelassen mit der besseren Bezahlung von Grundschullehrkräften. Damit einher geht hoffentlich eine größere Wertschätzung eines Berufs, der komplex geworden ist.
Der Wert einer Arbeit lässt sich an vielen Faktoren messen – unter anderem an dem Geld, das sich damit verdienen lässt. Dass Grundschullehrkräfte in Hessen bislang weniger verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen an weiterführenden Schulen, lässt den Schluss zu, dass ihre Arbeit dem Land weniger wert war. Ein Lehramt zweiter Klasse.
Das ändert sich demnächst. Ab August wird die Einstiegsbesoldung von Lehrerinnen und Lehrern in den Grundschulen von A12 auf A13 angehoben. In fünf Jahren soll es auf einem Niveau mit den bislang Besserverdienenden liegen.
Ein Schritt, der längst überfällig war. Denn warum soll Bildung in den Klassen eins bis vier weniger wert sein als in höheren Stufen? Die Arbeit an den Grundschulen hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Die Anforderungen an Lehrkräfte sind zunehmend komplex und gehen längst über das reine Lehren von Schreiben und Rechnen hinaus.
Gestiegene Anforderungen an die Grundschule
An kaum einer anderen Bildungseinrichtung sind die Lerngruppen derart heterogen. Kinder verschiedenster Herkunft und mit den verschiedensten Voraussetzungen lernen hier, sie müssen individuell gefördert und gefordert werden. Dazu gehören Kinder aus Kriegsgebieten, die teils schwer traumatisiert sind und oft zunächst kein Deutsch sprechen.
Hessische Grundschulen sind mittlerweile Ganztagsschulen, an denen Inklusion umgesetzt und gelebt werden soll. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag verlagert sich immer stärker vom Elternhaus dorthin. Vieles, was früher im Elternhaus stattfand, fällt jetzt in den Aufgabenbereich von Grundschullehrkräften - und sei es nur das Schuhebinden und das Uhrlesen, um greifbare Beispiele zu nennen.
In einer Entwicklungsphase, in der bei Kindern wichtige Grundsteine für die spätere Entwicklung, sowohl sozial als auch beruflich, gelegt werden, sind Grundschullehrkräfte oft Wissensvermittlerin, Bezugsperson und Sozialpädagoge zugleich. Multitalente an allen Fronten. An Unterstützung von geschultem Fachpersonal fehlt es oft.
Landesregierung hat lange gebraucht
Eine Aufgabe mit großer Verantwortung, die nicht wenige an ihre Belastungsgrenze bringt - und dennoch in der Gesellschaft eine spürbar schwindende Anerkennung erfährt. Dass die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden für Lehrkräfte an der Grundschule ganze drei Stunden höher liegt als etwa an Gymnasien, ist auch Teil der Wahrheit. Trotzdem haben sie bislang weniger verdient.
Ob mit der Anhebung der Besoldung von Seiten der Politik tatsächlich eine höhere Wertschätzung einhergeht oder ob der Druck durch den Fachkräftemangel einfach zu groß geworden ist, sei einmal dahingestellt. Immerhin hat die Landesregierung fast eine ganze Legislaturperiode für diesen Schritt gebraucht - nachdem die Nachbarbundesländer in der Sache teilweise vorangegangen sind.
Es ist aber das Ergebnis, das zählt. Es bleibt zu hoffen, dass mit der Gleichstellung auf dem Konto auch die Anerkennung steigt und die Arbeit an den Grundschulen bald den Stellenwert in der Gesellschaft genießt, den sie verdient.