Gedenkfeier mit Reden von Steinmeier und Angehörigen Bewegender Abschied von Hanauer Anschlagsopfern
Zusammen mit Bundespräsident, Kanzlerin und Ministerpräsident hat die Stadt Hanau Abschied von den Opfern des rassistischen Anschlags vom 19. Februar genommen. Angehörige hielten emotionale Reden.
Mit einer bewegenden Trauerfeier hat die Stadt Hanau am Mittwoch (04.03.20) Abschied von den Opfern des rassistischen Anschlags vom 19. Februar genommen. Freunde und Angehörige der Opfer traten ans Rednerpult im Congress Park, ebenso wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) waren gekommen.
Namen der Opfer mehrfach vorgetragen
Zentrale Botschaft der Gedenkfeier: "Die Opfer waren keine Fremden!" Immer wieder wurden die auf einer Tafel stehenden Namen der Toten verlesen, brachten die Redner sie dem Auditorium mit kurzen Beschreibungen näher. Steinmeier sagte sichtlich bewegt: "Wir alle sind getroffen, wir alle sind verletzt."
Der Bundespräsident sprach von einem Anschlag auf die Freiheit und den gesellschaftlichen Frieden. "Unsere Botschaft von Hanau in die Republik muss sein: Wir stehen zusammen. Wir halten zusammen. Denn wir wollen zusammen leben."
Tränen und bewegende Stille in der Innenstadt
Auf dem Hanauer Marktplatz hatten sich laut Polizei rund 1.500 Menschen versammelt, am Freiheitsplatz waren es rund 500. Während sie das Geschehen im Congresspark auf zwei Großbildwänden verfolgten, brachen einige immer wieder in Tränen aus. In der sonst so lebhaften Stadt herrschte eine gedrückte Stimmung.
Ministerpräsident Bouffier sagte, er wisse, dass zur Trauer und Ungewissheit auch Angst getreten sei. "Ich kann diese Angst gut verstehen, aber diese Angst darf nicht obsiegen." Man müsse alles dafür tun, damit alle ohne Angst leben könnten. An die Angehörigen gerichtet sagte er: "Wir stehen an Ihrer Seite."
Oberbürgermeister: "Das tut unendlich weh"
Der rassistische Anschlag von Hanau werde für immer mit der Stadt verbunden sein, sagte Oberbürgermeister Kaminsky. "Das tut unendlich weh. Auch wenn dieser Schmerz nicht mit dem Leid der Opfer und dem Schmerz der Angehörigen zu vergleichen ist." Hanau sei stark, weil es zusammensteht.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an der Gedenkfeier teil. Sie hielt aus Protokoll-Gründen keine Rede und trug sich vor der Veranstaltung in das Kondolenzbuch für die Opfer ein.
Schwester: "Empfinde keinen Hass"
Besonders bewegend waren die Ansprachen der Freunde und Angehörigen der Opfer. Während ihrer Reden war es in der Halle und draußen vor den Leinwänden besonders still. Ajla Kurtović, die bei dem Anschlag ihren Bruder verloren hatte, sagte: "Mein Bruder Hamza wurde völlig unerwartet aus der Mitte unserer Familie gerissen." Ihr Bruder sei stets hilfsbereit, gut gelaunt und sozial engagiert gewesen.
Sie selbst empfinde keinen Hass, sagte Kurtovic. "Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass Hass den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben hat" und weiter: "Ich will, dass wir uns alle von Hass abgrenzen." An die Verantwortlichen der Politik appellierte sie, dafür zu sorgen, dass sich ähnliche Taten nicht wiederholten.
"Mein Bruder liebte diese Stadt"
Die Schwester des Getöteten Said Nesar Hashemi, Saida, dankte den Bürgern Hanaus für deren Anteilnahme und Beistand. Gleichzeitig zeigte sie sich verletzt darüber, dass ihr Bruder in einigen Medien als Afghane bezeichnet worden sei. Said sei immer Deutscher, immer Hanauer gewesen, stellte sie klar. Er habe die Stadt geliebt. Hashemis Bruder war ebenfalls im Publikum. Er hatte den Anschlag vom 19. Februar knapp überlebt.
Kemal Kocak, der viele Opfer des Anschlags kannte, sagte: "Der Mensch vergisst schnell. Aber diese jungen Menschen, die zum Opfer gefallen sind, dürfen wir nicht vergessen." Er rief zum Widerstand gegen Rassismus und Ausgrenzung auf. Nach dem Anschlag habe er Angst gehabt, sich in seiner eigenen Wohnung zu bewegen. "Ich möchte keine Angst haben."
John Lennons "Imagine" zum Abschluss
Nach den Reden gingen Angehörige der Opfer in Begleitung von Vertretern der Politik, darunter auch Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender, nach vorn, um weiße Rosen niederzulegen. Dabei trugen die Familienmitglieder Fotos der Getöteten bei sich. Ein Sänger trug zum Abschluss "Imagine" von John Lennon vor - ein Lied, das vom gemeinsamen Leben aller Menschen in Frieden erzählt.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 04.03.2020, 19.30 Uhr