"Bird Mapper" Wie ein Darmstädter Student mit Künstlicher Intelligenz Vögel retten will
Um bedrohte Vogelarten zu schützen, braucht es genaue Daten über den Bestand. Dafür will der Darmstädter Student Marc Neumann eine KI einsetzen, die Vogelpopulationen in Echtzeit kartiert. Der Naturschutz zeigt sich sehr interessiert.
Ein Spaziergang durch Wald und Flur wird durch den Gesang der Vögel erst zum richtig schönen Naturerlebnis. Aber Hand aufs Herz: Könnten Sie immer sagen, welche Vögel da gerade zu hören sind, geschweige denn wie viele?
Echtzeit-Karten mit Hilfe der KI
Genau hier setzt das Umweltschutz-Projekt eines Darmstädter Studenten der Technischen Universität (TU) Darmstadt an. Mit seinem "Bird Mapper" (zu Deutsch "Vogelkartierer") will Marc Neumann die Künstliche Intelligenz (KI) dazu nutzen, Vögel zu erkennen und ihre Bestände festzustellen.
Neumanns Ziel ist es, dem Vogelsterben aktiv entgegen zu wirken, indem er Naturschützern belastbare Daten an die Hand gibt. Allein der Bestand bei den Vogelarten der Agrarlandschaft sei in Deutschland seit 1980 um fast 35 Prozent zurückgegangen, sagt er. In Wäldern und urbanen Räumen sehe es ähnlich aus.
KI soll Vogelarten erkennen und zählen
Bislang werden Vogelzählungen in erster Linie anhand von Sichtungen durchgeführt. Meist sind es ehrenamtliche Helfer, die sich an diesen konventionellen Zählungen beteiligen.
"Bei diesen Angaben haben wir eine hohe Ungenauigkeit", sagt Neumann. Die Erhebungen reichten als grobe Schätzung zwar für eine Prognose für die nächsten zehn Jahre. "Doch für viele Vogelarten wird das bereits zu spät sein."
Vernetzte KI-Geräte erstellen Echtzeit-Karte
Die von dem Studenten des Bachelor-Studiengangs Computational Engineering entwickelte Methode funktioniert dagegen so: Mikrofone, Mikrocontroller und Speicherkarten werden in eine handliche Box gepackt und etwa auf Bäumen und an Zäunen befestigt. Aus den aufgenommenen Vogelstimmen entsteht ein Spektrogramm.
"Jede Vogelart hat ihre eigene Tonlage, ihren eigenen Gesang", erklärt der 24-Jährige. "Die KI kann sie unterscheiden und ihre Anzahl bestimmen." Aus den gesammelten Daten mehrerer vernetzter Boxen wird dann eine Echtzeit-Karte mit der Verteilung der Vogelpoulationen erstellt.
"Die Expertise eines Vogelexperten wird das Gerät nicht ersetzen können", räumt Neumann ein. "Aber ich zähle 24/7." Soll heißen: Es werden rund um die Uhr Daten erhoben. Neumann strebt einen großflächigen Dauerbetrieb an. Aus dieser Datenmenge ergebe sich ein genaueres Bild als bei der herkömmlichen Zählung.
Nabu interessiert
Eine gute Datenlage weiß auch Gerhard Eppler, Experte und früherer Landesvorsitzender des Naturschutzbundes Nabu Hessen, zu schätzen. Sie zeige, worauf man sich bei Schutzmaßnahmen konzentrieren muss, sagt er. "Wenn ich etwas verbessern will, dann muss ich wissen: Wo gibt es ein Problem? Wie groß ist das Problem?"
Und da nennt der Naturschützer vor allem Vögel der Agrarlandschaft. "Denen geht es größtenteils schlecht", sagt Eppler und nennt exemplarisch Rebhuhn und Feldlerche. Bei der Ursachenforschung müsse man dann auch auf andere Tierarten des gleichen Lebensraums schauen, zum Beispiel bestimmte Insektenarten.
Wie leistungsstark ist das Programm?
Eppler weiß aber auch um die praktischen Probleme der Vogelzählung. "Nur weil ein Vogel irgendwo sitzt, heißt das noch lange nicht, dass er da auch brütet", gibt er zu bedenken. Auch sei es gerade bei größeren Populationen schwierig, Individuen auseinanderzuhalten und Mehrfachzählungen zu vermeiden, vor allem dann, wenn die Tiere in Bewegung sind.
Dem Problem will Neumann begegnen, indem er in einem zu untersuchenden Gebiet mehrere Geräte platziert und nur solche Tiere als verschiedene zählt, deren Laute von mehreren Geräten innerhalb einer Minute registriert werden.
Um zu sehen, wie leistungsstark das System ist, schlägt Eppler vor, eine Fläche sowohl nach konventioneller Methode als auch mit dem neuen System zu untersuchen, um die Ergebnisse zu vergleichen.
Überrascht vom eigenen Erfolg
Mit dem "Bird Mapper" konnte Student Neumann seine Leidenschaften verknüpfen. Im Hochtaunus bei Schmitten ist er naturnah aufgewachsen, wurde dort selbst zum Hobby-Ornithologen. Zugleich ist er leidenschaftlicher Softwareentwickler mit großer Affinität zur Künstlichen Intelligenz.
Und so kam er vor zwei Jahren auf die Idee, eine KI Vögel zählen zu lassen. "Die Vogelerkennung per KI ist sehr schwierig", sagt er. Derzeit arbeitet er daran, das Programm weiter zu verfeinern. "Ich bin größtenteils Software-Engineer", erklärt der Student. Er hat aber auch die Hardware für seinen "Bird Mapper" entwickelt.
Preis- und Fördergelder erhalten
Mit seinem Einfall ging er zum Ideenwettbewerb der TU Darmstadt. Eigentlich wollte er dort nur ein professionelles Feedback bekommen. Nach Hause ging er mit dem ersten Preis in der Kategorie Studierende. "Damit habe ich wirklich nicht gerechnet", sagt er.
Was folgte, war ein Coaching durch das Innovations- und Gründungszentrum Highest der TU Darmstadt. Das hessische Zentrum für Künstliche Intelligenz, hessian.ai, an dem 13 hessische Universitäten beteiligt sind, nominierte ihn für den Hessen Ideen Wettbewerb 2023. Aus dem Fördertopf AI Startup Rising von hessian.ai erhielt er einen Förderbetrag von 30.000 Euro.
Feldversuch bei Darmstadt in Vorbereitung
Mit dem Landschaftspflegeverband des Kreises Groß-Gerau in Wolfskehlen gibt es bereits eine enge Zusammenarbeit. Mit den Experten dort ist er in Vorbereitung eines Feldversuchs auf einem Hektar Fläche bei Darmstadt mit etwa 15 Geräten. "Bis Ende des Jahres hoffen wir, erste Ergebnisse zu haben", sagt Neumann.
Perspektivisch will Neumann mit seiner Idee auch Geld verdienen. Geplant ist ein Start-up, das Gutachterbüros bedient. Unterm Strich soll aber vor allem die Natur von seiner Idee profitieren.
Es sind auch noch rechtliche Fragen zu klären. So kann man nicht einfach nach Belieben Mikrofone in der Natur platzieren. Neumann versichert aber, dass andere Geräusche als Vogelstimmen nicht gespeichert werden.
Mitstreiter gesucht
Bei der Umsetzung seiner Idee kann der 24-Jährige noch Mitstreiter gebrauchen. "Im Moment bin ich alleine, ich habe viel mit der technischen Seite zu tun", sagt Neumann. Was er sucht, sind Audio- und Vermarktungsexperten.
Eine wichtige Voraussetzung, die Interessierte mitbringen sollten: "Sie sollten vogelbegeistert sein." Nabu-Experte Eppler steht der Sache jedenfalls schon mal aufgeschlossen gegenüber: "Die Idee hat auf jeden Fall Potenzial"
Sendung: hr4, 12.02.2024, 6.30 Uhr
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