Waldprojekt Hessen soll "Schmelztiegel" für Wildkatzen werden
Grüne Katzenaugen, getigertes Fell, buschiger Schwanz: Die Europäische Wildkatze war fast ausgestorben. In Mittelhessen sollen ihnen nun beste Bedingungen geboten werden – damit sich dort auch Tiere aus anderen Regionen begegnen können.
Noch vor zehn Jahren galten Europäische Wildkatzen in Hessen als so gut wie ausgerottet. Nun sind sie wieder auf dem Vormarsch. Derzeit leben in Hessen schätzungsweise 800 bis 1.000 Exemplare.
In der Hörre, einem Waldgebiet in Mittelhessen, haben am Dienstag bei Ehringshausen der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und das hessische Umweltministerium das Projekt "Wildkatzenwälder von Morgen" gestartet. Ziel ist es, die Zahl der Wildkatzen weiter zu erhöhen und verschiedene Wildkatzen-Populationen zusammenzuführen, die bisher wenig Kontakt miteinander hatten.
"Wildkatzen lieben es unaufgeräumt"
Die Hörre ist wie gemacht als Lebensraum für Wildkatzen: ein alter Mischwald, gelegen auf einem Bergrücken im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis. Es ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Hessen. Bereits jetzt leben im Lahn-Dill-Bergland einige Wildkatzen, 2018 wurden die ersten Exemplare nachgewiesen.
Projektleitern Susanne Steib vom BUND Hessen erklärt: "Wildkatzen lieben es unaufgeräumt: Sie brauchen reich strukturierte Wälder und offene Flächen zum Mäusejagen und zum Verstecken."
In dichtem Gebüsch und Totholz könnten Wildkatzen Höhlen finden und ihre Jungen verstecken, um dann zur Jagd zu gehen. "Die Jungen kommen zwischen April und Juni zur Welt." Sehen wird man Wildkatzen aber wohl eher nicht, sagt Steib: Die Tiere seien nachtaktiv und würden Abstand halten zum Menschen.
Die Hörre ist nur eine von mehreren Flächen, auf der die Wildkatzen-Population erhöht werden soll. Der BUND will nach eigenen Angaben auch private Waldbesitzer und Kommunen als Partner dafür gewinnen.
Um der Wildkatze besseren Lebensraum zu bieten, sollen im Rahmen des Projekts zum Beispiel Waldränder struktur- und artenreicher gestaltet werden, Totholzhaufen aufgeschichtet und Bachtäler entwickelt werden. "Das größte Problem für die Wildkatze ist der Straßenverkehr", sagt Projektleiterin Steib. Weil vielbefahrene Straßen den Katzen oft im Weg seien, sei deshalb auch geplant, wenn nötig Wildbrücken zu schaffen.
Getrennte Populationen sollen sich vermischen
Ein wichtiges Ziel des Projekts ist es, dass sich bisher getrenntlebende Wildkatzen-Populationen besser mischen können als bisher. Auch hier eignet sich die Hörre besonders gut. Sie könnte einen Art Korridor für Populationen bilden, die bisher im Südwesten Deutschlands lebten und sich bis zum Taunus verbreiteten und Tieren, die im Rothaargebirge oder in Nordhessen leben.
Die Wildkatzenwälder im Lahn-Dill-Bergland sollen also eine Lücke schließen und den Tieren die Möglichkeit geben ihr genetisches Material auszutauschen – was als wichtig für den Arterhalt gilt.
Hinz: Hessen als Schmelztiegel
Das betonte auch Umweltministerin Prisca Hinz (Grüne) beim Projektauftakt: Das Land trage eine besondere Verantwortung für Schutz und Erhalt der Wildkatzen, weil in Hessen die Vernetzung der Wildkatzen aus Mittel- und Westdeutschland stattfinde, sagte sie. Die Region sei eine Art "Schmelztiegel für den genetischen Austausch", so die Ministerin.
Laut BUND profitieren von den Maßnahmen im Wald nicht nur Wildkatzen, sondern auch andere Tiere, wie etwa Bechstein-Fledermäuse, Lurche und Haselmäuse. Der Wald werde dadurch außerdem "klimasensibler", also besser eingestellt auf Trockenheit, Überschwemmungen oder Stürme.
Es sei gut, dass die Wildkatze mehr Aufmerksamkeit bekomme, teilt auch Kooperationspartner Hessen Forst mit, der die Hörre bewirtschaftet. Die Tiere seien eine "Zeiger-Art" für intakte Wälder. Hessenforst arbeite schon seit drei Jahrzehnten daran, die Wälder in strukturreiche Mischbestände umzubauen.
Auch Stefan Ambraß vom Forstamt Wetzlar befürwortet die Maßnahmen zum Schutz der Tiere sehr. Er habe schon mehrfach in den Dämmerungsstunden vom Hochsitz aus Wildkatzen in freier Wildbahn sehen können, erzählt er.
Aufgrund der Katastrophen der vergangenen Jahre, gebe es im Wald derzeit viele Freiflächen und Totholz. "Das ist für den Wald einerseits schlecht, andererseits bietet das auch viele Chancen und Möglichkeiten für die Umgestaltung und es in so einer Phase gut, eine Zielsetzung zu haben", sagt der Förster.
Teil eines bundesweiten Projekts
Das Projekt ist auf sechs Jahre angelegt und Teil eines gleichnamigen BUND-Großprojektes, das ein Volumen von 9 Millionen Euro hat und vom Bundesumweltministerium gefördert wird.
Für Maßnahmen in Hessen sind 482.000 Euro vorgesehen, die größtenteils aus der Bundesförderung kommen. Ein Viertel kommt aus Mitteln des hessischen Umweltministeriums und Eigenmitteln des BUND.
Sendung: hr4, die Hessenschau für Mittelhessen, 4.4.23, 15.30 Uhr
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