"Frauensicherheitspaket" Hessen beschließt Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen

Sexistische Äußerungen strenger verfolgen, neue Technik bei Fußfesseln und mehr Frauenhausplätze - das sind geplante Maßnahmen eines "Frauensicherheitspakets" für Hessen. Vieles ist nicht neu.

Bunte Kreideaufschrift auf einer Straße. Sie lautet: "Jemanden wie dich sollte man mal durchf**cken. Ich war 11." Dahinter angeschnitten die Füße einer Person, die daneben steht.
Mit Kreide-Aufschriften auf dem Bürgersteig berichteten Betroffene von ihren Erfahrungen mit verbaler sexueller Belästigung. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Frauensicherheitspaket beschlossen

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In Hessen wurden laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr rund 12.000 Fälle häuslicher Gewalt erfasst. Über 9.000 Frauen mussten nach Angaben des Innenministeriums Gewalt in ihrer Ehe und Partnerschaft erfahren, und es würden immer mehr.

Um Gewalt gegen Frauen einzudämmen, hat das Kabinett in Wiesbaden am Montag das sogenannte Frauensicherheitspaket verabschiedet. "Gewalt gegen Frauen ist Gewalt gegen uns alle", sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nach der Sitzung am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, dem sogenannten Orange Day.

Das Paket fußt den Angaben zufolge auf den drei Säulen "Mehr Schutz", "Effektivere Strafverfolgung" und "Bessere Prävention". Diese Säulen enthalten jeweils mehrere Maßnahmen, von denen die meisten bereits bekannt sind.

Elektronische Fußfesseln nach spanischem Vorbild

So geht es im Paket unter anderem um die Überwachung von Straftätern, die ihren Lebensgefährtinnen oder Ex-Partnerinnen Gewalt angetan haben. Elektronische Fußfesseln sollen den Aufenthaltsort von Tätern kontrollieren.

Das Land setzt auf eine neue Technik und macht sich dafür im Bundesrat stark. Solche Fußfesseln sollen nach dem Vorbild von Spanien eine Schutzzone um einen Menschen gewährleisten, nicht nur um einen festen (Wohn-)Ort.

Kassen sollen Spurensicherung nach Vergewaltigung bezahlen

Außerdem soll die medizinische Versorgung nach Vergewaltigungen verbessert werden. Den Angaben nach können sich betroffene Frauen derzeit in 26 Kliniken in Hessen nach einer Vergewaltigung in geschütztem und vertraulichem Rahmen medizinisch untersuchen und auf Wunsch Beweismittel sichern lassen, ohne dass sie die Tat vorher polizeilich anzeigen müssen.

Es werde daran gearbeitet, "dass die Kosten der vertraulichen Spurensicherung und der Versorgung von Gewaltopfern von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden", heißt es in dem Papier.

Frauenhäuser: Mehr Bedarf als Plätze

Frauenministerin Heike Hofmann (SPD) sagte am Montag, trotz der angespannten Haushaltslage solle der Ausbau von Plätzen in Frauenhäusern vorangetrieben werden: "Mit dem Ziel, für betroffene Frauen in Hessen flächendeckend ein erreichbares Angebot bereithalten zu können."

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Eine Frau steht hinter einem Pult, auf dem "Hessischer Landtag" steht und spricht ins Mikrofon. Auf dem Bild ist ein Button zum Anklicken, damit ein Video abgespielt wird.
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Nach Angaben der Diakonie in Frankfurt fehlen deutschlandweit etwa 14.000 Plätze in Frauenhäusern. In Hessen gab es nach Auskunft von Hofmanns Ministerium im vergangenen Jahr 333 Schutzplätze für Frauen in 31 Frauenhäusern.

Regierung will Mängelmelder gegen Angsträume bewerben

In dem Paket ist weiterhin vorgesehen, Frauennotrufe, Beratungs- und Interventions- sowie Meldestellen zu fördern. Mit welchen Summen, wurde nicht angegeben. Hofmann sagte, auch die Täterarbeit solle stärker unterstützt werden. Prävention müsse diesbezüglich "schon im Kindesalter ansetzen".

Einen hessenweiten Mängelmelder gegen Angsträume will die Landesregierung nach eigenen Angaben noch stärker bewerben. Über den Melder können Bürgerinnen und Bürger schlecht beleuchtete Seitenstraßen und als unsicher empfundene Plätze angeben. An solchen Orten solle Videoüberwachung ermöglicht werden, heißt es in dem Maßnahmenpaket.

Innenstaatssekretär Martin Rößler sagte: "Zudem wollen wir Zeugenschutzprogramme auch für den Schutz von Frauen vor Gewalt ermöglichen." Näheres nannte er nicht.

Obszöne Äußerungen effektiver verfolgen

Hessen will ferner Straftaten mit dem Hintergrund des sogenannten Catcallings, also des sexuell anzüglichen Rufens oder Gestikulierens gegenüber Frauen, effektiver verfolgen. Catcalling soll demnach auch angeklagt werden können. 

Justizminister Christian Heinz (CDU) zufolge wird die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt all dies in einer Rundverfügung an die hessischen Staatsanwaltschaften sicherstellen. Zudem werde bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Beauftragter "als zentraler justizinterner Ansprechpartner für Fragen bei Straftaten mit Catcalling-Hintergrund" zur Verfügung stehen.

Laut dem Justizministerium können bei diesen Delikten je nach Einzelfall die Straftatbestände der Beleidigung, Nötigung oder sexuellen Belästigung erfüllt sein. 

"Frauen sind kein Freiwild"

Minister Heinz betonte: "Gewalt wird nicht nur körperlich, sondern auch verbal ausgeübt. Sexistische Äußerungen oder Gesten gegenüber Frauen führen oftmals dazu, dass gerade sie sich im öffentlichen Raum unsicher und eingeschüchtert fühlen."

Im Rechtsstaat Deutschland müsse aber klar sein: "Frauen sind kein Freiwild. Wir werden jede Beleidigung, Nötigung oder Straftat mit Catcalling-Hintergrund konsequent verfolgen und ahnden."

Den Grünen geht das nicht weit genug

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion Vanessa Gronemann begrüßte laut Mitteilung den Ansatz von Justizminister Heinz, die Strafverfolgung bei der Beleidigung, Nötigung oder sexueller Belästigung zu verstärken. "Allerdings blendet die Landesregierung aus, dass es Formen der verbalen sexuellen Belästigung gibt, die diese Straftatbestände noch nicht erfüllen", so Gronemann.

Das Land Niedersachsen habe im Bundesrat eine entsprechende Initiative eingebracht. "Wenn die Landesregierung Frauen vollumfänglich schützen will, muss Hessen diesen Vorschlag zum Verbot von Catcalling unterstützen."

Ein Antrag der hessischen Grünen, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, um Catcalling strafbar zu machen, wurde im September dieses Jahres von CDU, SPD und AfD in Wiesbaden abgelehnt.

Paket wird grundsätzlich begrüßt

Die FDP begrüßt das aktuelle Paket grundsätzlich, fordert aber gleichzeitig eine Stärkung der Justiz. "Ein konsequentes Vorgehen gegen Catcalling braucht eine konsequente Stärkung der Justiz", sagte Wiebke Knell, die Fraktionsvorsitzende im Landtag und frauenpolitische Sprecherin am Montag.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen nimmt den Beschluss des Landes ebenfalls wohlwollend auf, gleichzeitig fordert Kristina Nottbohm, Referentin für Frauen und Mädchen, in einer Mitteilung mehr Geld: "Das Gewaltschutzsystem ist nach wie vor unterfinanziert, es fehlen in Hessen noch immer mehrere hundert Frauenhausplätze."

Die AfD sieht in dem Paket "einige gute Maßnahmen" wie etwa Fußfesseln oder Abstandsgebote. Die Partei bemängelt aber das Fehlen einer Abschiebeoffensive.

Über 70.000 Unterschriften bei Petition an Bundesregierung

Verbale sexuelle Belästigungen sind im Strafgesetzbuch derzeit kein eigener Straftatbestand. Sie können bislang nur dann angezeigt werden, wenn sie mit körperlichen Berührungen einhergehen oder einen eindeutigen herabwürdigenden Charakter haben.

Beim bundesweiten Aktionstag gegen Catcalling am 14. Juni protestierten in mehreren hessischen Städten Frauen gegen Catcalling. Vor vier Jahren hatte eine Studentin aus Fulda, Antonia Quell, fast 70.000 Unterschriften unter dem Aufruf an die Bundesregierung gesammelt, Catcalling in Deutschland grundsätzlich strafbar zu machen.

Weitere Informationen

Hier gibt es Hilfe bei Gewalt gegen Frauen

Bei akuter Gefährdung: Polizeinotruf 110

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist unter der bundeseinheitlichen Telefonnummer 08000 116 016 rund um die Uhr, kostenfrei, anonym, barrierefrei erreichbar - auch online. Der Anruf und die Nummer erscheinen nicht auf der Telefonabrechnung. Die Beratung erfolgt vertraulich und auf Wunsch anonym. Eine Beratung ist in 18 Fremdsprachen möglich.

Die Beraterinnen leisten psychosoziale Erstberatung sowie Krisenintervention und vermitteln auf Wunsch an Unterstützungseinrichtungen vor Ort weiter, etwa an eine Frauenberatungsstelle oder ein Frauenhaus in der Nähe. Auch Menschen aus dem sozialen Umfeld der Gewaltbetroffenen können sich an das Hilfetelefon wenden.

Weitere Informationen zu Hilfsangeboten bei häuslicher Gewalt finden sich auf der Seite des Hessischen Sozialministeriums.

Ende der weiteren Informationen

Redaktion: Clarice Wolter und Anikke Fischer

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe