Umstrittene Angelpraxis Große Fische fangen und wieder zurücksetzen?
Angelinfluencer Marcel Weigel fängt große Fische, misst sie, macht ein Foto - und lässt sie dann wieder schwimmen. Catch and Release nennt sich diese Angelpraxis. Sie ist auf Social Media weit verbreitet, gut für die Fischbestände und gleichzeitig ethisch höchst umstritten.
Marcel Weigel legt mit seinem Boot von einem Steg am Edersee ab. Das Ziel heute: Einen dicken Barsch oder Zander fangen. Nach ein paar Metern Fahrt mit dem leisen Elektro-Motor bleibt er stehen - der 40-Jährige hat auf der glatten Wasseroberfläche einen raubenden Fisch gesehen. Er wirft seinen Köder aus Kunststoff aus und holt ihn ein, aber diesen Fisch erwischt er nicht.
Wer Marcel Weigels Instagram-Profil anschaut, sieht allerdings: Der Guxhagener fängt jede Menge. Er ist Angelinfluencer – zeigt also in den sozialen Medien seine Touren und Fänge. Und: Er setzt sich dort für Catch and Release ein. Das heißt, dass auch sehr große Fische wieder zurückgesetzt werden dürfen. "Das ist eine sehr gute Sache. Die großen Fische geben extrem viel und guten Laich ab. Das sichert einen guten Fischbestand", argumentiert Weigel.
Catch and Release in Deutschland verboten
In Deutschland ist Catch and Release, also das Zurücksetzen großer Fische, in den meisten Fällen gesetzlich verboten. Einen Zander, der groß genug ist, muss Marcel Weigel töten und mitnehmen. Sonst würde er dem Fisch ohne triftigen Grund und nur zum eigenen Vergnügen Schaden zufügen - ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
In Schweden oder den Niederlanden, wo Marcel Weigel viel unterwegs ist, ist Catch and Release dagegen erlaubt. Während er auf dem Edersee immer wieder die Angel auswirft, erklärt er: "Für mich ist es ein super gutes Gefühl, wenn man den Fisch gesund wieder davon schwimmen sieht, wenn ein großer Fisch wieder in sein Element kann."
Überlebenschancen stehen gut
Ob der Fisch tatsächlich gesund wieder davon schwimmt, hängt von mehreren Faktoren ab. Wenn der Fisch im flachen Wasser gefangen wurde, der Haken nicht tief im Maul sitzt und der Angler ihn schnell und schonend entfernt, liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit Studien zufolge bei über 90 Prozent. Wenn der Fisch aber beispielsweise den Haken tief geschluckt hat oder lange an der Luft ist, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit.
Ethische Fragen bleiben
Auch wenn die großen Fische die Prozedur in der Regel überstehen und Catch and Release gut für Fischbestand und Gewässerökologie zu sein scheint, stellen sich ethische Fragen. Tanja Breining ist Meeresbiologin und arbeitet für die Tierschutzorganisation Peta.
Sie kritisiert die Methode scharf: "Dabei werden die Fische wie Spielzeug behandelt. Es werden ihnen ohne vernünftigen Grund Leiden zugefügt: Sie werden am Haken aufgespießt, in die Luft gezogen, können nicht atmen, werden gewogen und gemessen und dann zurückgesetzt." Peta spricht sich generell gegen das Angeln aus, besonders aber gegen Catch and Release.
Hessischer Fischereiverband mit Kompromiss
Der Hessische Fischereiverband hat einen Kompromiss erarbeitet. Bisher gab es nur das Mindestmaß – so musste eine Anglerin oder ein Angler zum Beispiel alle Hechte über 50 cm töten und mit nach Hause nehmen. Seit Ende April gibt es so genannte Entnahmefenster: Anglerinnen und Angler müssen nur noch Hechte zwischen 50 und 90 cm entnehmen.
Das schützt die großen Fische, die für die Population und das Gewässer generell wichtig sind. Angler Marcel Weigel ist begeistert: "Das ist ein richtiger Schritt, ich denke da sollte man weiterhin ansetzen."
Auch die Peta stimmt zu, dass die Entnahmefenster eine gute Maßnahme sind, um die großen und für die Population und das Gewässer so wichtigen großen Fische zu schützen. Und auch wenn die ethischen Bedenken bei dem Kompromiss mit den Entnahmefenster etwas in den Hintergrund rücken - bei der umstrittenen Angelpraktik Catch and Release werden sie immer Teil der Diskussion sein.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 23.06.2023, 19.30 Uhr
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