"Reden wir über Religion und Politik!" Christiane Tietz ist neue Kirchenpräsidentin der EKHN

Mit der Frankfurter Theologin Christiane Tietz steht erstmals eine Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau. Am Sonntag übernahm sie das Amt von ihrem Vorgänger Volker Jung in einem feierlichen Gottesdienst in Wiesbaden.

Ein Porträt von Christiane Tietz beim Gottesdienst in Wiesbaden
Christiane Tietz ist die neue Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau. Bild © picture alliance/dpa | Helmut Fricke

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat erstmals eine Kirchenpräsidentin: Die Theologin Christiane Tietz wurde am Sonntag in einem Festgottesdienst in der Lutherkirche Wiesbaden in ihr Amt eingeführt.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, leitete die Einführung im Beisein von mehr als 700 Gästen. Fehrs lobte die neue Kirchenpräsidentin als "klug, scharfsinnig, politisch wach".

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Christiane Tietz – Neue Kirchenpräsidentin im Amt

Christiane Tietz
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Tietz wechselt von der Universität ins neue Amt

Tietz werde die anstehenden Veränderungen mit Mut voranbringen, sagte Fehrs: "Christiane Tietz strahlt dabei als 'hoffnungsvolle Realistin' so viel Herzlichkeit und Zuversicht aus, dass es den Menschen - auch inmitten des ganzen Irrsinns in dieser Welt - Kraft geben wird und Orientierung."

Tietz wurde in Frankfurt geboren. Bis zu ihrem Amtsantritt war sie Professorin für Systematische Theologie in Zürich.

Aufforderung zum Dialog

Tietz sprach in ihrer Predigt über ihren Glauben, Politik und die Notwendigkeit zum Dialog: Viele hätten sich angewöhnt, politisch nicht mehr zu diskutieren, sich zurückzuhalten. Aber so würden sich Meinungen verhärten, es brauche den Austausch, sagte Tietz. Zu viel Zurückhaltung könne auch schaden.

Der offene Austausch und das Zuhören seien wichtig. Sie sehe aktuell aber andere Tendenzen: Der Umgangston werde rauer, dann wieder bleibe es auch oft bloß floskelhaft, manche würden ganz verstummen. Das erlebe sie auch in der Kirche.

"Reden wir über Religion und Politik!"

Manche Gespräche über Politik könnten anstrengend und mühsam sein. Auch bei kritischen Themen, müssten die Menschen miteinander zugewandt im Gespräch bleiben. "Reden wir über Religion und Politik!", appellierte sie - als Menschen, die auch Ängste haben, hoffen und glauben.

Als Christin glaube sie, dass Gott allen freundlich zugewandt sei: "Gott hat sie und mich und jeden und jede ins Herz geschlossen", es sei wichtig, auf Gott zu vertrauen, auch sie trage ihr Glaube durch das Leben, betonte Tietz.

Ministerpräsident Rhein wünscht Kraft für das Amt

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) wünschte Tietz Kraft für ihre Aufgabe. "Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Gerade in einer solchen Zeit ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam für Toleranz, Respekt und Dialog eintreten", sagte Rhein. Die Kirchen seien wertvolle Partner, die Brücken bauten und den interkulturellen Dialog förderten.

"Wir brauchen die Stimme der Kirche - ihren Blick auf das Wesentliche, das Gebot der Nächstenliebe aus der jüdisch-christlichen Tradition und ihren Einsatz für gegenseitige Achtung und eine menschenwürdige Gesellschaft", hob Rhein hervor.

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Grußworte hielten neben Rhein auch der katholische Limburger Bischof Georg Bätzing und die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann. Weitere leitende Geistliche aus Deutschland nahmen an der Feier teil, wie die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und der rheinische Präses Thorsten Latzel oder die katholischen Bischöfe Peter Kohlgraf aus Mainz und Michael Gerber aus Fulda. Auch Gäste aus Partnerkirchen in Italien, Indien, Tansania und den USA waren geladen.

Fehrs über Jung: "Einer, der friedlich streiten kann"

EKD-Ratsvorsitzende Fehrs entpflichtete im Gottesdienst auch den in den Ruhestand eingetretenen früheren Kirchenpräsidenten Volker Jung von seinem Amt, das er 16 Jahre lang ausgeübt hatte. Er sei "einer, der friedlich streiten kann" und "gnadenlos konstruktiv", lobte sie. Fehrs und Bischöfin Beate Hoffmann lobten Jungs Einsatz für die Kirche in den Regionen, sein Engagement für Flüchtlinge und gegen Rassismus und die Aufarbeitung von sexueller Gewalt in der Kirche.

Christiane Tietz (r.) und Volker Jung stehen im Talar vor dem mit zwei Kerzen und Blumengestecken geschmückten Altar in der Wiesbadener Lutherkirche
Volker Jung und Christiane Tietz am Sonntag in der Wiesbadener Lutherkirche Bild © picture alliance/dpa | Helmut Fricke

"Das Amt ist kein Amt einsamer Entscheidungen", sagte der 65-Jährige in einer kurzen Rede mit Blick auf seine Nachfolgerin. Er hoffe, dass Tietz mit ihrer Entscheidung zufrieden sein werde, von der Wissenschaft in dieses kirchliche Amt zu wechseln. Jung wurde im Anschluss an den Gottesdienst von Ministerpräsident Rhein mit dem Hessischen Verdienstorden ausgezeichnet. Er danke Jung "für sein unermüdliches Engagement in unserer Gesellschaft", sagte Rhein.

1,3 Millionen Mitglieder, 1.000 Gemeinden

Die EKHN erstreckt sich auf weite Teile von Mittel- und Südhessen von Biedenkopf im Norden bis Neckarsteinach im Süden sowie auf Rheinhessen und die Westerwald-Region in Rheinland-Pfalz. Aktuell zählt sie rund 1,3 Millionen Mitglieder in mehr als 1.000 Kirchengemeinden.

Wie alle evangelischen Kirchen ist sie nicht nur vom Engagement der rund 20.000 hauptamtlichen Mitarbeitenden, sondern auch von den fast 60.000 Ehrenamtlichen getragen, die sich in Kirchenvorständen, in der Gemeindearbeit und in spezialisierten Funktionen wie der Notfallseelsorge engagieren. Zur EKHN gehören zahlreiche Einrichtungen, wie beispielsweise Familienbildungsstätten, Chöre und rund 600 Kindertagesstätten.

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Redaktion: Sonja Süß

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de, epd, dpa/lhe