Bericht aus der Türkei Darmstädter Arzt hilft im Erdbebengebiet: "Hier ist nichts mehr normal"

Der Darmstädter Lungenfacharzt Cihan Çelik hilft als Freiwilliger im Erdbebengebiet in der Türkei. Seit einigen Tagen arbeitet er in einem Feldkrankenhaus. Er berichtet von dramatischen Schicksalen.

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Darmstädter Lungenfacharzt hilft im Erdbebengebiet

Cihan Çelik steht in einem Feldkrankenhaus in der türkischen Erdbebenregion.
Cihan Çelik steht in einem Feldkrankenhaus in der türkischen Erdbebenregion. Bild © Cihan Çelik
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Normalerweise arbeitet Cihan Çelik als Lungenfacharzt am Klinikum Darmstadt. Aktuell ist der Arzt in der Türkei und hilft Betroffenen im Erdbebengebiet. Seit Dienstag unterstützt der Deutsch-Türke in der Provinz Hatay in der Nähe der Stadt Antakya in einem Feldkrankenhaus.

Ihm sei es wie vielen Menschen gegangen, sagte Çelik dem hr: Er habe unbedingt helfen wollen. Doch die bürokratischen Hürden seien hoch gewesen. Çelik hat nach eigenen Angaben fast zwei Wochen lang versucht, seine Hilfe anzubieten - ohne Erfolg. Schließlich hat er über die sozialen Medien von dem privaten Feldkrankenhaus erfahren, per Twitter mit dem Klinikleiter Kontakt aufgenommen.

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"Psychische Belastung ist groß"

Daraufhin ist Çelik auf eigene Faust in die Türkei gereist: Erst ging es mit dem Flugzeug von Frankfurt nach Adana, von dort aus mit einem Mietwagen in die türkische Provinz Hatay. Nun unterstützt er seit einigen Tagen als Arzt in dem Feldkrankenhaus, außerdem verteilt er Medikamente in den Regionen.

Doch die Arbeit sei hart. "Die psychische Belastung ist sehr groß. Das ist nicht zu vergleichen mit der Arbeit in einem normalen Krankenhaus", sagt Çelik. Etwa 500 Patientinnen und Patienten besuchten das Feldkrankenhaus mittlerweile am Tag.

"Jeder Einzelne hat eine ganz dramatische Geschichte und hat viele Angehörige verloren. Das geht einem schon nah", berichtet der Darmstädter Arzt. Ein Patient etwa habe ihm berichtet, dass er 18 Familienangehörige verloren habe.

Keine emotionale Distanz möglich

Eine professionelle oder emotionale Distanz könne Çelik dort nicht wahren. Vielmehr nehme er an dem Schicksal der Menschen teil. "Wir sind auch da, um zu trösten, nicht nur um zu behandeln."

Viele der Helfer sind seit fast drei Wochen in der Türkei. "Hier sind Menschen und Helfer, die berichten, dass sie Leichen und Leichenteile aus den Trümmern gezogen haben." Zeit, um die das Erlebte zu verarbeiten, habe das Personal nicht.

"Es gibt momentan keine Verarbeitung. Man funktioniert, man arbeitet", sagt Çelik. Auf so eine Situation sei keiner vorbereitet. "Hier kommen Patienten, die erzählen, dass sie Teile ihrer Enkelkinder aus den Trümmern gerissen haben."

Viele Patienten sind Kinder

Das Leben in der Erdbebenregion habe sich komplett verändert. Auch die medizinische Versorgung sei nahezu zum Stillstand gekommen. Die Probleme, mit denen die Patienten in das Feldkrankenhaus kommen, seien vielfältig. "Es gibt viele Atemwegsinfektionen, die Magen-Darm-Infekte fangen jetzt an. Außerdem sehen wir hier viele Wunden im desolaten Zustand", so Çelik. Betroffen seien viele Kinder.

Viele Krankheiten entstünden dadurch, dass die Menschen in Zelten oder draußen bei kalten Temperaturen schlafen müssen. Hinzu kämen die Krankheitsfolgen und psychischen Belastungen durch das Erdbeben.

Ein Haus wurde schwer beschädigt und steht schief in der Erdbebenregion.
Ein beschädigtes Haus im Erdbebengebiet in der Türkei. Bild © Cihan Çelik

"Keine Normalität mehr"

Eine Normalität gebe es in den Erdbebengebieten nicht mehr. "Hier gibt es nichts in dieser Gegend, was regulär ist", berichtet Çelik. Jedes Auto, jeder Mensch, alles drehe sich darum, mit den Folgen dieses Erdbebens klarzukommen. Alles sei danach ausgerichtet. "Man geht nur einige Meter und steht wieder vor einem Trümmerhaufen, der vorher mal ein Wohngebäude war."

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Bild © Cihan Çelik| zur Audio-Einzelseite
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Die Helfer vor Ort schliefen in Containern und Zelten. "Das ist der größte Luxus, den man sich hier momentan vorstellen kann", sagt Çelik. Er plane, bis Dienstag in der Türkei zu bleiben. "Dann brauche ich auch mal eine Pause", sagt er. Die meisten Ärzte blieben etwa eine Woche in der Erdbebenregion. Viel länger halte man die Arbeit vor Ort nicht aus.

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 27.02.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Michelle Goddemeier, Franco Foraci