LKA Hessen zu Kriminalität und Abschiebung Delikte von Geflüchteten: Einzelne für Großteil der Straftaten verantwortlich

Die Zahl der Straftaten ist in Deutschland auf den höchsten Stand seit 2016 gestiegen. Im Fokus der Debatte: Tatverdächtige ohne deutschen Pass. Aber: Wie viele Geflüchtete werden in Hessen wirklich straffällig – und wie wird dann mit ihnen umgegangen?

Eine Gruppe männlicher Asylbewerber in Jogginghosen und Jacken läuft eine Straße entlang, man sieht sie nur von hinten.
Das Bild des "kriminellen Flüchtlings" bringt die Mehrheit in Misskredit. Bild © hr
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Straftaten von Flüchtlingen in Hessen

Interview im Landeskriminalamt
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Im nordhessischen Neustadt wurden im Januar in einer Nacht 16 Autos aufgebrochen – die mutmaßlichen Täter: zwei Asylbewerber aus der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung.

In der Innenstadt von Gießen sind Ladendiebstähle an der Tagesordnung, besonders begehrt dabei: Parfums, Mode und Sportartikel. Weder Ladenbesitzer noch Kaufhausdetektive sprechen gerne offen darüber, aber viele dieser Diebstähle werden von Geflüchteten begangen. Und etwas weiter entfernt, am Lahnufer, gehen regelmäßig Drogendeals über die Bühne – auch hier erwischt die Polizei immer wieder Asylbewerber.

Die Fensterscheibe eines schwarzen Autos ist auf der Fahrerseite eingeschlagen, Glasreste hängen noch im Rahmen.
In Neustadt wurden bei 16 Autos Scheiben eingeschlagen und Technik gestohlen. Bild © hr

Doch wie viele Straftaten werden tatsächlich von Geflüchteten begangen? Anfang März wurde im Innenministerium in Wiesbaden die Kriminalstatistik für das vergangene Jahr vorgestellt.

15 Prozent der Straftaten in Hessen durch Geflüchtete

Demnach wurden in Hessen im Jahr 2023 insgesamt knapp 400.000 Straftaten verübt – etwa 15 Prozent davon, rund 60.000, von Geflüchteten. Sie machen etwa ein Viertel der registrierten Tatverdächtigen aus. Unter ihnen waren laut LKA Hessen vor allem Personen mit afghanischer, syrischer und algerischer Staatsbürgerschaft.

Vor allem Verstöße gegen Ausländer- und Asylgesetz

Allerdings bestehen fast zwei Drittel der von Flüchtlingen begangenen Straftaten aus Verstößen gegen das Ausländer- und Asylgesetz. "Das sind Straftaten, die also aufgrund ihres Status nur von Nicht-Deutschen begangen werden können", erklärt der Präsident des Landeskriminalamts, Andreas Röhrig. 

Darunter fällt etwa, wenn sich Geflüchtete nicht an behördliche Meldepflichten oder räumliche Beschränkungen halten.

Das restliche Drittel der rund 60.000 Straftaten durch Geflüchtete machen laut Röhrig andere Delikte aus. "Darunter fallen vor allem Fälle von Beförderungserschleichung – also Schwarzfahren, Ladendiebstähle, Körperverletzungen oder auch Rauschgiftdelikte."

Porträt von LKA-Präsident Andreas Röhrig in dunklem Anzug mit roter Krawatte, grauen Haaren und Bartansatz
LKA-Präsident Andreas Röhrig Bild © hr

"Einzelne für Großteil der Straftaten verantwortlich"

Der LKA-Chef betont, dass das Gros der Geflüchteten mit der Polizei überhaupt nicht in Berührung komme. "Nach unserer Feststellung ist es so, dass es Einzelne sind und dass wir Flüchtlinge haben, die vermehrt straffällig werden", erklärt er. "Sie sind für einen Großteil der Straftaten in dem Bereich verantwortlich."

Manfred Becker vom Regierungspräsidium Gießen ist für die Erstaufnahmeeinrichtung zuständig und kennt das Problem: Hinter vielen Straftaten stecke eine Gruppe von Geflüchteten, die sich schon länger in Europa aufhalte und durch mehrere Staaten gereist sei. "Die halten sich nicht mehr an unsere Gesetze und sind schwer unter Kontrolle zu bringen."

Das sei ärgerlich, vor allem für die große Mehrzahl redlicher Menschen, die hier Schutz suchen. "Die tun mir leid, denn oftmals sind es diese wenigen kriminellen Personen, die das Bild der Flüchtlinge prägen – obwohl sie eine absolute Minderheit sind", so Becker.

Manfred Becker im Innenhof der Backstein-Kasernengebäude der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen
Manfred Becker leitet die Erstaufnahme in Gießen. Bild © hr

Wann können straffällige Geflüchtete abgeschoben werden?

Wenn Ausländer in Deutschland Straftaten begehen, können die Ausländerbehörden sie ausweisen, ihnen also den Aufenthaltstitel entziehen. Sie sind dann verpflichtet, Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen – andernfalls können sie abgeschoben werden.

Allerdings folgt in vielen Fällen auf eine Ausweisung keine Abschiebung: Wenn den Betroffenen etwa in ihrem Herkunftsland eine Gefahr für Leib und Leben droht, gilt ein Abschiebungsverbot.

Geflüchtete mit laufendem Asylverfahren und anerkannte Geflüchtete können prinzipiell nur "bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung" ausgewiesen werden. Sehr oft verlieren Personen zwar ihren Aufenthaltstitel, können aber nicht abgeschoben werden und erhalten eine sogenannte Duldung.

Weitere Informationen

Mehr Abschiebungen in Hessen im Jahr 2023

  • In Hessen waren im Jahr 2023 rund 13.400 Menschen ausreisepflichtig. Rund 1.400 wurden tatsächlich abgeschoben - etwas mehr als 400 davon waren Intensivstraftäter. Viele Ausreisepflichtige bleiben mit einer Duldung in Hessen.
  • Im Vorjahr 2022 waren insgesamt 1.048 Menschen abgeschoben worden, 2021 unter Corona-Einschränkungen 933. Erfasst sind laut Ministerium Abschiebungen in die Herkunftsländer sowie Überstellungen nach der Dublin III-Verordnung oder in Drittstaaten.
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Härteres Vorgehen gegen Intensivstraftäter und Gefährder

Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) findet: "Wer bei uns straffällig wird, hat aus meiner Sicht kein Recht mehr hier zu bleiben." Ein "starkes Ausweisungsinteresse" besteht zum Beispiel dann, wenn Ausländer schwere Straftaten begehen oder Mitglied in terroristischen bzw. verfassungsfeindlichen Organisationen sind.

Insbesondere gegen solche Gefährder und Intensivstraftäter wolle man auch in Hessen zukünftig bei Abschiebungen noch resoluter vorgehen, betont Poseck. "Es gibt einige Länder, in die wir ausschließlich Straftäter und Gefährder abschieben, wie zum Beispiel Iran."

Porträt von Hessens Innenminister Roman Poseck in schwarzem Anzug und hellblauer Krawatte, mit ganz kurzgeschnittenen grauen Haaren, braunen Augen und einem vollen Gesicht
Hessens Innenminister Roma Poseck (CDU) will konsequenter abschieben. Bild © hr

Bei Abschiebungen gebe es keine einfachen Lösungen. "Wir sind dabei vor allem auf die Kooperation der Herkunftsstaaten angewiesen." Das sei bei Staaten wie Afghanistan, Irak, Iran oder den Maghreb-Staaten nicht ganz einfach, aber entscheidend. "Das Delta zwischen den Ausreisepflichtigen und denen, die tatsächlich abgeschoben werden, ist zu groß. Das müssen wir schließen."

"Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Gespräch mit den tagesthemen. Das gelte gerade für diejenigen, die in Deutschland Asyl beantragten und dann Straftaten begingen. Deshalb habe die Koalition ein großes Gesetzespaket verabschiedet, das künftig auch Abschiebungen erleichtere. Insgesamt seien die Regularien für die Migration so stark verschärft worden wie seit 25 Jahren nicht, erklärte Faeser.

Abschiebungen in der Praxis schwierig

Abschiebungen werden von den Ausländerbehörden der Regierungspräsidien in Zusammenarbeit mit der Polizei vollzogen, etwa am Frankfurter Flughafen. Doch sie gestalten sich oft schwierig.

Häufig scheitern Abschiebungen weil Reisedokumente fehlen, oder die Identität der ausreisepflichtigen Person nicht geklärt werden kann. Das ist zum Beispiel bei Kriegsflüchtlingen oder Staatenlosen der Fall.

Mehrere Polizisten in dunklen Jacken mit Aufdruck "Polizei" neben einem grauen Van, aus dem ein Mann im dunklen Kapuzenpulli steigt - er wird zur Abschiebung gebracht
Abschiebungen werden am Frankfurter Flughafen mithilfe der Polizei durchgeführt. Bild © hr

"Niemals ist derjenige unser Staatsbürger gewesen!"

Sei ein Geflüchteter straffällig geworden, wolle ihn so manches Heimatland nicht mehr zurücknehmen, weiß Claudia Coburger-Becker vom Regierungspräsidium Gießen.

"Die Länder zweifeln die Identität der Person an und sagen: Niemals ist derjenige unser Staatsbürger gewesen! Und das kann man entsprechend nicht nachweisen." Ab und zu gelinge es, Dokumente zu finden, die die Herkunft der ausreisepflichtigen Person bestätigen. "Dann müssen die Länder diese Personen auch zurücknehmen."

Im nordhessischen Neustadt müssen sich die beiden Asylbewerber, die die Autos aufgebrochen haben sollen, einem Strafverfahren stellen. Ob danach eine Abschiebung auf sie wartet, ist völlig offen. 

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 21.04.2024, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de mit Material von Dominik Nourney