Demonstration in Frankfurt Frankfurter Tagesfamilien am Existenz-Limit
Tagesfamilien ermöglichen Eltern zu arbeiten und Geld zu verdienen. Als zusätzliches Angebot zu Krippen- und Kitaplätzen kümmern sie sich um Kinder unter drei Jahren. Ihre eigenen Familien können sie davon allerdings kaum ernähren.
Flora, Joshi und Emmi spielen im Kinderzimmer mit der Holzeisenbahn. Sie werden bei "Lisas Gartenzwerge" in Frankfurt betreut, so hat Lisanne Bezler ihre Tagesfamilie für Kinder unter drei Jahren genannt.
Bezler betreut, spielt, kocht, wechselt Windeln, kuschelt und bringt ins Bett zum Mittagsschlaf – und das alles mal drei. Viele Eltern schätzen die kleineren Gruppen, die individuelle Förderung und die feste Bezugsperson in Tagesfamilien. Außerdem sind die Bring- und Abholzeiten oft flexibler als in Kitas.
"Finanziell ist Tagesmutter sein allerdings eher ein bezahltes Hobby", sagt die 37-Jährige. "Es bleibt nichts übrig, wir kommen gerade so durch, sind aber selbstständig und müssten eigentlich Rücklagen bilden." Tagesmütter und -väter hätten nicht nur den Familien gegenüber eine Verantwortung, deren Kinder sie betreuen, sondern auch ihren eigenen Familien gegenüber.
3,82 Euro pro Kind bekommt Lisanne Bezler bei drei Kindern von der Stadt, damit landet sie bei einem Stundenlohn von 11,46 Euro brutto. Ohne die monatliche Betriebs- und Sachkostenpauschale für Ausgaben wie Lebensmittel, Windeln oder Spielsachen, liegt sie damit unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 13 Euro. Mit der Pauschale von monatlichen 300 Euro pro Kind etwas darüber, aber eben als Selbständige und ohne Inflationsausgleich.
In Frankfurt soll Satzung 2024 in Kraft treten
Das reiche weder für die eigene Familie noch dafür, Risiken abzufedern, die der Job mit sich bringt, sagt Lisanne Bezler. Wenn sie länger krank werde, bekomme sie kein Geld und auch nicht, wenn ein Kind die Betreuung verlasse, etwa weil es einen Kindergartenplatz hat, und das nächste erst ein bis zwei Monate später nachrücke. Letzteres sei regelmäßig der Fall. Demnach sei der Lohn noch geringer, da bei der Berechnung davon ausgegangen werde, dass das ganze Jahr durchbetreut wird.
Tagesfamilien demonstrieren in Frankfurt
Wie viel Tagespflegepersonen verdienen und welche Förderleistungen sie bekommen, ist in Hessen kommunal geregelt. Die meisten Kommunen haben dafür eine Satzung, Frankfurt nicht. Man arbeite aber gerade an einer Satzung, die spätestens Anfang 2024 in Kraft treten soll, schreibt das Bildungsdezernat auf Anfrage.
Zu spät, sagen Lisanne Bezler und ihre Kollegin Beate Bonert. Die beiden Tagesmütter aus Frankfurt haben sich zusammen mit anderen Tagesfamilien zu einer Interessensgemeinschaft namens TaMaPaKi zusammengeschlossen und demonstrieren am 23.März am Römerberg vor der Paulskirche. "Für einen Fortbestand der Frankfurter Tagesfamilien" steht auf dem Rundschreiben, denn für viele Tagespflegepersonen sei das ein letzter Versuch. "Viele haben schon angekündigt, dass sie zum Sommer ihre Betreuung einstellen werden."
Nachfrage höher als das Angebot
2021 gab es in Frankfurt knapp 24.000 Kinder unter drei Jahren. Etwas mehr als die Hälfte hatte einen Betreuungsplatz, 1.306 davon in einer Tagesfamilie wie der von Lisanne Bezler oder Beate Bonert. Um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Eltern und vor allem der Kinder eingehen zu können, dürfen Eltern sich die Betreuungsform aussuchen. Auch um dieses Wahlrecht zu sichern, sei es wichtig, dass es genügend Tagesfamilien gibt, sagt Christiane Mickel vom Hessischen Kindertagespflegebüro. Generell sei die Nachfrage hier höher als das Angebot.
Verband fordert bundesweite Vergütungsregelung
Der Personalmangel in der Kinderbetreuung mache sich auch in der Kindertagespflege bemerkbar, sagt Heiko Krause vom Bundesverband für Kindertagespflege. Man müsse generell für den Beruf werben und dafür bräuchte es eben auch faire Bedingungen, die den Job attraktiver machen. Langfristig wäre da aus Sicht des Bundesverbandes eine bundesweite Vergütungsregelung gut, sagt Krause.
Nach aktuellen Gegebenheiten wäre er aber schon froh, wenn sich benachbarte Kreise besser vergleichen ließen oder es zumindest eine einheitliche Landesregelung für die Vergütung von Tagespflegepersonen gäbe. Außerdem müsse auf Absicherung geachtet werden. Je mehr Risiko durch die Selbstständigkeit entstehe, desto schwieriger sei es, Menschen für diese Tätigkeit zu finden.
Eltern zeigen sich solidarisch
Für viele Eltern ist es unhaltbar, dass viele Tagesmütter und -väter nicht von ihrem Job leben können - jedenfalls nicht als Alleinverdiener. "Das ist Wahnsinn. Die Tagesfamilien betreuen unsere Kinder in der Regel, weil wir in der Zeit unseren Lebensunterhalt verdienen", sagt Laura Heckel, deren Tochter Flora von Lisanne Bezler betreut wird. "Wenn wir dann hören, auf welchem Niveau sich deren Verdienst befindet, ist das schon sehr befremdlich."
Nachhelfen, also selbst Geld zustecken, ist offiziell nicht erlaubt. Deswegen wollen sich viele Eltern wenigstens solidarisch zeigen und am Donnerstag in Frankfurt mit den Tagesfamilien demonstrieren. Damit auch künftig Eltern die Wahl haben, wo sie ihr Kind betreuen lassen und überhaupt die Chance auf einen Platz bekommen - so wie die "Gartenzwerge" Joshi, Flora und Emmi bei Lisanne Bezler.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 23.03.2023, 19.30 Uhr
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