Demonstration gegen Rechtsruck bei Landtagswahlen "Wir dürfen jetzt nicht leise sein"
In Frankfurt haben am Dienstagabend rund 1.000 Menschen als Reaktion auf die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen demonstriert. Hier berichten einige von ihnen, was sie so kurzfristig auf die Straße gebracht hat - und welche Sorgen sie umtreiben.
Am Dienstagabend sind hunderte Demonstrierende vom Paulsplatz aus durch die Frankfurter Innenstadt gezogen - bis zum ehemaligen Büro der Frankfurter AfD auf der südlichen Mainseite.
Am Montag hatte ein junger Frankfurter die Versammlung unter dem Motto "Alle zusammen gegen den Faschismus" angemeldet, ein breites Bündnis aus Parteien wie SPD, Grüne und die Linke sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen schloss sich dem Aufruf an. Nach Angaben der Polizei nahmen rund 700 Personen an der Demonstration teil, die Veranstalter zählten etwa 1.000 Menschen.
Hier berichten fünf von ihnen, warum sie die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen zum Anlass genommen haben, zwei Tage später in Frankfurt auf die Straße zu gehen.
"Wir haben gesagt, wir machen das jetzt"
Jakob Grohall ist 20 Jahre alt und hat die Demonstration zusammen mit einem Freund angemeldet.
"Als ich am Sonntag um 18 Uhr die Wahlprognose gesehen habe, hatte ich sofort den Willen, was dagegen zu machen. Mir war klar: Wir dürfen jetzt nicht leise sein. Dann hat sich das irgendwie über die Nacht bis Montag entwickelt. Wir haben gesagt, wir machen das jetzt: Wir machen eine Demo in Frankfurt.
Das hier jetzt zu sehen, ist ein absolutes Glücksgefühl. Obwohl der Anlass ein absolut grausamer ist. Die AfD diskriminiert jede Form von Minderheiten. Wenn das so weitergeht, in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene, dann wäre das eine Riesen-Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Aktuell ist die allgemeine Stimmung so hochgeheizt, dass kein Platz ist für echte Diskussionen und für richtige Politik, die sich den Problemen der Menschen zuwendet. Die Kommunal-, Landes-, und Bundespolitik muss diesen Platz schaffen, finde ich. Wir dürfen uns nicht diesem Wahn, den uns die AfD aufdrängt, dieser massiven, rechten Politik, der dürfen wir uns nicht hingeben. Wir müssen unsere eigenen Lösungen voranbringen."
"Ich bin hier, weil ich Angst habe"
Christoph Annabelle Schröder ist 25 Jahre alt und geht in Frankfurt auf eine Berufsschule.
"Ich bin hier, weil ich einfach Angst habe, dass ich als queere Person in meinen Rechten stark eingeschränkt werde, wenn die Bundestagswahl so ausgeht wie jetzt in Sachsen oder Thüringen. Und ich bin nicht bereit, eine Gesellschaft zu akzeptieren, in der das so ist.
Selbst von links – durch das Bündnis Sahra Wagenknecht – kommen mittlerweile Stimmen gegen Queere. Das ist ja auch eine Reaktion auf die AfD. Ich habe das Gefühl, diese 'Gegenreaktionen' geraten so ein bisschen außer Kontrolle: Man versucht, der AfD die Zielgruppe wegzunehmen und rückt nach rechts. Man merkt, wie sich das Stimmungsbild verändert. Und das macht mir Angst.
Teilweise merke ich das auch im Alltag. Heute haben wir im Politikunterricht über Bürgergeld geredet, da wurden extrem ausländerfeindliche Äußerungen gemacht. Anscheinend ist das Gefühl weg, dass wir alle Menschen sind und eine Herkunft einen nicht weniger wert macht."
"Ich kenne Deutschland anders"
María Del Prado kommt aus Spanien und lebt seit über 30 Jahren in Deutschland.
"Meine Kinder sind hier in Deutschland geboren, das ist meine zweite Heimat. Und ich will mich in meiner zweiten Heimat wohlfühlen, so wie ich will, dass meine Kinder und Enkelkinder hier groß werden - ohne Angst, dass wir vertrieben werden.
Wie ich zurückblicke auf das Wochenende? Erschreckend, sehr erschreckend ist das. Ich kenne Deutschland anders. Deswegen bin ich hier. Wir sollten überall in Deutschland dagegen demonstrieren und laut werden.
Ich habe die Hoffnung, dass es in Hessen und in weiteren Bundesländern nicht so weit kommt wie in Thüringen und Sachsen. Da muss die Politik was gegen machen. Und wir als Volk auch."
"Das besorgt mich zutiefst"
Anh ist 21 Jahre alt und will zum eigenen Schutz nur seinen Vornamen nennen und auf ein Foto verzichten.
"Offensichtlich erstarkt die AfD im ganzen Land und bekommt immer mehr parlamentarische Macht. Aufgrund ihrer zum Teil nationalsozialistisch-revisionistischen, ausländerfeindlichen, aber auch anti-sozialen Politik, ist es mir wichtig, sich dem entgegenzusetzen. Das tue ich durch den Protest hier.
Letztlich sind die Wahlergebnisse vom Wochenende nicht so überraschend, weil es sich seit Jahren sehr, sehr offen abzeichnet. Soziale Unzufriedenheit entlädt sich halt vor allem an Minderheiten, weil man aus ihnen die perfekten Sündenböcke machen kann. Trotzdem ist das keine Entschuldigung: Die Menschen entscheiden sich ja aktiv dafür, gegen Ausländer zu sein.
Das besorgt mich zutiefst, weil ich selbst einen Migrationshintergrund habe. Das besorgt mich auch, weil meine Eltern und meine gesamte Familie hier im Land leben. Die sind alle davon betroffen."
"Wichtig, dass wir unsere Geschichte nicht vergessen"
Janna Brokmann ist nach eigenen Angaben seit Anfang des Jahres regelmäßig auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.
"Ich hatte irgendwie immer noch Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm wird. Aber wenn man die 30 Prozent da stehen sieht, hat man das Gefühl, man muss jetzt irgendwie was machen. Und wenigstens das kann man machen: Man malt ein Schild, geht in die Stadt, stellt sich hin - und ist ein Symbol dafür, dass es so nicht weitergehen kann.
Ich glaube nicht, dass das Land direkt in Faschismus verfällt. Aber ich finde es extrem wichtig, dass wir unsere Geschichte nicht vergessen. Und ich habe das Gefühl, dass das an vielen Stellen gerade passiert. Ich glaube, wir müssen immer wieder mahnen und immer wieder sagen: Das ist die Geschichte, die Deutschland hat. Und das ist das, was wir verhindern wollen, was es nie wieder geben darf.
Wichtig ist mir auch, dass wir hier auf die Straße gehen und zeigen, dass wir solidarisch mit Menschen sind, die sich gerade in den anderen Bundesländern dafür einsetzen, die sich dafür auch körperlicher Gefahr aussetzen. Es geht mir hier gar nicht unbedingt um Frankfurt, sondern um diesen Gedanken, dass die Leute nicht alleine sind."