Verordnung für legale Drogentests Frankfurt und Offenbach warten auf Freigabe für Drug-Checking
Der Bund hat den Weg für eine Überprüfung illegaler Drogen in den Ländern und Städten geebnet. Nach dem Tod junger Menschen durch die Ecstasy-Pille "Blue Punisher" erscheint ein solcher Schritt dringlicher denn je. Wo bleiben die Checks?
"Blue Punisher" – der Name dieser Ecstasy-Pille hat traurige Bekanntheit erlangt durch die Schlagzeilen vergangener Wochen. Mehrere junge Menschen sind mutmaßlich nach der Einnahme der Partydroge gestorben. Und obwohl sich der Name "Blue Punisher" inzwischen herumgesprochen hat, bleiben die genauen Inhaltsstoffe dieser Pille und anderer illegaler Drogen bislang unbekannt.
Das soll sich jetzt ändern. Die Möglichkeit, illegale Drogen legal testen zu lassen, wurde Ende Juni im Bundestag beschlossen. Ein "längst überfälliger Entschluss", findet Bernd Werse vom Centre for Drug Research an der Universität Frankfurt. Denn das Wissen über die Inhaltsstoffe von Drogen kann im Zweifelsfall über Leben und Tod entscheiden.
Bahn frei für die Drogen-Tests in Hessen?
Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) spricht sich seit Jahren für das sogenannte Drug-Checking aus. Er wollte das Thema schon 2020 per Initiative in den Bundesrat bringen. Eine Legalisierung scheiterte bislang immer wieder an der Gesetzgebung, die nun mit dem neuen Beschluss im Bundestag angepasst wird.
Bis die ersten offiziellen Checks stattfinden, dürfte es aber noch einige Monate dauern. Nach dem Beschluss auf Bundesebene muss nun auch noch in den Ländern eine Ausführung gefunden und beschlossen werden. Und das braucht Zeit. Nach Aussage einer Ministeriumssprecherin hofft man auf eine fertige Verordnung noch in dieser Legislaturperiode, also bis zum Herbst. Erst dann können die Kommunen an die Umsetzung gehen.
Die Stadt Frankfurt steht laut Artur Schroers vom Drogenreferat bereit, es gebe Pläne. Und auch ein möglicher Träger stehe in Aussicht: Der Verein BASIS, der jetzt schon sogenannte "Legal-Highs" auf ihre Zusammensetzung hin testet. Auch die Stadt Offenbach prüft bereits, ob Drug-Checking zumindest temporär angeboten werden kann.
Wissen bedeutet in manchen Fällen Leben
Dass die Zeit drängt, zeigt auch ein Fall aus Kassel. Hier berichtete der Allgemeinarzt Jean-Pierre Schmidt von einem 20 Jahre alten, ehemaligen Patienten. Im April, also zwei Monate vor dem Beschluss im Bundestag, starb dieser vermutlich an den Folgen seiner ersten Ecstasy-Pille. Ob der Tod seines Patienten durch Drug-Checking hätte vermieden werden können, kann Schmidt natürlich auch nicht beantworten. Aber die Möglichkeit besteht.
Der plötzliche Tod seines jungen Patienten geht ihm sehr nah. "Das ist einfach was anderes, wenn man jemanden kennt, als wenn irgendwer irgendwo an irgendwas stirbt. Die Leute sagen oft: 'Selber schuld, wenn er sowas nimmt.' Aber so einfach ist es ja nicht."
Drogen sind gefährlich, auch weil sie verunreinigt und gestreckt sind
Der Ansatz des Drug-Checkings akzeptiert die Tatsache, dass Drogen konsumiert werden und versucht, die Risiken so weit wie möglich zu reduzieren. Die unbekannten Beistoffe machen einen großen Teil des Gesundheitsrisikos aus, wie Susanne Schmitt von der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen bestätigt.
"Ein großes Problem ist, dass illegale Drogen heutzutage stark verunreinigt oder gestreckt sind. Natürlich ist es am besten, überhaupt keine Drogen zu nehmen. Aber das ist unrealistisch. Menschen konsumieren Drogen."
Normalisiert Drug-Checking etwas Illegales?
Kritik an dem Ansatz gibt es auch. Doch der Sorge, dass Drug-Checking einer Entkriminalisierung der schädlichen Mittel entspräche, können Erkenntnisse aus der Schweiz entgegengebracht werden. Drug-Checking ist dort schon seit Jahrzehnten legal möglich.
Die Ergebnisse einer Studie des Schweizer Bundesamts für Gesundheit aus dem Jahr 2021 unterstreichen, dass nicht nur Menschen vor potenziell lebensgefährlichen Stoffen geschützt werden können. Auch in der Suchtprävention bringe Drug-Checking durch die Beratung Erfolge.
So läuft das Drug-Checking ab
Doch wie können die Drogen-Checks genau aussehen? Einerseits gibt es ambulante Drug-Checking-Angebote, bei denen eine Einrichtung Sprechstunden anbietet. Jeder kann anonym - teilweise nach Terminvereinbarung - zu den Öffnungszeiten mit seinen Tütchen und Pillen aufkreuzen. Von den Pillen werden kleine Portionen als Abrieb genommen, von den Drogen in Pulverform kleine Mengen einbehalten.
Und die kommen dann ins Labor. Das Ergebniss liefert Informationen über Zusammensetzung, mögliche gesundheitsschädliche Stoffe und Wirkstoffgehalt. Konsumierende erhalten außerdem ein Aufklärungsgespräch.
Das ist auch Teil des mobilen Drug-Checkings. Dabei sollen Konsumierende vor Ort - beim Feiern - erreicht werden. Dafür wird beispielsweise ein Stand in Clubs oder auf Festivals aufgebaut, mitsamt einem mobilen Labor. Feiernde können so auf der Party Drogen testen lassen. Das Ergebnis erfahren sie dann innerhalb von maximal einer halben Stunde.
Erfahrungen aus der Partyhauptstadt Berlin
In Berlin und Thüringen wird Drug-Checking schon länger angeboten – bis zu dem offiziellen Beschluss im Bundestag geschah das allerdings am Rande der Legalität. Eine Stelle, die Drug-Checking in Berlin anbietet, ist "Vista Berlin", ein Verbund mit dem Schwerpunkt Suchtarbeit.
Nina Pritszens, Geschäftsführerin von "Vista", ist begeistert von dem Zuspruch. "Das Interesse ist phänomenal. Wir haben viel mehr Nachfragen, als wir bedienen können. Wir sehen Menschen in den Drug-Checking-Sprechstunden, die vorher noch nie einen Fuß in die Drogenberatungsstelle gesetzt haben. Genau das, was man erreichen will: eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes, die recht früh einsetzt."
Kein Allheilmittel, aber "eine große Hilfe"
Der Gesundheitsschutz stehe auch bei den Plänen der Stadt Frankfurt im Zentrum. "Es gibt keinen Drogenkonsum ohne Risiken", sagt Artur Schroers vom Drogenreferat Frankfurt. Der Ansatz sei aber aufzuklären, für Risiken zu sensibilisieren und so mögliche Schäden gering zu halten.
Man wolle sich allerdings nicht nur auf sogenannte "Freizeitkonsumierende" fokussieren, wie Schroers ergänzt. Auch abhängige Konsumierende sollen über Drug-Checking in Drogenkonsumräumen erreicht werden. Denn gerade in dieser Gruppe sei das Gesundheitsrisiko besonders hoch.
Eine Lösung für die Gefahren durch Drogenkonsum wird Drug-Checking allein nicht bieten können. Man wisse aber von den Erfahrungen anderer Länder, dass Konsumierende sich auch wirklich an die Warnungen halten, sagt Bernd Werse vom Centre for Drug Research. "Und dadurch können auf jeden Fall schwere Überdosen oder auch sonstige Notfälle bis hin zu tödlichen Überdosen vermieden werden. Das ist einfach eine große Hilfe."
Sendung: hr-iNFO, 21.07.2023, 17.00 Uhr
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