Eigenbedarf Senioren bekommen Mietkündigung nach über 45 Jahren
Mehr als die Hälfte ihres Lebens haben die Eheleute Klug in ihrer Mietwohnung in Frankfurt-Rödelheim verbracht. Dann kam die Kündigung wegen Eigenbedarf. Eine schwierige Situation für alle Parteien.
Ein gemustertes Sofa, ein runder Esstisch mit blauer Tischdecke und Erinnerungen aus über vier Jahrzehnten – all das findet man in der Wohnung, in der Angela und Manfred Klug seit 1977 leben. Hier in Frankfurt-Rödelheim haben sie mehr als die Hälfte ihres Lebens verbracht und ihre Kinder großgezogen. Vergangenes Jahr dann der Schock: Die Kündigung nach mehr als 45 Mietjahren. Im Alter von 81 und 83 Jahren.
“Wir fühlen uns hier wohl”, sagt das Paar. Dieses Gefühl ist in den vergangenen Monaten allerdings in den Hintergrund gerückt. Schlaflose Nächte und Grübelgedanken bestimmen seither das Leben der Eheleute. "Wir wissen nicht: Finden wir nochmal eine Wohnung? Nimmt uns nochmal jemand, wenn wir über 80 sind?", fragt sich Angela Klug.
Kündigungsgrund: Eigenbedarf
Die Wohnung, in der das Ehepaar zur Miete lebt, wurde vor einiger Zeit verkauft. Nach eigenen Angaben haben die Eheleute dies nicht mitbekommen, auch eine Besichtigung der Wohnung soll es nicht gegeben haben.
Per Einschreiben traf dann eine Mietkündigung ein. Der Grund: Eigenbedarf. Daraufhin wandte sich das Paar an den Mieterschutzverein Frankfurt, um sich zu wehren. Dieser bietet für einen jährlichen Mitgliedsbeitrag Rechtsleistungen bei Wohnungsfragen.
Dauer der Mietzeit bestimmt Kündigungsfrist
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs sei zwar hart, prinzipiell aber in Ordnung, so Rolf Janßen vom Mieterbund: "Nach dem Gesetz kann ein Vermieter eine Kündigung durchführen, wenn er Eigenbedarf an der Wohnung hat. Also selber die Wohnung benötigt oder ein Familienangehöriger die Wohnung benötigt."
Dass das Ehepaar Klug sich bereits im Ruhestand befindet und die Wohnung seit über vier Jahrzehnten bewohnt, ist hierbei irrelevant. Lediglich die Kündigungsfrist verlängert sich je nach Dauer der Mietzeit auf bis zu neun Monate.
Neue Eigentümerin: "Lebenstraum erfüllt"
Was für die Eheleute Klug eine knifflige Situation ist, ist auch für die neue Eigentümerin schwierig. Auf Anfrage des Hessischen Rundfunks äußert sie sich in einer E-Mail.
Sie verstehe, dass ein Umzug im Alter eine Belastung sei, wünsche sich aber auch Verständnis für ihre Situation: "Ich habe mir unter sehr großen finanziellen Anstrengungen den Lebenstraum einer eigenen Immobilie für mich und für mein Kind erfüllt." Sie wolle endlich zur Ruhe kommen, schreibt die nach eigenen Angaben in Vollzeit arbeitende, alleinerziehende Mutter.
"Ist es verwerflich, dass wir in der Wohnung leben wollen, die ich als mein Eigentum erworben und mit meiner harten Arbeit bezahlt habe? Ist es unmoralisch, dass ich meinem Sohn eine stabile Wohnsituation bieten möchte?", fragt sie. Aktuell müsse sie durch den Rechtsstreit mit den Klugs sowohl für eine Mietwohnung als auch für die Raten der Eigentumswohnung aufkommen.
Prüfung der Angaben nötig
Damit es zu einem Auszug der Eheleute kommen kann, muss der Anspruch auf Eigenbedarf geprüft werden, so Rolf Janßen vom Mieterverein. Als Jurist betrachtet er Anmeldungen auf Eigenbedarf prinzipiell kritisch: "Gerade bei Eigenbedarfskündigung stellen wir sehr häufig fest, dass der behauptete Eigenbedarf tatsächlich gar nicht besteht, sondern andere Beweggründe vorliegen, um das Mietverhältnis zu beenden. In der Regel, um die Wohnung für teures Geld neu zu vermieten."
Wird einem Vermieter in Deutschland ein vorgetäuschter Eigenbedarf nachgewiesen, ist mit Schadensersatzforderung von mehreren Tausend Euro zu rechnen. Die neue Eigentümerin weist jegliche Skepsis klar ab: "Dies ist kein Spekulationsobjekt – es soll unser neues Zuhause sein."
Teure Wohnungen und wenig Leerstand in Frankfurt
Obwohl der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen ist, sucht das Paar bereits eine neue Wohnung. Dabei wird es von ihrer Tochter unterstützt. Zum Übergang könnten sie dort unterkommen, sagen sie. "Da haben wir zumindest ein Schlafzimmer", witzelt Angela Klug. Die zwei erwachsenen Kinder des Paares wohnen in der Nähe.
Eine vergleichbare Wohnung in Größe und Preis zu finden, scheint allerdings eher unrealistisch. 700 Euro kalt zahlt das Paar aktuell für die Wohnung, knapp neun Euro pro Quadratmeter. Inzwischen liegt der Quadratmeterpreis im Durchschnitt bei über 14 Euro, so eine aktuelle Studie der Empirica Regio. Laut Angaben der Stadt sei der Mietspiegel allein von 2018 bis 2022 um fast zehn Prozent gestiegen. Dazu ist der Leerstand in Frankfurt extrem gering.
Wohnungssuche im Alter
Die Wohnungssuche im Alter gestaltet sich jedoch nicht rein aus finanziellen Gründen schwierig. Für die Eheleute spielt auch das Thema Gesundheit eine Rolle. Für Manfred Klug sei es nicht mehr möglich, eine Wohnung zu beziehen, die höher als im ersten Stock liegt, so das Ehepaar. Er schaffe die Treppen nicht mehr. Dies schränkt die Auswahl zusätzlich ein.
Besondere Wohnprogramme für Seniorinnen und Senioren hat die Stadt Frankfurt vor allem in Form von Sozialwohnungen. Diese sind an mehrere Bedingungen, wie zum Beispiel Einkommensgrenzen, geknüpft. Der Markt der Sozialwohnungen wirkt unübersichtlich, Wartezeiten könne man laut Amt für Wohnungswesen schwer einschätzen.
Verhandlungen gehen weiter
Bisher sind das gemusterte Sofa und der runde Esstisch noch nicht aus der vertrauten Rödelheimer Umgebung ausgezogen. Die Verhandlungen zwischen Eigentümerin und Eheleuten sind noch nicht abgeschlossen. Und damit bleibt es nervenaufreibend – für alle Parteien.
Sendung: maintower, 25.04.2023, 18 Uhr
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