"Mein Kind hat Angst in die Schule zu gehen" Eltern erheben schwere Vorwürfe gegen Grundschullehrerin
Pausenverbote, Kollektivstrafen, zerrissene Bilder: An einer Grundschule im Hessischen Ried kritisieren Eltern den Umgang einer Klassenlehrerin mit den Kindern. Die Lehrerin selbst spricht von Missverständnissen - wird die Klasse aber vorerst nicht mehr unterrichten.
Die Osterferien sind vorbei. Viele Grundschulkinder freuen sich, endlich wieder gemeinsam im Klassenzimmer zu sitzen und zu lernen. Auch die meisten Drittklässler einer Grundschule im Hessischen Ried (genauer Ort der Redaktion bekannt) dürften an diesem Montag mit einem guten Gefühl in den Unterricht gestartet sein.
Doch das war offenbar lange Zeit nicht der Fall. Wenn man den Erzählungen der Eltern glaubt, dann hatten diese Kinder beim Gedanken an die Schule zuletzt vor allem eines: Angst - vor ihrer Klassenlehrerin.
Bilder zerrissen, Pausenverbote verhängt
Eltern berichten dem hr auf Nachfrage von unglaublichen Unterrichtsszenen. So habe die Lehrerin der Drittklässler, die gleichzeitig Direktorin der Schule ist, beispielsweise Zeichnungen der Schulkinder vor deren Augen zerrissen und in den Müll geworfen.
Den Kindern sei verboten worden, in die Pause zu gehen. Schülerinnen und Schüler hätten als Maßregelung mit dem Gesicht zur Wand stehen müssen. Das Fehlverhalten einzelner Kinder bekomme die ganze Klasse in Form von Kollektivstrafen zu spüren. Und das sind längst nicht alle Punkte.
Lehrerin spricht von Missverständnissen
Die Lehrerin, die auf Initiative des Staatlichen Schulamts die Klasse seit Montag vorerst nicht mehr unterrichtet, weist diese Vorwürfe als unzutreffend zurück. In einem Anwaltsschreiben, das dem hr vorliegt, ist von Missverständnissen die Rede. So würden im Kunstunterricht auch Bilder im Müll landen.
"Dies geschieht allerdings ausschließlich auf Wunsch der Schüler, das Bild noch einmal zu malen", heißt es in der Erklärung. Und zwar nach einem Gespräch zwischen Lehrkraft und Schüler, "inwieweit gegebenenfalls Verbesserungsbedarf" bestehe.
Pädagogische Maßnahmen
Weiter heißt es in dem Schreiben, dass an der Schule keine Pausenverbote existieren würden. Wohl aber Pausenhofverbote. "Denjenigen Kindern, die im Unterricht gegen Regeln verstoßen haben, wird (…) aufgegeben, sich während der Pause über diese Gedanken zu machen und/oder den dort verpassten Stoff nachzuholen."
Es handele sich nicht um eine Straf-, sondern um eine pädagogische Maßnahme. Kinder wären außerdem zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden, mit dem Gesicht zur Wand zu stehen. Auch den Vorwurf der Kollektivstrafen weist die Lehrerin zurück.
Eltern fühlen sich ohnmächtig
Damit steht Aussage gegen Aussage. Einige Eltern schildern ihre Sorgen dem Schulamt des Kreises Bergstraße. Dort heißt es, man prüfe den Fall. Andere schreiben an das Landratsamt des Kreises. "Die haben an das Schulamt verwiesen oder gar nicht geantwortet", erzählt ein Vater. Eine Mutter sagt: "Mein Kind hat Angst, in die Schule zu gehen - und nichts passiert."
Eine der betroffenen Familien wandte sich schließlich an den Verein "Gemeinsam leben Hessen". Mit dessen Unterstützung wird ein Schulwechsel ihres Kindes in die Wege geleitet.
Erste Beschwerden bereits 2020
Dorothea Terpitz ist Vorsitzende des Vereins. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Beratungsstelle für Inklusion. Weil die Eltern nicht wussten, wohin mit ihren Sorgen, habe man sich des Falls angenommen. "Ich bin schockiert über das Ausmaß. Das hat es so hier noch nicht gegeben", sagt Terpitz.
Die ersten Eltern hätten sie im Oktober 2020 kontaktiert. Der Verein wandte sich seitdem immer wieder an das Staatliche Schulamt des Kreises und bekam immer die Antwort: Man prüfe den Fall. "Deshalb haben wir das jetzt öffentlich gemacht. Quasi als letzte Instanz, um endlich was in Gang zu setzen", sagt Terpitz.
Klassenlehrerin wendet sich ebenfalls an Schulamt
An einer Klärung der Situation habe laut ihres Anwalt auch die Klassenlehrerin großes Interesse. Nach dessen Aussage habe sie beim Schulamt einen Antrag auf Selbstreinigung gestellt. Also ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst in die Wege geleitet, um sich zu entlasten. Dies sei geschehen, bevor der Verein "Gemeinsam leben Hessen" die Elternbeschwerden öffentlich gemacht habe.
Bei dem Verein melden sich derweil immer mehr Eltern. 15 Familien seien es bisher. Man habe alle Fälle gesammelt, sagt der Vereinsvorsitzende Terpitz. 28 Seiten lang sei der aktuelle Bericht, den man erneut ans Schulamt übergeben habe.
Schulamt informiert: Lehrerin wird vorerst nicht mehr unterrichten
In der vergangenen Woche hat das Schulamt die Eltern der Drittklässler schließlich kontaktiert. In der E-Mail heißt es: Die Direktorin werde nach den Osterferien "das Amt der Klassenlehrerin nicht weiter ausüben und die Schülerinnen und Schüler zukünftig nicht mehr unterrichten".
Ebenso werde den Drittklässlern Hilfe angeboten durch die zuständige Schulpsychologin. Eine frisch gewonnene Lehrkraft übernehme die Klassenleitung. Das Schulamt versucht nun zu klären, ob und was an den Vorwürfen gegen die ehemalige Klassenlehrerin dran ist.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 24.04.2023, 19.30 Uhr
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