Erdbeben in der Türkei und Syrien "Während wir schliefen, begann das Haus zu zittern"
Bei einem der verheerendsten Beben seit Jahrzehnten sind im Grenzgebiet von Türkei und Syrien Tausende Menschen ums Leben gekommen. Viele Hessen haben Freunde und Angehörige in dem Unglücksgebiet. Die Betroffenheit ist groß.
Nach mehreren schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien werden noch immer viele Menschen vermisst. Behörden aus den beiden Ländern sprachen am Montagnachmittag von mehr als 3.000 Toten. Angesichts vieler Verschütteter werde die Zahl der Todesopfer vermutlich noch steigen, teilte die Rettungsorganisation Weißhelme mit.
"Während wir schliefen, begann das Haus zu zittern"
Die Kinderhilfsorganisation World Vision mit Sitz in Friedrichsdorf (Hochtaunus) skizzierte am Montag den Moment des Bebens: "Während wir schliefen, begann das Haus zu zittern", zitiert die Hilforganisation einen Mitarbeiter, der sich den Angaben nach in Syrien aufhält. "Ich konnte die Tür nicht erreichen, die Entfernung war zu weit. Eine Minute kam mir vor wie eine Endlosigkeit. Ich fühlte mich hilflos und hatte große Angst."
Der Einsatzleiter der Syrien-Krisenreaktion von World Vision, Johan Mooij, sagte: "Wir haben aktuell einen besonders harten Winter." Voraussichtlich tausende Menschen seien in Nordsyrien und der südlichen Türkei durch dieses Beben betroffen. Man werde alles tun, um den Betroffenen zu helfen.
Frankfurter Händler: "Es ist schrecklich"
Gemüsehändler Ferhat Subasi wurde am Montagmorgen von der Nachricht geweckt. Bevor er seinen Laden in Frankfurt-Bockenheim geöffnet hatte, wusste er bereits von der Katastrophe.
"Es ist schlimm. Ich habe mit meiner Tante, die in Mersin (in der Türkei, Anm. d. Red.) wohnt, telefoniert. Sie hat erzählt, wie schrecklich es ist", sagte Subasi. "Nach dem Erdbeben hat sie mehrere Stunden im Auto gewartet, ist dann aber doch hoch in die Wohnung, weil es da ja kalt ist. Ich bin in Gedanken bei ihr und hoffe, dass es nicht schlimmer wird."
Abdulaziz Haida, Friseur in Frankfurt hat Familie in der syrischen Stadt Aleppo. "Leider haben wir noch immer keine Informationen, weil die Lage dort so schwierig ist", sagte er dem hr. "Wir versuchen jetzt Kontakt aufzubauen und herauszufinden, wie es den Leuten dort geht."
"Viele weinen am Telefon und schreien um Hilfe"
In der Grenzregion zwischen Türkei und Syrien leben viele Kurdinnen und Kurden. Die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V. (KGD) mit Sitz in Gießen erklärte, dass man mit weiteren tausenden Toten rechne. Man werden noch einige Zeit brauchen, bis das ganze Ausmaß der Naturkatastrophe deutlich werde.
Ali Ertan Toprak, der Bundesvorsitzende der KDG, sagte: "Ich habe mit mehreren Freunden telefoniert, deren Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden. Viele weinen am Telefon und schreien um Hilfe. Das ist für mich in diesem Moment wirklich nicht einfach."
Große Hoffnungen legt Toprak auf die jetzt anrollende internationale Hilfe. Wie diese jedoch in die autonomen kurdischen Gebiete in Syrien gelangen kann, in denen die Erdbeben auch große Schäden hinterlassen habe, bereite ihm noch Sorgen. Die Menschen dort seien politisch ohnehin von vielen Seiten unter Druck. Er fürchtet, dass die Türkei die Hilfskräfte nicht bis dorthin vorlassen werde.
Bund kündigt Hilfen an
In Berlin kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Hilfen für die betroffenen Regionen aus Deutschland an. Er trauere mit den Angehörigen und bange mit den Verschütteten, lies er über den Kurznachrichtendienst Twitter verlauten.
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die aus Schwalbach am Taunus kommt und für das Amt der Ministerpräsidentin kandidieren möchte, teilte mit, man werde alle Hilfen in Bewegung setzen, die man aktivieren könne. Das Technische Hilfswerk (THW) könne Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungs-Einheiten bereitstellen. Derzeit seien Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken in Vorbereitung, schrieb sie auf Twitter.
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Auch Hessen will helfen
Auch auf Landesebene sprach die hessische Regierung ihr Beileid aus und bat Hilfe an. Mit Bestürzung und großer Anteilnahme habe man die Berichte über die schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet vernommen, teilte die Staatskanzlei in Wiesbaden am Montag mit. "Wir wissen, dass auch in Hessen viele Menschen Angehörige und Freunde in der Region haben und dass die Ungewissheit über deren Schicksal noch groß ist", hieß es.
"Dort, wo Hessen helfen kann, werden wir helfen", betonten Ministerpräsident Boris Rhein, Europaministerin Lucia Puttrich und Innenminister Peter Beuth (alle CDU).
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Wissler: "Auf den Straßen herrschte Angst"
Die Frankfurter Bundestagsabgeordnete und Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler sprach auf Twitter ihr Mitgefühl mit den Opfern aus. Sie war während des Bebens in der türkischen Stadt Diyarbakır im Süden des Landes. "Ein langes, heftiges Beben, Gebäude stürzten ein, auf den Straßen herrschte Angst", twitterte sie am Montagmorgen.
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Die Linken-Politikerin war dem Spiegel zufolge für ein Treffen mit der prokurdischen HDP-Opposition in die Türkei gereist.
Kirchen sprechen Beileid aus
Auch die Kirchen sprachen ihr Beileid aus. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und Limburger Bischof, Georg Bätzing, sagte am Montag: "Meine Gedanken sind bei den vielen Toten und deren Angehörigen. Die Bilder des verheerenden Erdbebens machen sprachlos." Der Bischof danke allen, die jetzt helfen - vor allem den Rettungsteams, die aus vielen Teilen der Welt in die Region unterwegs seien.
Sendung: hr1, 6.2.2023, 15.24 Uhr
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