Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Hessen darf "Schwarze Liste" für Lehrer führen

Darf Hessen Listen führen mit Lehrenden, die nicht mehr im Land eingestellt werden sollen? Ja, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun im Fall einer ehemaligen Lehrerin aus Nordhessen entschieden.

Ein Lehrer wischt eine Schultafel
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Das Land Hessen führt eine Liste mit aktuell 145 Personen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr als Lehrende an Schulen eingesetzt werden sollen. Das hat das Kultusministerium der ARD auf Anfrage bestätigt. Andere Länder wie etwa Rheinland-Pfalz führen solche "Schwarzen Listen" ebenfalls, dort stehen 592 Namen darauf. Das Land Berlin prüft aktuell die Einführung eines solchen Registers. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat am Dienstag präzisiert, wann die Länder ehemalige Lehrkräfte auf "Schwarzen Listen" führen dürfen.

Im aktuellen Fall geht es um eine frühere Lehrerin, die in der rechten, politischen Szene in Hessen keine Unbekannte ist. Ingeborg Godenau war jahrelang Mitglied der Republikaner-Partei und machte Lokalpolitik für das "Bürgerbündnis Pro Schwalm-Eder", in dem auch NPD-Mitglieder mitmischten.

Genau das wurde Godenau im Jahr 2006 zum Verhängnis, als das Schulamt ihr politisches Engagement bemerkte. Wegen "berechtigter Zweifel an der Verfassungstreue" verlor Godenau nicht nur ihren befristeten Arbeitsvertrag als Lehrerin. Sie landete auch auf einer Liste des Hessischen Kultusministeriums, die dokumentiert, wen das Land künftig nicht mehr als Lehrkraft einstellen will. Zurecht, wie nun höchstrichterlich bestätigt wurde.

Schreiben aus dem Jahr 2006 soll Gesinnung belegen

Das Gericht argumentierte, es greife zwar in die Meinungsfreiheit der ehemaligen Lehrerin ein, dass sie aufgrund von rechtsextremen Äußerungen auf dieser Liste geführt werde, obwohl sie sich nur privat und nicht in der Schule politisch positioniert hatte. Dennoch durfte das Hessische Kultusministerium Godenau auf die Liste setzen und darf sie auch weiterhin darauf führen.

"Wenn die Lehrerin unglaubwürdig wird, weil alle wissen, dass sie im Dienst das eine und draußen das andere sagt, darf das berücksichtigt werden", erklärt der Rechtswissenschaftler Christoph Gusy von der Universität Bielefeld. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte machte das vor allem an einem Schreiben fest, mit dem Godenau 2006 ihren Austritt aus den Republikanern begründet hatte. Darin kritisierte sie, dass die Republikaner nicht mit dem rechten "Bürgerbündnis Pro Schwalm-Eder" kooperieren wollten, weil darin NPD-Mitglieder aktiv waren. Für das Gericht ein Beleg dafür, dass sich die ehemalige Lehrerin gerade nicht von rechten Positionen distanzierte. 

Eine Entscheidung zum Schutz der Demokratie

Das Hessische Kultusministerium war deshalb zurecht davon ausgegangen, dass Godenau sich nicht zur Verfassung bekennt, erklärten die Richter, und durfte sie auf die "Schwarze Liste" setzen, um die Demokratie zu schützen.

Für die Klägerin selbst hat das Urteil keine Auswirkung. "Der Prozess um die Löschung aus der Liste hat 12 Jahre gedauert und meine Mandantin hat mittlerweile das Rentenalter erreicht und hätte ihren Beruf als Lehrerin sowieso nicht mehr ausüben können", sagte ihre Anwältin Gisa Pahl. Die Juristin ist selbst in der rechten Szene bekannt. Sie führte mehrfach Verfahren für die NPD und vertritt regelmäßig Neonazis.

Gewerkschaft GEW bewertet "Schwarze Listen" als problematisch

Die Bundesländer werden sich das Urteil vermutlich ganz genau anschauen. Heute dürfte es wohl vor allem um Lehrer mit AfD-Parteibuch gehen. Klar ist, dass nicht allein die Mitgliedschaft in einer Partei, die vom Bundesverfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, ausreichen kann, um wegen Verfassungsuntreue entlassen zu werden und auf die "Schwarze Liste" gesetzt zu werden. Die Schulämter müssten extremistische Äußerungen im Einzelfall belegen.

Auf den sogenannten "Schwarzen Listen" stehen allerdings längst nicht nur entlassene Lehrkräfte mit extremistischen Hintergrund. In vielen Fällen dokumentieren die Länder so auch, wen sie schlicht für ungeeignet halten. In Rheinland-Pfalz wurde 2020 durch die Klage eines ehemaligen Lehrers bekannt, dass auf der dortigen Liste auch Lehrkräfte vermerkt sind, die Schülerinnen bzw. Schülern sexualisierte Inhalte per Messenger geschickt hatten.

Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) findet solche "Schwarzen Listen" problematisch, weil Menschen so langfristig vorverurteilt und stigmatisiert werden könnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich zu solchen Fällen an diesem Dienstag nicht geäußert. 

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Sendung: hr-iNFO, 29.11.2022, 14 Uhr

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Quelle: hessenschau.de