Proteste in mehreren Städten Rund 70.000 Hessen zeigen Rechtsextremisten die rote Karte

In Frankfurt, Kassel, Limburg und Gießen haben an Samstag zehntausende Menschen gegen die AfD und Rechtsextremismus demonstriert. Am Sonntag demonstrierten rund 3.000 Menschen in Offenbach - erwartet worden waren 50.

Zehntausende Menschen haben vor dem Frankfurter Römer gegen Rechtsextremismus protestiert.
Zehntausende Menschen haben am Samstag vor dem Frankfurter Römer gegen Rechtsextremismus protestiert. Bild © picture-alliance/dpa

In Frankfurt gingen nach Angaben der Polizei etwa 40.000 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Am Nachmittag war noch von 35.000 Teilnehmern die Rede gewesen, die Veranstalter sprachen von 50.000 Teilnehmern. Die Stimmung sei friedlich gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Nach der Kundgebung gab es einen Demonstrationszug zur Alten Oper.

Wegen der hohen Zahl an Teilnehmern wurde bei der Kundgebung die Versammlungsfläche bis zum Paulsplatz erweitert. Sowohl der Römerberg als auch der Paulsplatz waren überfüllt. Die Menschen sollten deshalb auf der Braubachstraße bleiben, teilte die Polizei mit.

Unter dem Motto "Demokratie verteidigen - Frankfurt gegen AfD und Rechtsruck" hatte die Frankfurter Klimagerechtigkeitsgruppe Koalakollektiv die Kundgebung angemeldet. Zur Teilnehme aufgerufen hatten dabei mehr als 60 Gruppierungen und Organisationen, darunter der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Caritas und Greenpeace.

"Halte deine Umwelt sauber" - auch Kinder sind bei der Protestaktion in Frankfurt dabei.
"Halte deine Umwelt sauber" - auch Kinder sind bei der Protestaktion in Frankfurt dabei. Bild © Andreas Bauer

Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sagte in seiner Eröffnungsrede, er sei "überwältigt" vom Anblick der vielen Menschen auf dem Römerberg. "Wir stehen als Demokraten gemeinsam auf gegen die Menschenfeinde dieses Landes, hier bei uns in Frankfurt und in der Bundesrepublik. Das machen wir zusammen, das machen wir entschlossen - egal wo wir herkommen und woran wir glauben."

Frankfurt vertreibe keine Menschen, sondern heiße sie willkommen, sagte Josef. "Frankfurt ist ein starker Teil der Freiheits- und Demokratiebewegung, die sich in diesen Wochen formiert."

Koalakollektiv: Angriff auf die Basis unseres Zusammenlebens

Der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, sagte in seiner Rede, dass die AfD demokratisch gewählt sei, heiße nicht, "dass sie eine demokratische Partei ist".

Peter Josiger vom Veranstalterkollektiv teilte mit, die bei dem Potsdamer Geheimtreffen besprochenen Deportationspläne seien "nichts weniger als ein Angriff auf die Basis unseres Zusammenlebens". Daher brauche es "ein aktives Aufstehen gegen rechts aus der ganzen Breite der Gesellschaft".

Auch in Kassel, Eschwege, Gießen, Limburg und in weiteren hessischen Städten gingen Menschen gegen rechts auf die Straße.

Kassel: Kundgebung vor Staatstheater

Auf dem Friedrichsplatz vor dem Staatstheater fand eine Kundgebung des Bündnisses "Kassel steht zusammen" statt. Teilnehmer trugen Plakate mit Aufschriften wie "Nazis und Antisemiten müssen ausgebürgert werden" und "Zusammen gegen Extremisten für Demokratie".

"Wir erheben die Stimme für unser Land und für das, was unser Gemeinwesen im Kern vereint: die Werte der Demokratie und die Unantastbarkeit der menschlichen Würde", sagte Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) bei der Eröffnungsrede. An der Demonstration nahmen laut Polizei rund 15.000 Menschen teil, damit korrigierte sie frühere Angaben vom Nachmittag nach oben.

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Tausende demonstrieren gegen Rechtsruck

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Nach der Kundgebung folgte ein Demonstrationszug durch die Innenstadt. Im Aufruf der Veranstalter hieß es: "Die AfD und ihre menschenverachtende Haltung und Politik sind kein Teil unserer Demokratie", deshalb wolle man sich "mit aller Kraft gegen den Rechtsruck, gegen Rassismus und jede Art von Diskriminierung stellen".

"In Zeiten, in denen Menschen die Demokratie angreifen, müssen wir alle Gesicht zeigen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken", sagte der in dieser Woche vereidigte hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) vor dem Staatstheater.

Protestierende Menschen vor dem Kasseler Staatstheater.
Auch auf dem Friedrichsplatz vor dem Staatstheater in Kassel erhoben am Samstag tausende Menschen ihre Stimme gegen Rechtsextremismus. Bild © Stefanie Küster (hr)

Gießen: Aufruf von 50 Organisationen unterstützt

Auf den Berliner Platz vor dem Rathaus in Gießen kamen am Samstagnachmittag nach Schätzungen der Polizei mehr als 13.000 Demonstranten. Die Veranstalter gaben 15.000 an. Da ursprünglich nur 250 Teilnehmer angemeldet worden waren, wurde die Demonstrationsfläche erweitert.

Zur Kundgebung unter dem Motto "Gießen wehrt sich! Nie wieder ist jetzt!" aufgerufen hatte das Bündnis "Gießen bleibt bunt", das von 50 kleineren und größeren Organisationen unterstützt wird - darunter die Stadtverwaltung, politische Parteien, Kirchengemeinden und Omas gegen Rechts.

"Es ist Wahnsinn, wie viele Menschen heute gekommen sind", sagte Veranstalter Amin Abbasi. "Gießen wehrt sich und steht auf der Basis des Grundgesetzes." Das gebe ihm Sicherheit, "dass wir die Demokratie retten und 1933 nicht wiedererleben".

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Tausende bei Kundgebung gegen rechts in Gießen

Demonstration
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Die Demo-Route führte Angaben der Veranstalter zufolge über die Südanlage zum Elefantenklo, über den Seltersweg und Marktplatz und zurück zum Berliner Platz. Daran nahmen so viele Menschen teil, dass die Spitze des Demonstrationszugs das Ende des Zugs einholte. Nach der Demonstration gab es ein Konzert, zu dem noch rund 2.500 Menschen blieben.

Limburg: Demonstrationszug zum Dom

In Limburg demonstrierten am Samstag laut Polizei rund 3.000 Teilnehmer bei einer Kundgebung gegen rechts auf dem Bahnhofsvorplatz. Erwartet hatten die Veranstalter nur 100 bis 300 Teilnehmer.

Vom Bahnhofsvorplatz führte ein Demonstrationszug über den Neumarkt und den Heumarkt zum Domplatz, wo es nach einer Zwischenkundgebung für eine weitere Kundgebung zum Europaplatz ging.

Das Motto lautete "Alle zusammen für die Demokratie - gegen Rassismus, Faschismus und die AfD", teilte die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft als Unterstützerin des Aufrufs mit. Weitere Beteiligte waren unter anderem der DGB Limburg-Weilburg, die katholische Arbeitnehmer-Bewegung und mehrere Parteien.

Deutlich mehr Teilnehmende in Offenbach

Zu einer Kundgebung mit anschließender Demonstration in der Offenbacher Innenstadt kamen am Sonntagmittag deutlich mehr Menschen als von dem Veranstalterbündnis angenommen. Die Polizei sprach von rund 3.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen bei der "Demo gegen Rechts – Kein Fußbreit dem Faschismus". Erwartet worden waren nur 50 Teilnehmende.

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Auch Offenbach demonstriert gegen Rechts

Demonstration
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Die Stadt Offenbach hatte zuvor mitgeteilt, sie wünsche sich "eine rege Teilnahme" der Offenbacher und Offenbacherinnen, "um für Rechtsstaat und Demokratie, gegenseitigen Respekt, Toleranz und Vielfalt einzutreten".

Die Demonstration sollte laut Veranstalterbündnis zeigen, "dass die Mehrheit der Bevölkerung hinter den Grundwerten der Demokratie steht und menschenverachtenden Positionen in Offenbach keinen Raum gibt." Organisiert wurde der Protest von Jugendorganisationen von Parteien, Bürgerinitiativen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Protestwelle nach Recherchen zu Geheimtreffen

In den vergangenen Tagen gab es bereits deutschlandweit Proteste gegen rechts, etwa in Hamburg, Berlin, Leipzig und Köln. Auslöser ist eine Veröffentlichung der Rechercheplattform Correctiv, die in der vergangenen Woche ein Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam offenlegte.

Auch führende AfD-Politiker und Mitglieder der Werteunion hatten an dem Treffen teilgenommen, bei dem laut den Recherchen unter anderem Pläne zur systematischen, massenhaften Vertreibung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte besprochen wurden.

Frankfurterinnen und Frankfurter demonstrieren gegen Rechtsextremismus vor dem Römer.
Frankfurterinnen und Frankfurter demonstrieren gegen Rechtsextremismus vor dem Römer. Bild © Frank Angermund

Weitere Demos in der kommenden Woche ...

Die Kundgebungen am Wochenende werden wohl nicht die letzten Versammlungen gegen rechts in Hessen sein. Nach Auskunft von EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung wird am Dienstag, 23. Januar, um 17.30 Uhr in Darmstadt gegen rechts demonstriert. Daran beteilige sich das Stadtdekanat der evangelischen Kirche in Darmstadt.

Für Donnerstag, 25. Januar, ist laut DGB Hessen eine Demonstration mit dem Motto "Nie wieder ist jetzt" geplant, die um 18 Uhr am Hauptbahnhof in Wiesbaden beginnen soll. Um 19 Uhr soll eine Kundgebung am Dernschen Gelände folgen.

... und am kommenden Wochenende

Das Bündnis "Main-Taunus - Deine Stimme gegen rechts" ruft für Samstag, 27. Januar, zur einer Kundgebung in Hofheim auf. Um 10 Uhr werde die Kundgebung auf dem Kellereiplatz beginnen. "Wir erleben einen gesellschaftlichen Kipppunkt und müssen unsere Werte jetzt entschlossen verteidigen", hieß es in der Ankündigung des Bündnisses.

Laut DGB Hessen ist am selben Tag um 11.30 Uhr auch eine Kundgebung mit dem Motto "Aufstehen gegen rechts" am Rathausplatz in Michelstadt (Odenwaldkreis) geplant.

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 21.01.2024, 19.30 Uhr

Redaktion: Emal Atif, Susanne Mayer, Pia Stenner, Anja Engelke

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Quelle: Frank Angermund, Alexander Gottschalk, Stefanie Küster, hessenschau.de