Bislang keine Konsequenzen Frankfurter Uniklinik-Hörsaal nach Arzt mit NS-Vergangenheit benannt

Seine Verstrickungen in NS-Verbrechen sind seit Jahren bekannt, dennoch wird der Mediziner Franz Volhard im Uniklinikum Frankfurt weiterhin gewürdigt. Die angebliche Ahnungslosigkeit der Klinikleitung wirft Fragen auf.

Drei Fotos liegen weiß umrandet leicht übereinander auf einer mittelblauen Fläche: Außenansicht Gebäude Klinikum Frankfurt - s/w-Portrait Franz Volhard - Detailfoto Hörsaal-Eingang mit Schild
Der umstrittene Mediziner wird weiterhin als Namensgeber eines Hörsaals geehrt. Bild © Franz Volhard - Familienbesitz, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=136963980, hr / Anikke Fischer, hessenschau.de
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Wer als Medizinstudent das Universitätsklinikum Frankfurt aufsucht, kommt um den "Franz Volhard-Hörsaal" nicht herum. Auch eine Büste erinnert dort an den offenbar vorbildlichen Namensgeber.

Professor Franz Volhard, ehemaliger Direktor der Frankfurter Uniklinik, erlangte einst als Ausnahmemediziner Weltruhm. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung feierte den Internisten im Jahr 2022 anlässlich seines 150. Geburtstags noch als "Papst für Herz- und Nierenkrankheiten".

Tödliche Experimente an Kindern ermöglicht

Dabei gilt dieser als höchst umstritten. Volhards Beteiligung an Verbrechen der Nazizeit ist seit langem bekannt. Schon 2019 legten Historiker Rechercheergebnisse vor, wonach Volhard in den 1940er Jahren rechtswidrige medizinische Experimente mit einem nicht zugelassenem Tuberkulosemedikament an Kindern durch den Nazi-Arzt Werner Catel gerechtfertigt hatte. Volhard, ein Förderer Catels, entlastete seinen Schützling damals in einem Gutachten.

Im Zuge dessen konnte Catel bis in die 1950er Jahre hinein seine Experimente an der Landeskinderheilstätte Mammolshöhe in Königstein (Hochtaunus) fortführen - wo es zu weiteren Todesfällen kam.

Nephrologen distanzieren sich von einstigem Vorbild

Für die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), die Nierenheilkundler, waren die Erkenntnisse zum Verhalten Volhards Grund, sich im Jahr 2023 von ihm zu distanzieren: Ihre beiden höchsten Dotierungen, die bis dahin "Franz-Volhard-Medaille" und der "Franz-Volhard-Preis" hießen, erhielten neue Namen.

"Angesichts der Einstellung und des Verhaltens von Professor Volhard zum Fehlverhalten von Kollegen und der Tatsache, dass er schon damals geltende medizinethische Grundsätze missachtete, hat der Vorstand der DGfN einstimmig beschlossen, dass Professor Volhard nicht mehr der Namensgeber eines Preises und einer Medaille der DGfN sein kann", begründete die Gesellschaft ihren Schritt.

Klinikleitung gibt sich ahnungslos

Im Universitätsklinikum Frankfurt ist die Diskussion angeblich erst jetzt in Gang gekommen. Der Vorstand habe erst in diesem Jahr "Kenntnis über aktuelle medizinhistorische Einschätzungen in Bezug auf die Person und das Wirken von Herrn Professor Volhard" erhalten, teilte die Klinik auf hr-Anfrage mit.

Man nehme jedoch die "bekanntgewordenen Vorwürfe gegenüber Professor Volhard sehr ernst" und habe daher Kontakt mit einem an der Aufarbeitung beteiligten Medizinhistoriker aufgenommen. Ein beratendes Gespräch solle noch in diesem Sommer stattfinden.

Klinik-Ausstellung erwähnt NS-Verstrickungen

Ganz so ahnungslos über die NS-Verstrickungen ihres ehemaligen Direktors scheint die aktuelle Leitung aber nicht zu sein, wie ausgerechnet eine kleine Dauerausstellung im Hauptgebäude der Klinik zeigt. Bei der seit April 2023 ausgestellten Sammlung zur Geschichte des Klinikums ist auch Volhard eine Tafel gewidmet.

Nach einer ausführlichen Würdigung seiner medizinischen Leistungen wird darauf seine Rolle im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus erwähnt. Er sei an Beurlaubungen und Entlassungen der jüdischen und politisch unerwünschten Kollegen beteiligt gewesen und habe nach dem Krieg sogenannte "Persilscheine" für Nationalsozialisten wie seinen Nachfolger Wilhelm Nonnenbruch geschrieben.

Zudem habe er als Gutachter im Nürnberger Ärzteprozess über die "Durstversuche" - dem Trinken von Salzwasser durch KZ-Häftlinge - des Arztes Wilhelm Beiglböck ausgesagt, dass diese zwar "recht unangenehm" waren, aber "von einem Verbrechen gegen die Humanität nicht die Rede sein" könnte, heißt es auf der Tafel.

Ministerium empfiehlt Namensänderung

Während die Klinikleitung nun weitere Informationen zur Rolle Volhards einholen möchte, äußerte sich das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) auf hr-Anfrage bereits deutlich: Zwar entscheide über die Namensgebung eines Hörsaals per Hausrecht die Universität beziehungsweise das Universitätsklinikum.

"Allerdings regt das HMWK aufgrund der offensichtlichen Verstrickungen von Franz Volhard in den Nationalsozialismus in den Gremienvertretungen eine Namensänderung des Hörsaals an."  

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Quelle: hessenschau.de