Ernst-Strüngmann-Institut Frankfurter Hirnforscher wollen umstrittene Affen-Versuche wieder aufnehmen

Seit einem halben Jahr verzichtet das Frankfurter Ernst-Strüngmann-Institut auf Versuche an Affen, weil die behördliche Genehmigung fehlt. Doch im kommenden Jahr möchte das Institut mit den Hirn-Experimenten weitermachen.

Das Ernst-Strüngmann-Institut will Hirn-Experimente bei Affen wieder aufnehmen.
Das Ernst-Strüngmann-Institut will Hirn-Experimente bei Affen wieder aufnehmen. Bild © Ernst-Strüngmann-Institut

Karl und Kosmos können sich in diesen Tagen ein wenig erholen. Normalerweise müssen die beiden Affen regelmäßig ins Labor und "Videospiele" spielen. Die Makaken sollen Objekte auf einem Bildschirm ansteuern und dabei wird die Aktivität ihrer Hirnzellen gemessen.

Für die Experimente werden die Tiere buchstäblich eingespannt. Mit einem Metallstift, der fest in den Schädel implantiert ist, wird der Kopf vor dem Bildschirm fixiert. Auf dem Kopf ist ein kleiner Anschlusskasten montiert. Haarfeine Drähte führen durch die Schädeldecke ins Hirn und machen Messungen an einzelnen Zellen möglich.

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hs 04.10.2024
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Doch im Moment wird nichts gemessen. Die Affenversuche am Ernst-Strüngmann-Institut (ESI) sind unterbrochen, weil die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Darmstadt (RP), noch Sachkunde-Nachweise verlangt. Die ESI-Mitarbeiter sollen belegen, dass sie sich wirklich mit Affen-Haltung auskennen.

Käfige sind größer als vorgeschrieben

Die Versuchsaffen bleiben deshalb einstweilen im Käfig. Insgesamt sind es 17 Makaken und 20 Weißbüscheläffchen. Letztere sind so groß wie Eichhörnchen und leben bei künstlichem Licht im Keller des Instituts. Die Makaken haben Käfige im Obergeschoss mit einem balkonartigen Frischluft-Bereich.

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Das Institut hat dem hr-Team die Käfige gezeigt, eigene Bildaufnahmen waren nicht gestattet. Aber es wurde klar: Alle Käfige sind größer, als es die EU-Richtlinie als Minimum vorgibt. Die verlangt zum Beispiel pro Makake – mit bis zu 20 kg Körpergewicht schon eine recht stattliche Affenart – mindestens zwei Quadratmeter Käfigfläche. Im Institut haben die Makaken teilweise drei Mal so viel Fläche.

Tierhausleiter fehlt noch Affen-Kompetenz

Das Problem ist laut Regierungspräsidium auch nicht die Käfiggröße, sondern die Qualifikation der Tierärzte am ESI. Derzeit laufe ein Anhörungsverfahren. Wenn das ESI nicht in absehbarer Zeit Nachweise liefere, drohe "eine Untersagung der Primatenhaltung", teilt das RP mit. Dann würden die Affen aus dem Institut geholt und anderswo untergebracht.

Im März hatten zwei erfahrene Mitarbeiter das Institut verlassen, unter anderem der damalige Tierhausleiter. Der neue Tierhausleiter, Matthias Ebert, ist zwar nach eigenen Angaben Fachtierarzt für Versuchstierkunde. Mit Affen hatte er aber bis vor einem halben Jahr nicht zu tun. Jetzt qualifiziere er sich weiter. Im Herbst werde er einen Kurs am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen machen, so Ebert im hr-Interview.

Institut wartet sehnsüchtig auf grünes Licht

Wenig begeistert zeigt sich Wolf Singer, Hirnforscher und Gründungsdirektor des ESI, angesichts der Auflagen des RP. Das Institut verfüge über "enorme Kompetenzen" im Umgang mit Affen. Der Stopp sei zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen. Gerade seien Affen für eine neue Versuchsreihe trainiert worden. Nun warte man "sehnsüchtig" auf die neue Genehmigung.

Ob und wann das Regierungspräsidium wieder grünes Licht gibt, steht noch nicht fest – das Verfahren ist laut RP noch nicht abgeschlossen. Außerdem prüft die Frankfurter Staatsanwaltschaft, ob ein Anfangsverdacht auf Tierquälerei besteht. Es gehe um Mäuse, Ratten und Affen am Institut. Anlass war die Strafanzeige einer Tierschutzinitiative.

Notwendigkeit von Tierversuchen ist umstritten

Seit Monaten protestieren drei Initiativen gegen Tierversuche am Ernst-Strüngmann-Institut – mit Mahnwachen, Menschenketten und Kundgebungen. Höhepunkt war eine Demonstration im Sommer in der Frankfurter Innenstadt mit rund 1.000 Teilnehmern.

Viele Tierschützer kritisieren die Affen-Versuche grundsätzlich. Sie glauben nicht, dass sich die Ergebnisse auf das menschliche Hirn übertragen lassen. Auch die Tierschutzbeauftragte des Landes Hessen, Madeleine Martin, bezweifelt das. Es sei eine Tatsache, dass sich das Hirn eines Makaken vom menschlichen Hirn "in verschiedenen Punkten deutlich unterscheidet", erklärt sie auf hr-Anfrage.

 Erkenntnisse sollen bei ADHS und Schizophrenie helfen

"Eins zu eins" seien die Ergebnisse vom Affen auf den Menschen übertragbar, hält ESI-Forscher Wolf Singer dagegen. Die Hirnrinden der beiden Spezies seien unter dem Mikroskop kaum voneinander zu unterscheiden. Um Vorgänge auf Zellebene zu verstehen, seien Affenversuche deshalb sinnvoll. 

Die Experimente am ESI, sagt Singer, könnten beispielsweise helfen zu verstehen, wie man seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge richtet. Davon könnten eines Tages Schizophrenie- oder ADHS-Patienten profitieren, denen es schwerfällt, die Aufmerksamkeit zu fokussieren.

Bundesinstitut: Tierversuche manchmal nötig

Nur wenn sich echter wissenschaftlicher Mehrwert ergibt, erlaubt das Tierschutz-Gesetz Tierversuche. Eine weitere Bedingung: Es darf keine schonenderen Alternativmethoden geben, die den gleichen Zweck erfüllen. Das betont Gilbert Schönfelder, Leiter des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren. Dieses gehört zum Bundesinstitut für Risikobewertung.

Zwar lässt sich vieles mittlerweile auch mit Computermodellen oder Versuchen an künstlich gezüchtetem Gewebe erforschen. Beim Gehirn stoße man da aber an Grenzen, sagt Schönfelder. Das Organ sei so komplex, dass sich viele Abläufe noch nicht am Rechner oder in der Reagenz-Schale nachstellen ließen. Deshalb seien Tierversuche manchmal noch unverzichtbar.

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