Demokratie-Preis vergeben Gedenken zum vierten Todestag von Walter Lübcke
Zum vierten Todestag des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben Politiker an seinen Einsatz für Demokratie und Freiheit erinnert. Zudem wurde am Donnerstag der Walter-Lübcke-Demokratie-Preis vergeben.
In der Nacht zum 2. Juni hat sich der Mord am ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) bereits zum vierten Mal gejährt. Anlässlich dieses traurigen Jahrestags erinnerten Politikerinnen und Politiker parteiübergreifend an seinen Einsatz für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
Der CDU-Politiker sei als überzeugter und mutiger Demokrat ein großes Vorbild gewesen, sagte Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) am Donnerstag. Zivilcourage, Solidarität und Mitmenschlichkeit hätten sein Handeln geprägt, "das für uns ein Kompass ist", so Wallman weiter. Jede und jeder Einzelne sei aufgerufen, die Gesellschaft gegen Hass und Intoleranz zu verteidigen und für die grundlegenden Werte der Demokratie einzustehen.
Der frühere Landtagsabgeordnete war in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha (Kassel) von dem Kasseler Rechtsextremisten Stephan Ernst erschossen worden. Ernst wurde am 29. Januar 2021 wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Eine gemeinsame Verantwortung der Politik
"Walter Lübcke war ein herausragender Streiter für ein freies Land mit einer freien Meinungsäußerung in einem demokratischen Rechtsstaat, den er mit all seiner Standhaftigkeit, Überzeugung und Haltung verteidigte", teilte CDU-Generalsekretär Manfred Pentz mit. "Wir vermissen ihn schmerzlich. Er fehlt."
Lübcke sei ermordet worden, weil er "für seine Überzeugungen, seine Meinung und für Menschlichkeit eingetreten ist", sagte Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag. "Die gemeinsame Aufgabe von Politik und Gesellschaft bleibt es, Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus entschieden zu bekämpfen."
"Radikalisierung früh erkennen und unterbinden"
Die Bundesinnenministerin und hessische SPD-Vorsitzende Nancy Faeser nannte die Ermordung Lübckes einen "tiefen Einschnitt". Das Attentat sei eine Mahnung, die mörderische Gefahr durch Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus niemals zu unterschätzen.
"Wir müssen Radikalisierungen früh erkennen und unterbinden, Extremisten im Blick behalten und die rechtsextremistische Szene konsequent entwaffnen", sagte Faeser.
Die Vorsitzende der Linken im Landtag, Elisabeth Kula, forderte ein noch stärkeres Eintreten gegen Rechtsextremisten: "Der Mord an Walter Lübcke muss für die Gesellschaft ein Zeichen sein, rechten Hetzkampagnen und Bedrohungen entgegenzutreten und sich solidarisch an die Seite der Betroffenen von rechter Gewalt zu stellen."
Lübcke-Demokratie-Preis übergeben
Am Donnerstag wurden die Journalistin Katrin Eigendorf und die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen mit dem nach Lübcke benannten Demokratie-Preis ausgezeichnet. Die Auszeichnung nahm Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) vor.
Eigendorf berichte oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens über das Grauen des Krieges. Sie sei ein Sprachrohr für die Menschen und eine mutige Journalistin, hieß es zur Begründung.
Ein starkes Zeichen für die Demokratie und gegen menschenfeindliche Ideologie habe zudem die Walter-Lübcke-Schule mit ihrer Umbenennung gesetzt. Die einstige Wilhelm-Filchner-Schule trägt seit 2020 den Namen des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten.
Der Walter-Lübcke-Demokratie-Preis wird seit 2020 alle zwei Jahre an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, die sich besonders für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie engagieren.
Historische Osana-Glocke läutet
Zum Gedenken an Lübcke sollte am Freitag um 15 Uhr die historische Osanna-Glocke der Martinskirche in Kassel läuten. "Die Osanna-Glocke ruft traditionell zu Rechtsstaat, Freiheit, Demokratie und innerem Frieden", lautet das Motto, das Pfarrer Willi Temme diesem Datum gegeben hat. Der Mord an Lübcke sei Anlass über "die wesentlichen Anliegen des Zusammenlebens" nachzudenken und "die Verfasstheit des Staates und wie es um sie steht" in den Blick zu rücken.
Die Glocke, die durch ein Bombardement im Zweiten Weltkrieg beschädigt wurde, läutete lange nur zu drei Anlässen: an Karfreitag zur Todesstunde Jesu, am 22. Oktober zum Gedenken an die Bombennacht 1943 und am 7. November zur Erinnerung an die judenfeindlichen Pogrome 1938 in Kassel. Seit 2021 läutet sie auch am Todestag von Walter Lübcke.
Streit um Abschlussbericht im Untersuchungsausschuss
Im hessischen Landtag ringen derweil die Fraktionen um einen Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Mord an Walter Lübcke. Die Opposition von SPD, FDP und Linken warf den Regierungsfraktionen von CDU und Grünen nach einer nicht-öffentlichen Sitzung des Gremiums am Mittwoch in Wiesbaden unter anderem vor, mit "parteipolitischen Spielchen" die Gepflogenheiten zu missachten.
Auslöser für den Streit ist ein eigener schwarz-grüner Vorschlag für einen Abschlussbericht als Alternative zum Entwurf des gewählten Berichterstatters im Ausschuss, Gerhard Kummer von der SPD. Wegen der beispiellosen Tat - Lübcke war der erste Politiker, der in der Geschichte der Bundesrepublik von einem Rechtsextremen umgebracht wurde - hatten sich die Parteien um ein gemeinsames Vorgehen bemühen wollen.
Zuvor hatte der Landtag ein Untersuchungsausschussgesetz erlassen. Es regelt, dass im Wechsel mit dem Regierungslager auch die Opposition die Rolle des Berichterstatters besetzt.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 31.05.2023, 16.45 Uhr
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