Internationaler Gedenktag Frankfurt gedenkt Menschen, die durch Drogenkonsum gestorben sind
Alina und Dan haben jahrelang Drogen konsumiert – und geliebte Menschen an die Drogen verloren. Wie viele Menschen sterben in Frankfurt durch Drogenkonsum und wie reagiert die Stadt darauf? Ein Besuch im Bahnhofsviertel.
"21. Juli. Wir trauern um die verstorbenen Drogenabhängigen", steht auf der bronzefarbenen Gedenktafel in der Frankfurter Taunusanlage. Alina kniet sich vor die Tafel und senkt den Blick. Die 38-Jährige hat selbst eine lange Drogenvergangenheit – und durch die Drogen viele Menschen verloren. Auch ihren früheren Partner.
"Wir haben uns auf der Toilette in einer Gaststätte Heroin gespritzt", erinnert sie sich. Beide hatten eine Überdosis. "Ich weiß aus den Akten, dass ich reanimiert werden musste", sagt Alina. "Und dann habe ich erfahren, dass mein Freund die Nacht nicht überlebt hat." Wachrütteln konnte das Alina nicht. "Ich habe noch exzessiver konsumiert, um das Erlebte zu verdrängen", sagt sie.
Kennenlernen in der Drogentherapie
Zu der Gedenktafel in der Taunusanlage ist sie mit ihrem jetzigen Mann Dan gekommen. Auch er hat Drogen konsumiert und hat, wie sie, angefangen, zu klauen. Kennengelernt haben die beiden sich in einer Drogentherapie. "Mir hat nicht mehr gefallen, wer ich geworden bin", sagt Dan. "Ich war kriminell, ich habe Menschen Dinge angetan, die ich ohne die Drogen nicht getan hätte."
Es gab Rückschläge, aber seit vier Jahren führt das Paar ein einigermaßen geregeltes Leben mit Drogenersatz.
41 Menschen durch Drogen gestorben
Nicht jedem gelingt der Ausstieg aus der Drogensucht. Für die Verstorbenen findet am Freitag ein Gedenktag statt. Die Veranstalter in Frankfurt wissen von 41 Menschen, die seit Juli 2023 durch Drogen gestorben sind. Anders als in der Polizeistatistik sind dort auch Menschen mitgezählt, die an den Folgen ihres langjährigen Drogenkonsums gestorben sind.
Deutschlandweit gab es 2023 so viele Opfer wie nie zuvor: Das Bundeskriminalamt registrierte 2.227 drogenbedingte Todesfälle. Auch hessenweit ist die Zahl gestiegen, während die Entwicklung laut Polizeistatistik in Frankfurt relativ stabil blieb.
Drogenreferat will mehr Angebote für Drogenabhängige
Die Vereine und Drogenhilfeträger, die den Gedenktag veranstalten, fordern unter anderem eine bessere medizinische und psychosoziale Versorgung Drogengebrauchender sowie bundesweit mehr Konsumräume.
Der Leiter des Drogenreferats der Stadt Frankfurt, Artur Schroers, sagt, es müssten alle Möglichkeiten für Angebote ausgeschöpft werden, die Schaden mindern: "Dazu gehört zum Beispiel Drug-Checking, die Verfügbarkeit von Naloxon als Notfall-Kit bei Opioid-Überdosierungen oder der Abbau von gesetzlichen Zugangshürden zu Behandlungsangeboten wie der Heroinvergabe."
Der Frankfurter Weg in der Drogenpolitik
Frankfurt hat schon lange ein Problem mit Drogenkonsumenten. Dieses erreichte Ende der 80er-, Anfang der 90er Jahre seinen Höhepunkt: Mehr als 1.000 Drogenabhängige hielten sich der Stadt zufolge an der Tanusanlage und Umgebung auf und konsumierten offen Drogen. Immer mehr Menschen starben an den Folgen ihres Drogenkonsums.
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Unter dem Druck zunehmender HIV-Infektionen und Todesfälle hat die Stadt den "Frankfurter Weg in der Drogenpolitik" eingeschlagen. Demnach geht sie gegen den Handel mit illegalen Drogen vor, nicht gegen die Konsumierenden. Für diese gibt es Hilfs- und Präventionsangebote.
Hygienischer Drogenkonsum
Eines dieser Angebote sind die sogenannten Konsumräume. Das sind niedrigschwellige Einrichtungen, in denen Drogenabhängige ihre mitgebrachten Substanzen konsumieren können. Einer der vier Konsumräume in Frankfurt ist das von der Aidshilfe Frankfurt betriebene "La Strada", das in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert.
"Bei uns können sich die Menschen ausruhen, essen, auf die Toilette gehen, duschen und eben Drogen konsumieren – unter hygienischen und stressfreien Bedingungen und unter Aufsicht von medizinisch geschultem Personal", sagt Sophie Hanack, die das "La Strada" leitet.
Konsumräume sollen Leben retten
150 bis 200 Menschen kommen jeden Tag in die Einrichtung, nicht weit vom Hauptbahnhof. Die meisten konsumieren Crack und Heroin, sagt Hanack. Einige kämen auch nur her, um Sozialarbeit in Anspruch zu nehmen.
Es gibt ein Kontaktcafé und zwei Konsumräume – einen zum Rauchen und einen gefliesten Raum mit sieben Plätzen für den intravenösen Drogenkonsum. Dort bekommen die Konsumierenden sterile Spritzen – im Tausch gegen benutzte Konsumutensilien, die sonst auf der Straße landen würden.
Die Menschen, die herkommen, müssen mindestens 18 Jahre alt sein und sie dürfen nicht zum ersten Mal Drogen nehmen. Das "La Strada" arbeitet auf der Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes. Der Betrieb des Konsumraums ist durch eine Rechtsverordnung geregelt.
Ein Ziel der Konsumräume ist es, Drogentote zu verhindern. "In einem Drogenkonsumraum ist noch niemand verstorben. Das ist unser größter Erfolg", sagt Leiterin Sophie Hanack. "Wir retten hier Menschenleben."
Aufklärung auf Social Media
Alina und Dan wissen, dass der Tod auch sie hätte treffen können. Trotz Therapie haben es die beiden erstmal nicht geschafft, clean zu bleiben. Sie kamen auch mit Crack in Kontakt. Inzwischen werden sie psychsosozial und medizinisch betreut und sind in einem Substitutionsprogramm. Dort bekommen sie kontrolliert das Medikament Polamidon, das die Entzugserscheinungen nach dem Konsum von Opiaten lindert.
Und sie haben sich entschieden: Sie machen ihre Vergangenheit in den sozialen Medien öffentlich. Auf Instagram, TikTok und YouTube klären sie über Drogenkonsum auf und geben Einblicke in ihren Alltag.
Dazu gehören auch Rückfälle, gibt Dan zu: "Wenn man einmal den Respekt vor der Sucht und vor den Substanzen verliert, dann geht es ganz schnell, dass man wieder abstürzt." Für die beiden ist klar: "Die Drogen haben so viel Leid in unser Leben gebracht. Wir wollen dieses Leid umdrehen und daraus etwas Gutes machen."
Redaktion: Susanne Mayer
Sendung: hr-iNFO, 19.7.2024, 13.30 Uhr
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