"Größte Dreistigkeit" Lokalpolitiker entrüstet über Baustopp an der A44
2022, 2025 oder doch 2030? Der Bau der Autobahn 44 von Kassel nach Eisenach stockt gleich an mehreren Stellen. Als Ost-Verbindung nach der Wiedervereinigung gedacht, endet die Autobahn noch vor der hessischen Landesgrenze auf einem Hügel. Nun begehren die Dörfer auf.
Eng getaktet und dicht hintereinander schieben sich die Lastwagen und Autos durch Waldkappel-Bischhausen (Werra-Meißner). Seit mehr als zwanzig Jahren ertragen die Einwohner des Dorfes den Lärm und Gestank der überfüllten Bundesstraße 7. Im eigenen Garten entspannen? Das sei unmöglich, sagt Anwohnerin Ann-Christin Oberenzer: "Nur um sich im Garten zu unterhalten, muss man schon etwas lauter werden, damit man sich überhaupt versteht".
Etwas weiter südlich, in Sontra-Wichmannshausen, herrscht eine ähnliche Situation. An beiden Orten könnte nur eines für Entspannung sorgen: ein jeweils fehlendes Teilstück der Autobahn 44.
Vor rund 30 Jahren mit Planung und Bau begonnen, verzögert sich der Ausbau dieser Autobahn immer wieder. Inzwischen ist die A44 von Kassel nach Eisenach nicht nur die teuerste Autobahn in Deutschland, der 70 Kilometer lange Abschnitt zwischen Kassel und Herleshausen gilt sogar als einer der teuersten der Welt.
Viele Tunnel und Talbrücken treiben die Kosten immer weiter in die Höhe. Bei Planungsbeginn im Jahr 1991 war sie noch als Verbindungsarm in die neuen Bundesländer gedacht. Heute endet die Autobahn noch vor der hessischen Landesgrenze – mitten im Wald auf einem Hügel bei Sontra-Wichmannshausen.
Fehlende Elektroteile bremsen die Autobahn aus
Dass der Verkehr auf dem ersten Teilstück der A44 zwischen Bischhausen und der Anschlussstelle Ringgau noch nicht rollt, wirkt wie eine Verkettung unglücklicher Umstände. Fahrbahn, Tunnel und Brücken sind bereits fertig. Das Problem sei die Sicherheitstechnik in den beiden Tunneln, sagt Michael Zarth, Sprecher der Autobahnbaugesellschaft Deges. So gebe es Lieferengpässe bei hochspeziellen Elektroteilen und Schaltschränken, die extra für die Autobahn hergestellt würden.
Bereits fertige Bauteile seien zuvor von der Baustelle gestohlen und existierende Schaltschränke bei einem Brand zerstört worden. "Die erste Öffnung wäre 2022 gewesen, dann hat man die Freigabe auf 2023 und später auf 2024 vertagt", sagt Waldkappels Bürgermeister Frank Koch (SPD). So rollt der Verkehr weiter durch die umliegenden Dörfer.
Angebot abgelehnt, Bau steht still
Weiter südlich, bei Sontra, ist es komplizierter. Denn für dieses letzte rund 29,4 Kilometer lange Teilstück der Autobahn müssen noch drei Tunnel gebaut werden. Für diese Strecke beliefen sich die Kosten laut Deges aktuell auf 1,67 Milliarden Euro. Die Ausschreibung, bei der sich Baufirmen bewerben können, sei aber geplatzt, sagt Deges-Sprecher Michael Zarth. So seien keine wertbaren Angebote abgegeben worden.
Aus Kreisen der Stadt heißt es hingegen, dass ein Angebot eingegangen sei, das Verantwortlichen allerdings zu teuer gewesen sei. Die Schuld für den Baustopp sieht die Sontraer Stadtverordnetenversammlung deshalb nun bei Landes- und Bundesregierung, aber auch bei der zuständigen Autobahngesellschaft.
Dieses Verhalten ist von verantwortlichen Personen gegenüber den Bürgern dieser Stadt an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten! Zitat von Marco Haukwitz, Vorsitzender CDU-Fraktion SontraZitat Ende
Am Dienstagabend verabschiedete sie eine Resolution, die sie nun ans Bundesverkehrsministerium schickt. Die Lokalpolitiker sind entrüstet über den Baustopp. "Das ist die größte Dreistigkeit, die man mit einer Gemeinde im ländlichen Raum machen kann", sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Marco Haukwitz. An Verantwortungslosigkeit sei das Verhalten von Land und Bund nicht zu überbieten.
Noch mindestens sieben Jahre Baubetrieb
"Wir wünschen uns wirtschaftlichen Erfolg, aber am Ende bekommen wir Lärm, Dreck, Schmutz und haufenweise Verkehr", sagt Haukwitz. Auch der SPD-Bürgermeister Thomas Eckhardt stimmt ihm zu. Für ihn habe die Fertigstellung 2030 eine immense Investitionsbremse zur Folge. Das würde auch Auswirkungen auf Gespräche mit den Investoren haben.
"Das Ziel der Resolution war es, konkrete Maßnahmen zum Ausbau der A44 zu erwirken, dass die Ausschreibung getätigt wird und die Baumaßnahmen erfolgen", sagt Bürgermeister Eckhardt im Gespräch mit hessenschau.de. Er hoffe, dass sich der Resolution viele Kommunen, Bundestagsabgeordnete und Kreise anschließen werden.
Sobald das letzte Teilstück der A44 angegangen werde, sei allerdings auch mit einer Baubelastung über mindestens sieben Jahre zu rechnen – unter anderem in der Sontraer Kernstadt. Ruhig wird es Werra-Meißner-Kreis also noch lange nicht.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 08.11.2023, 19.30 Uhr
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