Mehr Täuschungsversuche mit Künstlicher Intelligenz Gymnasium verbietet Handys aus Angst vor ChatGPT

Wenige Wochen vor Beginn der Abitur-Prüfungen werden am Gymnasium Taunusstein mehr Schummeleien mit Künstlicher Intelligenz beobachtet. Vor Klausuren müssen jetzt Smartphones und Smartwatches abgegeben werden. Wer trotzdem erwischt wird, fliegt durchs Abitur.

Dutzende Smartphones liegen auf einem Stapel auf einem Pult in einem Klassenraum.
Handys weg, Klassenarbeit! Am Gymnasium Taunusstein müssen vor Klausuren alle internetfähigen Geräte abgegeben werden. Bild © Imago Images
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Das bayerische Abitur hatte schon immer den Ruf, besonders anspruchsvoll zu sein. Doch selbst diese Herausforderung schafft die wohl bekannteste Künstliche Intelligenz (KI), ChatGPT, mittlerweile mit einer Note 2, wie Journalisten des Bayerischen Rundfunks im vergangenen Jahr testeten.

Keine Überraschung also, dass zeitgleich in Hamburg die ersten Täuschungsversuche mittels KI während der Abitur-Prüfungen bekannt wurden. Wenige Wochen vor Beginn der diesjährigen Prüfungen gibt es Berichte über solche Täuschungsversuche jetzt auch in Hessen.

Schulkonferenz empfiehlt Handy-Entzug

Am Gymnasium Taunusstein (Rheingau-Taunus) werden laut Schulkonferenz vermehrt Smartphones und Smartwatches während Klausuren und im Unterricht genutzt, um Texte mit ChatGPT zu erstellen. Zuerst berichtete die FAZ darüber.

"Es ist grundsätzlich nicht verkehrt, Technologie zu nutzen", sagte der Taunussteiner Schulleiter Matthias Gotthard. "Aber an dieser Stelle sollte es fair bleiben."

Die Schulkonferenz (bestehend aus Lehrkräften, Eltern und Schülern) habe einstimmig die Empfehlung beschlossen, dass alle elektronischen Hilfsmittel wie Smartphones, Smartwatches und Kopfhörer vor der Klausur abgegeben werden müssen, so Gotthard. Dies schließe jedoch nicht aus, dass jemand ein Zweit- oder Drittgerät dabei habe. Deshalb sollten auch alle Taschen und Jacken an einer bestimmten Stelle im Klassenraum abgelegt werden.

Einsammeln sei im Interesse der Schüler

Gegenmaßnahmen wie das Einsammeln von Handys und Co. seien nicht neu, sondern bereits gängige Praxis, berichtete Landesschulsprecherin Pia Rosenberg. Das sei nur fair und im Interesse der Schülerinnen und Schüler, sagte die 17-jährige Schülerin aus der Wetterau: "Es soll in Klausuren nicht die Kompetenz mit KI umzugehen, sondern der jeweilige Lerninhalt zählen."

Außer mit Handy-Entzug könne der KI-Betrug auch mit mehr mündlichen Prüfungen bekämpft werden, schlägt Roman George vor, der bildungspolitische Referent der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen: "Dabei wird sofort deutlich, ob das Thema selbständig bearbeitet wurde", sagte er.

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KI in Klausuren - ganz legal

In Zukunft könnte Künstliche Intelligenz auch in Klausuren in Schulen eine größere Rolle spielen. Laut hessischem Kultusministerium könnten Prüfungsaufgaben den bewussten Einsatz von KI erfordern. Das solle auf den Umgang mit neuen Technologien vorbereiten.

Bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte das Kultusministerium eine Handreichung für Lehrkräfte zum Umgang mit KI. Darin wird auch erläutert, wie die Schüler in Klausuren kenntlich machen müssen, welche Teile mit KI erstellt wurden - ohne dass es als Täuschungsversuch gilt.

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Mehrheit der Schüler befürchtet Betrug

Tatsächlich befürchten 85 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, dass sich andere in der Schule durch ChatGPT einen ungerechten Vorteil verschaffen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom aus dem Frühjahr 2023.

Damals war ChatGPT noch nicht einmal seit einem halben Jahr für jeden frei zugänglich. Allerdings gab bei der Umfrage keiner der Befragten an, selbst KI in Prüfungen benutzt zu haben.

Wie viel wirklich mit KI gespickt wird, kann das hessische Kultusministerium aktuell nicht beantworten. Die GEW Hessen geht davon aus, dass es durch ChatGPT etc. nicht mehr Betrugsversuche gibt. "Aber die Art und Weise hat sich geändert", sagte George.

So funktioniert der KI-Betrug

Ein Trinkpäckchen mit Orangensaft. Aus einem Schlitz in der Mitte ragt ein kleiner Zettel mit kleingedruckter Schrift heraus.
Den klassischen Spickzettel kann auch das Handy-Verbot nicht aufhalten. Bild © Imago Images

Möglich sei der verdeckte Einsatz des Smartphones auf dem Schoß oder unter dem Heft, sagte Schulleiter Gotthardt. Arbeitsblätter könnten mittels Texterkennungssoftware gescannt und dann mit ChatGPT beantwortet werden.

Wird der Betrug erkannt, drohen null Punkte in der Klausur. Und das bedeutet bei den Abitur-Prüfungen das Durchfallen. Das werde man den Schülern vor der heißen Abitur-Phase als Warnung "nachdrücklich kommunizieren", sagte Gotthardt.

KI-generierte Texte nicht erkennbar

Ob ein Text in Klausuren oder die Hausaufgaben von einem Schüler oder von ChatGPT erstellt wurde, lasse sich von niemandem eindeutig erkennen, sagte George. Lehrkräfte würden jedoch stutzig, wenn Texte nicht zur Fragestellung passten oder Rückfragen nicht beantwortet werden könnten.

Auch mit Plagiatssoftware ist es laut Kultusministerium schwierig, Betrug eindeutig nachzuweisen.

Das Comeback des Spickzettels

Droht der digitalen Schul-Schummelei nun das Aus, wenn Smartphones und Co. außer Reichweite sind für die Schüler? Die Zukunft des Abschreibens könnte analog sein. "Vielleicht werden es doch wieder Spicker in der Hostentasche", mutmaßte Gotthardt.

"Der klassische Spickzettel war ja bei der Vorbereitung sehr hilfreich, um das Wichtigste im Vorfeld zu lernen", gab George zu bedenken und habe so oft auch geholfen, wenn er nicht zum Einsatz kam.

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Quelle: hessenschau.de