Islamischer Fastenmonat Handel in Hessen entdeckt den Ramadan
Halbmond-Kissen, Ramadan-Kalender, Rezepte zum Fastenbrechen: Der hessische Handel hat den Ramadan entdeckt. Dabei geht es in erster Linie um Profit. Doch bei Musliminnen wie Hana Ličina ist die Freude groß, denn sie fühlen sich gesehen.
Wenn man im Woolworth in Limburg nach den Osterhasen rechts abbiegt, beginnt der Ramadan: kleine Schüsselchen mit Halbmonden drauf, goldene Kerzenständer, Kissen, Muffinförmchen und sogar Aschenbecher mit Moschee-Motiv. Für Hana Ličina ist es wie Weihnachten, nur eben für Muslime: "Ich bin echt ein bisschen überwältigt gerade", sagt sie.
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Die junge Mutter aus dem Main-Taunus-Kreis bereitet sich gerade auf den islamischen Fastenmonat vor, ein bisschen Dekoration dürfe da nicht fehlen. Bei Woolworth hat sie gleich drei lange Regale und mehrere Tische zur Auswahl. Eigentlich habe sie sich ein Preislimit gesetzt, sagt sie, aber "die Untersetzer da sind halt auch mega". Im Einkaufskorb liegen schon eine Tischdecke, Servietten und Kerzen.
"Neu und ungewöhnlich"
Früher sei es deutlich schwieriger gewesen, Sachen zu finden, die das Thema sichtbar zeigen, sagt die 28-Jährige. Ein bisschen was habe es online gegeben, manche Influencer bei Instagram hätten mal eine kleine Kollektion rausgebracht. Aber das sei selbst über Suchmaschinen nur schwer zu finden gewesen.
"Dass man mittlerweile in einen Laden gehen kann, wenn man seine normalen Einkäufe erledigt, und einfach ins Regal greifen kann und was zu Ramadan findet, ist neu und noch ganz ungewöhnlich", sagt sie.

Ličina, die gerade ihr Studium an der Uni Gießen abgeschlossen hat, hat montenegrinische Wurzeln. "Dass wir uns hier jetzt auch ein bisschen diese Atmosphäre schaffen können, wie wir sie aus unserer Heimat kennen, ist schön", sagt sie.
Immer mehr Geschäfte folgen dem Trend
Woolworth hat die Ramadan-Kollektion 2023 an ausgewählten Standorten eingeführt. Weil sie sich als "voller Erfolg" erwiesen habe, wurde das Angebot 2024 erweitert und bundesweit in die Läden gebracht, sagt Jacqueline Eder, Filialleiterin in Limburg. "Das kommt sehr positiv an, die muslimischen Kunden sprechen uns auch darauf an, dass ihnen die breite Auswahl gefällt."
Auch andere Geschäfte in Hessen und ganz Deutschland folgen dem Trend. Bei Tedi in Frankfurt-Höchst gibt es gleich nach dem Eingang ein Regal mit Deko in Gold und Dunkelblau, Keksausstecher in Moscheeform sind auch dabei. Die Artikel verkaufen sich auch hier gut, sagt der Mann hinter der Kasse.

Ikea wirbt mit dem Slogan "Bereit für die Familie" für Etageren, Duftkerzen und Bodenkissen. "Gökvälla" heißt die Kollektion, das bedeutet "Guten Abend" und soll an das Fastenbrechen bei Sonnenuntergang erinnern.
Angebot variiert nach Region
"Ramadan Mubarak", also "gesegneten Ramadan", steht auf der Website von Aldi Nord. Darunter gibt es Rezepte zum "Fastenbrechen für jeden Geschmack": klassisch, low carb, vegan und glutenfrei. Für Suhoor, also die letzte Mahlzeit vor Fastenbeginn, empfiehlt der Discounter Chia-Bowls mit Kokos, pochierte Eier "Cilbir Style" oder veganes Clubsandwich mit Auberginen-Bacon. Auch Action, Kaufland, Kik und dm haben inzwischen Produkte zum Ramadan im Sortiment.
Das Angebot variiere je nach Region, schreibt der Hessische Handelsverband auf hr-Anfrage: "In Kommunen und Städten mit einem höheren Anteil an muslimischen Mitbürgerinnen und -bürgern" würden die Produkte stärker nachgefragt, Händlerinnen und Händler passten sich entsprechend an. Es gebe einen klaren Umsatzanstieg, jedoch sei er nicht mit anderen Festzeiten wie Weihnachten vergleichbar.
Zeit des Innehaltens
Hana Ličinas Korb bei Woolworth in Limburg ist inzwischen randvoll. Zwischen Tischdecken und Servietten liegen Untersetzer und ein Ramadan-Kalender für Kinder. Das sind kleine Tütchen mit Zahlen darauf, ähnlich wie ein Adventskalender, in die sie Süßigkeiten packt. So will sie ihren Kindern ihre Religion spielerisch nahebringen.
"Ramadan bedeutet für mich eine besondere Zeit im Jahr, auf die man sich schon wahnsinnig freut", sagt Hana Ličina. Sobald sie weiß, wann es losgeht, beginnen die Vorbereitungen im Kopf, sagt sie. Es sei eine Zeit des Innehaltens, in der man sich mit sich selbst verbinde und auch seine Verbindung zu Gott intensiv spüre.
Der Fastenmonat stehe aber auch für ein schönes Zusammensein mit Freunden und Familie und für eine "Verbundenheit über die Welt, weil man weiß, zu dem Zeitpunkt praktizieren und fühlen wir alle das Gleiche".
Zeichen wachsender Diversität
Dass es den Händlern mit ihren Ramadan-Kollektionen vor allem um Profit gehe, sei klar, sagt Hana Ličina. Aber das interessiert sie nicht besonders. Für sie zählt etwas anderes: "Es ist einfach schön, dass wir sichtbar sind." Alle ihre muslimischen Freunde hätten sich gefreut, als sie die Ramadan-Artikel in den deutschen Geschäften entdeckten. "Das war unerwartet, aber man hatte schon das Gefühl: Da denkt jemand an uns."
In Hessen leben etwa 600.000 Musliminnen und Muslime (Stand 2023), in ganz Deutschland sind es gut fünf Millionen. Dass in Geschäften und im Online-Handel immer mehr Produkte zum Ramadan angeboten werden, sei nicht nur eine Reaktion auf die Nachfrage und die Kaufkraft dieser Gruppe, sagt Migrationsforscher Jochen Oltmer von der Universität Osnabrück.
Sichtbarkeit in den Läden als Gesprächsanlass
Es sei auch "ein Kennzeichen der wachsenden Diversität der deutschen Gesellschaft und der Akzeptanz nicht-christlicher Religionen." Man sollte das Angebot auch für eine Selbstverständlichkeit halten, meint Oltmer, denn der Artikel 4 des Grundgesetzes garantiere die Freiheit der Religionsausübung.
Hana Ličina verbindet mit dem Angebot auch eine Hoffnung. "Ich habe in Bezug auf den Islam sehr oft das Gefühl, dass man lieber still bleibt, statt offen miteinander zu reden." Die Sichtbarkeit in den Läden biete nun die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. "Der Ramadan ist für uns was ganz Normales. Und alle, für die es nicht normal ist, die können gern auf uns zukommen und fragen und Teil davon sein, auf ihre eigene Art und Weise."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 28.02.25, 19:30 Uhr
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