Antragsstau beim Studierendenwerk Frankfurt Schleppende Digitalisierung beim BAföG - Studenten warten lange auf Geld

Fehlerhafte Anträge, zu wenig Personal zum Bearbeiten, jede Menge Bürokratie: Viele BAföG-Anträge von Studierenden im Rhein-Main-Gebiet werden sehr langsam bearbeitet. Immerhin scheinen digitale Anträge in absehbarer Zeit hessenweit möglich zu sein.

Aktenordner mit unbearbeiteten BAföG-Anträgen stapeln sich beim Studierendenwerk Frankfurt auf dem Boden unter einem Tisch
Aktenordner mit unbearbeiteten BAföG-Anträgen stapeln sich beim Studierendenwerk Frankfurt auf dem Boden unter einem Tisch. Bild © Ursula Mayer (hr)
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Seit etwa einem halben Jahr wartet der Wiesbadener Student Julian P. darauf, dass er endlich BAföG bekommt. Im vergangenen Juli stellte der 30-Jährige den Antrag beim Studierendenwerk in Frankfurt. "Jeden Tag gehe ich zum Briefkasten in der Hoffnung, dass ich dort den BAföG-Bescheid finde. Jedes Mal ist der Briefkasten leer", sagt der Student. Mittlerweile plagen ihn Existenzängste.

Als Werkstudent verdient Julian P. zwar monatlich 1.200 Euro. Aber das Geld geht größtenteils für die Miete und Versicherungen drauf, wie er sagt. Dazu müsse er hohe Studiengebühren zahlen, weil er an einer privaten Hochschule sei. "Deshalb rette ich aus Mülltonnen Lebensmittel", erzählt er - er containert also, um über die Runden zu kommen. "Außerdem gibt es auf der Arbeit einen Obstkorb und Nüsse, auch dadurch lässt sich eine Mahlzeit sparen."

Rund 10.000 BAföG-Anträge jährlich in Frankfurt

Immer wieder hat Julian P. nach eigener Aussage das Studierendenwerk kontaktiert, aber seine Sachbearbeiterin dort weder per Mail noch telefonisch erreicht. Die Frau habe während der Woche sowieso nur an zwei Tagen jeweils zwei Stunden Zeit. Bisher sei es ihm dann nicht gelungen, zu ihr durchzukommen, erzählt der 30-Jährige.

Bei Lena Schmedes wiederum klingelt während solcher Sprechstunden pausenlos das Telefon. Sie ist beim Studierendenwerk Frankfurt als Sachbearbeiterin und Gruppenleiterin für Anfragen zum BAföG zuständig. "Wir bemühen uns und wir wissen, in welcher schwierigen Lage die Studierenden sind, aber wir werden seit geraumer Zeit überrannt", beteuert sie. Ständig fragten Antragsteller nach, wann sie endlich Geld sehen würden.

Lena Schmedes, Sachbearbeiterin beim Studierendenwerk Frankfurt, in ihrem Büro mit einem Stapel Akten neben sich und einem Computer vor sich
Lena Schmedes, Sachbearbeiterin beim Studierendenwerk Frankfurt, in ihrem Büro. Bild © Ursula Mayer (hr)

So wie Schmedes sollen beim Studierendenwerk Frankfurt insgesamt 25 Mitarbeiter während der Telefonsprechzeiten aber auch weiterhin BAföG-Anträge bearbeiten. Insgesamt gehen laut Studierendenwerk jedes Jahr im Schnitt über 10.000 Anträge ein, von 18 verschiedenen Hochschulen aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet. Nach Aussage von Lena Schmedes ist man allein mit der Beantwortung der Post Monate im Rückstand.

Jeder Antrag muss ausgedruckt werden

"Insgesamt ist die Lage beim Studierendenwerk angespannt", räumt Geschäftsführer Konrad Zündorf in Frankfurt ein: "Wir haben sehr viel Anträge und nicht genug Personal, um sie zu bearbeiten." Dazu komme, dass die meisten Anträge unvollständig seien. Mal fehlten die Nachweise für die Einkommen der Eltern, mal die für das eigene Einkommen und Vermögen, berichtet Zündorf. Auch dadurch könne sich die Bearbeitung verzögern. Teilweise könne es viele Monate dauern, bis ein Antrag abgeschlossen sei.

Was die Mitarbeiter zusätzlich beschäftigt: Wenn Studierende das BAföG digital beantragen, muss das Studierendenwerk diese Anträge trotzdem zur Dokumentation auf Papier ausdrucken und in eine Akte einsortieren. "Wir haben Mitarbeiter, die machen nichts anderes", sagt Zündorf. Wechsele ein Student zu einer Hochschule in einem anderen Bundesland, müsse seine Akte oft per Post an das dann zuständige Studierendenwerk geschickt werden, das gehe auch im Jahr 2024 noch nicht in allen Fällen digital.

Konrad Zündorf, Geschäftsführer des Studierendenwerks Frankfurt, vor einem Aktenschrank mit Aktenstapeln darauf
Konrad Zündorf, Geschäftsführer des Studierendenwerks Frankfurt, vor noch mehr Akten. Bild © Ursula Mayer (hr)

Deshalb wünscht sich das Studierendenwerk Frankfurt, dass endlich das gesamte Verfahren digitalisiert wird - wie bei der Einkommensteuererklärung. Das Bundesbildungsministerium hat nach eigenen Angaben seinerseits schon alles Nötige getan und sieht die Länder in der Pflicht. "Es fehlt an einer durchgehenden digitalen Antragsbearbeitung auf Ebene der zuständigen Ämter wie etwa Studierendenwerke", heißt es in einer Stellungnahme.

Nur so kann nach Ansicht des Ministeriums eine komplett digitale E-Akte eingeführt werden. Diese werde im Lauf dieses Jahres unter anderem in Hessen eingeführt und getestet, kündigt das Haus von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) an.

Seit 2018 arbeitet das Land an BAföG-Digitalisierung

Das hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst teilt auf hr-Anfrage mit, dass das Land bereits seit 2018 Mittel bereitstelle, um die Digitalisierung beim BAföG voranzutreiben. Hessen sei "im Vergleich der Bundesländer stets federführend an der Entwicklung von Systemen beteiligt, die eine Vereinfachung der BAföG-Beantragung unterstützen sollen". Nach sechs Jahren scheint das Projekt Früchte zu tragen: Am Studierendenwerk Darmstadt liefen abschließende Tests, und noch in diesem Februar werde dort vollständig auf die E-Akte umgestellt, kündigt ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums in Wiesbaden an: "Die flächendeckende Umstellung soll spätestens im Frühjahr 2025 abgeschlossen sein."

Der Wiesbadener Student Julian P. schaut in die Kamera
Der Wiesbadener Student Julian P. Bild © privat

Sollten sich die Prozesse dadurch tatsächlich beschleunigen, wird das Julian P. kaum noch betreffen. Der Student aus Wiesbaden berichtet, dass das Studierendenwerk Frankfurt sich bei ihm endlich gemeldet und dafür entschuldigt habe, dass sein Antrag noch nicht bearbeitet worden sei. Jetzt wolle man zügig dafür sorgen, dass er BAföG bekomme.

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Sendung: hr-iNFO, 07.02.2024, 10.16 Uhr

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Quelle: hessenschau.de