Gewalt in Westsyrien Hessische Alawiten sorgen sich um Angehörige in Syrien

Der Gewaltausbruch mit hunderten Toten in der syrischen Küstenregion hat auch in Hessen viele Menschen erschüttert. Manche fürchten um ihre Angehörigen in Syrien.

Ein Mitglied der syrischen Sicherheitskräfte patrouilliert auf einer Straße in der Küstenstadt Jableh in der Provinz Latakia im Nordwesten Syriens.
Ein Mitglied der syrischen Sicherheitskräfte patrouilliert auf einer Straße in der Küstenstadt Jableh in der Provinz Latakia im Nordwesten Syriens. Bild © picture alliance/dpa/Xinhua | Str
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Äußerlich verläuft das Leben von Abed Al Majeed Dayoub fast normal. Er macht seine Arbeit als Schienenbau-Ingenieur, besucht Baustellen im Rhein-Main-Gebiet. Dayoub lebt im Main-Kinzig-Kreis. Aber ständig erreichen ihn Nachrichten aus seiner alten Heimat, aus der kleinen Stadt Dschabla an der syrischen Mittelmeerküste. Und diese Nachrichten erschüttern ihn.

In Dschabla und anderen Städten der Region hat es nach übereinstimmenden Berichten Massaker mit über 1.300 Toten gegeben. Dayoub sagt, er wisse von ganzen Familien, die getötet wurden. Ein Cousin von ihm sei unter den Opfern. Ein anderer habe sich aus Angst Tage lang versteckt gehalten. Zumindest von diesem Cousin hat Dayoub jetzt aber ein Lebenszeichen bekommen.

Abed Al Majeed Dayoub
Abed Al Majeed Dayoub sorgt sich um seine Angehörigen. Bild © Tobias Lübben

Offenbar gezielte Gewaltakte gegen Alawiten

Dayoub und seine Angehörigen sind Alawiten, eine religiöse Minderheit in Syrien, die hauptsächlich an der Küste im Westen des Landes lebt. Offenbar sind radikalislamische Milizen gezielt gegen Alawiten vorgegangen, weil sie diesen eine Nähe zum gestürzten Assad-Regime unterstellen. Auch Kinder seien getötet worden, berichten etwa die Vereinten Nationen.

Was genau in Syriens Küstenregion passiert ist, lässt sich schwer recherchieren. Ausländische Journalisten haben im Moment keinen Zugang zu dem Gebiet, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London berichtet.

Etliche Informationen, die auf Social Media kursieren, entsprechen offenbar nicht den Tatsachen. Dass es zu Gewaltexzessen gekommen ist, räumt aber auch die syrische Übergangsregierung ein, die von der islamistischen Gruppierung HTS getragen wird. Die Vorfälle würden nun aufgeklärt, heißt es.

Vorurteile gegen Alawiten

Dayoub weiß, dass den syrischen Alawiten oft vorgeworfen wird, das gestürzte Assad-Regime unterstützt zu haben, weil Assad selbst Alawit ist. Doch diese angebliche Nähe hält Dayoub für ein pauschales Vorurteil. Viele Alawiten seien in der Opposition gewesen, hätten deswegen im Gefängnis gesessen. Und selbst wenn es Assad-Unterstützer gebe – das rechtfertige keine Gewalttaten.

Auch der Dreieicher Arzt Ahmad Abboud stammt aus Dschabla und hat Familie dort. Und auch ihn beschäftigt jeden Moment die Frage, wie es seinen Lieben in Syrien geht. Von seinen nächsten Angehörigen sei niemand verletzt oder getötet worden. Aber Freunde und Bekannte seien den Massakern zum Opfer gefallen, unter ihnen ein Apotheker, mit dem Abboud engen Kontakt hatte.  

"Eine Katastrophe", sagt Abboud. Aus seiner Sicht müssten Länder wie Deutschland jetzt den bedrohten Menschen aus Westsyrien Schutz bieten und sie als Geflüchtete aufnehmen.

Traum vom friedlichen Neuanfang geplatzt

Vor drei Monaten, als das Assad-Regime gestürzt wurde, hat auch Abboud sich gefreut. "Wir haben alle auf einen Neuanfang in Syrien gehofft."  Der Traum war ein demokratisches Syrien, in dem alle friedlich zusammenleben – ganz gleich, ob sunnitische Muslime, Christen, Drusen oder Alawiten.

Doch dieser Traum ist nun geplatzt. Ganz habe er die Hoffnung aber nicht aufgegeben, sagt Abboud. Syrien dürfe jetzt nicht an inneren Konflikten zerbrechen. Und was jetzt in seiner Heimatregion geschehen sei, dürfe sich nie wiederholen.

Sendung: hr-info,

Quelle: hessenschau.de