Zwischen Gießen und Gelnhausen Zugausfälle in Mittelhessen kommen Pendler teuer zu stehen

Seit längerem fallen auf der Bahnstrecke zwischen Gießen und Gelnhausen Verbindungen aus. Zugfahren dort ist zu einem Glücksspiel geworden - und jetzt kommen auch noch Bauarbeiten hinzu. Für Pendler bedeutet das teils hohe Extrakosten.

Kleiner Bahnsteig Büdingen-Büches
Kommt der Zug - oder kommt er nicht? Bahnhof des Büdinger Ortsteils Büches an der Strecke der RB 46. Bild © Sonja Fouraté (hr)
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Das größte Ärgernis für Xenia Weigel ist die fehlende Information. Weigel pendelt beruflich mit der Hessischen Landesbahn (HLB) aus dem Raum Gießen rund 50 Kilometer nach Büdingen (Wetterau). Inzwischen muss sie jeden zweiten Tag mit Beeinträchtigungen leben, wie sie sagt.

Wie sie bei Zugausfällen weiterkomme, sei oft unklar: "Das Zugbegleitpersonal ist uninformiert, der Schienenersatzverkehr fährt nicht, obwohl angekündigt, und Ausfälle werden sehr kurzfristig angekündigt", sagt sie.

Bauarbeiten in den Sommerferien legen die Strecke lahm

In Kürze müssen sich die Fahrgäste der RB 46 auf noch mehr Chaos einstellen. Ab dem 9. Juli startet die deutsche Bahn unter anderem in Büdingen und Gründau-Lieblos (Main-Kinzig) Bauarbeiten. Dadurch gibt es laut Bahn vereinzelt Schienenersatzverkehr von und nach Gelnhausen.

Am 13. Juli wird der Abschnitt zwischen Glauburg-Stockheim (Wetterau) und Gelnhausen schließlich komplett gesperrt. Bis Mitte August fahren im südlichen Teil der Strecke ausschließlich Ersatz-Busse. Aber auch zwischen Gießen und Stockheim wird es in den Sommerferien zu Einschränkungen kommen.

Die Bahn möchte in der Zeit die Stellwerke in Büdingen und Lieblos auf einen elektronischen Betrieb umstellen. Sie sollen im Oktober in Betrieb genommen werden. Am Bahnhof in Lieblos wird außerdem ein neuer Bahnsteig gebaut.

Zugausfälle bereits seit dem vergangenen Jahr

Probleme auf der Strecke gibt es aber schon länger. Seit Sommer vergangenen Jahres fährt an vielen Wochenenden kein Zug, oder es werden nur Teile der Strecke bedient. Seit zwei bis drei Monaten häufen sich aber auch die Ausfälle unter der Woche, wie Weigel und auch andere Pendler in Mails an den hr schildern.

Auf der Strecke Gießen-Gelnhausen (RB 46) waren in den Vor-Corona-Jahren nach Angaben des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) rund 5.000 Pendler am Tag unterwegs, neuere Zählungen gibt es noch nicht.

HLB: Auf Stellwerk-Besetzung keinen Einfluss

"Meistens ist das Problem, dass das Stellwerk in Hungen nicht besetzt ist", erklärt eine Sprecherin der HLB auf hr-Anfrage. Dessen Betreiber sei die Deutsche Bahn (DB). Auf die Besetzung des Stellwerks habe die HLB deswegen keinen Einfluss. Zahlen, wie viele Fahrten bisher aufgrund unbesetzter Stellwerke ausgefallen seien, dürfe die HLB nicht herausgeben.

Nur so viel: Das Phänomen, dass Fahrdienstleiter fehlten oder sich kurzfristig krankmeldeten, erlebe die HLB seit Monaten. "Wir bekommen dann eine halbe Stunde vorher die Info, dass sich der Fahrdienstleister krankgemeldet hat und ab 14 Uhr das Stellwerk nicht besetzt ist."

Keine Besserung - Stellwerke bald nur noch halbtags besetzt

Melde sich Personal bei oder kurz vor Dienstantritt ab, dann könne die Bahn nicht mehr umplanen und die HLB so schnell auch keinen Busersatzverkehr organisieren. Auch die Information der Fahrgäste geschehe nur zeitverzögert.

Weil die Personallage weiter angespannt ist, zieht die deutsche Bahn ab dem 1. August Konsequenzen. Die Stellwerke auf der Strecke werden nur noch halbtags besetzt. Nachmittags und Abends fahren dann nur noch Busse.

An Wochentagen fahren die Züge auf der Strecke zwischen 6 und 16 Uhr, an Samstagen zwischen 7 und 17 Uhr – und an Sonntagen zwischen 7 und 19 Uhr. Darüber hinaus gibt es Schienenersatzverkehr.

Deutsche Bahn entschuldigt sich für Ausfälle

Die Mitarbeitenden sollen auf diese Weise in den Stellwerken vorrangig „in den verkehrlich stärkeren Zeiten eingesetzt werden“, erklärt die deutsche Bahn. Dadurch sollen auch kurzfristige Ausfälle und Störungen besser abgefedert werden.

Laut der Bahn wird die aktuelle Personallage auch durch die geplante Modernisierung der Stellwerke belastet. Denn dafür müssten Beschäftigte fortgebildet werden, die für den Regelbetrieb in der Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. "Wir bitten unsere Fahrgäste ausdrücklich um Entschuldigung für die aktuellen Einschränkungen", heißt es weiter.

Für die Fahrgäste entstehen Mehrkosten

Die Unwägbarkeiten hatten für Xenia Weigel bisher unter anderem die Folge, dass ihre Eltern sie mit dem Auto abholen mussten, erzählt sie. Mit dem Busersatzverkehr wäre sie ansonsten über drei Stunden unterwegs gewesen.

Wenn sie wichtige Termine habe, nehme sie inzwischen grundsätzlich das Auto, obwohl sie das Deutschlandticket habe. Mehrkosten allein im Mai: rund 150 Euro, rechnet sie vor. Andere Nutzer berichten ebenfalls, dass sich Taxikosten in dreistelliger Höhe angesammelt hätten.

Nebenstrecken fallen hinten runter

Der Fahrgastverband Pro Bahn kennt die Misere. "Wir haben auf den Nebenstrecken das Problem: Wenn es Personalknappheit gibt, dann werden diese Stellwerke zuerst nicht besetzt", sagt Landessprecher Klaus Zecher.

Die Ausfälle seien letztendlich eine Auswirkung der Privatisierung und der "katastrophalen Personalpolitik" der letzten Jahre bei der Bahn, schimpft Zecher. Personalmangel gebe es in allen Bereichen des Bahnbetriebs.

"Bahn muss massiv in Erstausbildung investieren"

Ein weiteres Problem, sagt Zecher: "Die Informationsweitergabe hängt an denen, die gleichzeitig Ersatz organisieren müssen." Erst werde sich um Ersatzpersonal gekümmert, dann die Information weitergegeben.

Wie die Forderung der hessischen CDU nach der Abschaffung des 49-Euro-Tickets zeige, sei derzeit auch kein politischer Wille erkennbar, für den ÖPNV tatsächlich etwas zu tun, sagt der Pro-Bahn-Sprecher. Und mögliche Pläne, die A5 auf zehn Spuren auszubauen, zeigten, wo trotz der Klimakrise die Prioritäten lägen.

Kurzfristig sehe er keine Besserung, sagt Zecher und fordert, die Bahn müsse wieder massiv in qualifizierte Erstausbildungen investieren. Kurzausbildungen von Quereinsteigern seien keine nachhaltige Lösung.

Auch der Rest der Strecke soll modernisiert werden

Mittelfristig soll es nach Angaben der Bahn im Personalbereich aufwärts gehen: Zum Ausbildungsstart am 1. September vergangenen Jahres hätten 5.500 Nachwuchskräfte begonnen, darunter 760 künftige Fahrdienstleiter, berichtete der Konzern im vergangenen Jahr.

Auch in der Region Mittelhessen setze die Bahn eine Einstellungsoffensive fort, wie sie schreibt. Zudem investiere sie in moderne Stellwerkstechnik, die einen verlässlicheren Bahnbetrieb ermöglichen solle: In den kommenden Jahren sollen auch zwischen Gießen und Nidda die Stellwerke und insgesamt 14 Bahnübergänge mit moderner Technik ausgestattet werden.

Weitere Informationen

Sendung: hr4, die hessenschau für Mittelhessen, 04.07.2024, 12.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, mit Informationen von Sonja Fouraté und Marc Klug

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48 Kommentare

  • Einerseits hat die hlb viel zu wenig fahrbereite Züge und teilweise Lokführer andererseits hat die Bahn einen Wasserkopf mit drei nutzlosen Hierarchie Ebenen, aber keiner, der Fahrdienstleiter oder stellwerker werden will. Es ist zum Weglaufen! Und die Menschen werden wie Landesbeamte des einfachen und mittleren Dienstes unterbezahlt. Nicht mal Mindestlohn zahlt die Bahn manchmal.

  • Auf der Strecke Gießen - Mücke (RB 45) das gleiche Problem. Letzte Woche sind an mehreren Tagen Züge ab einer bestimmten Uhrzeit ausgefallen, für den Rest des Tages. Grund: unbesetztes Stellwerk. Und nebenbei sind die Züge auf dieser Strecke sehr oft stark verspätet (Ursache oftmals defekte Signale), was wiederum einen Effekt auf die anderen Züge (Gegenzüge) hat, weil diese Strecke einspurig ist. Andere Züge sind dann natürlich auch verspätet, weil sie nur an bestimmten Bahnhöfen auf den verspäteten Zug warten können, oder fallen ganz aus, damit der ursprünglich verspätete Zug nicht noch verspäteter wird. Es ist mittlerweile ein Glücksspiel mit den Zügen.
    Sobald ich wieder ein Auto habe, werde ich auf dieses Umsteigen. Verkehrswende geht anders.

  • Wenn die Bahn-/Stellwerk-Mitarbeiter selbst auf die Bahn angewiesen sind, um auf die Arbeit zu kommen, wäre es doch allzu peinlich, das zugeben zu müssen, also sind sie vielleicht deshalb offiziell lieber krank.
    Bekanntlich tragen übrigens auch Überlastung und Betriebsklima zu Krankmeldungen bei.

    Öffentliche Verkehrsmittel: Schnell, sicher und bequem
    Finde die Fehler!

    In 39 Jahren neo-liberaler Wirtschaftspolitik der angeblich Wirtschafts-kompetenten dU/sU-geführten ReGIERungen (Schröder hatte leider bekanntlich dieselbe Politik fortgesetzt) wurde letztendlich ALLES auf Verschleiß gefahren und der Karren tief in den Dreck gerammt - und jetzt plötzlich fällt es den Leuten auf und die schieben die Schuld komplett auf die Ampel.
    (Schreibweise der genannten Parteien wegen des Korruptions-Hintergrundes etlicher derer im Bundestag vertretenden Mandatsträger)

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