Vor allem Männer betroffen Immer mehr Syphilis-Fälle in Hessen
Seit Jahren stecken sich immer mehr Menschen in Hessen mit der sexuell übertragbaren Syphilis an. In keinem anderen deutschen Flächenland gibt es so viele Fälle pro Einwohner. Vor allem Männer sind betroffen. Warum steigen die Zahlen?
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat aktuell einen neuen Höchststand bei Infektionen mit der Geschlechtskrankheit Syphilis in Deutschland vermeldet. Häufig mussten dabei auch Menschen in Hessen die zunächst auftretenden roten Hautflecken unter der Gürtellinie an sich entdecken. Denn hier gab es 2023 besonders viele Fälle pro Einwohner, nur in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen war die Inzidenz höher.
Vergangenes Jahr wurden in Hessen 676 Fälle gemeldet. Das sind fast dreimal so viele Ansteckungen wie 2001, als das Infektionsschutzgesetz in Kraft trat, mit dem nicht namentliche Meldungen ans RKI verpflichtend wurden. Damit ist die Syphilis-Inzidenz - also die Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner in einem Jahr - in Hessen erstmals über zehn gestiegen. Bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Hepatitis B ist die Entwicklung ähnlich.
Ansteckung meist bei Sex mit Männern
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Es liegt vor allem an den Männern, dass sich die Syphilis in Hessen so ausbreitet. Seit 2001 hat sich bei ihnen die Inzidenz fast verdreifacht - von 6,95 auf 20,17 im vergangenen Jahr. Bei den Frauen hat sich die Inzidenz im gleichen Zeitraum auf deutlich geringerem Niveau lediglich verdoppelt - von 0,61 auf 1,35. Und sowohl Männer als auch Frauen stecken sich am häufigsten beim Sex mit Männern an.
Schwule Männer erkranken häufig
Vorwiegend schwule Patienten kommen mit Anzeichen einer Syphilis in ihre Praxis, sagt Hausärztin Pirkko Weise aus Lollar (Gießen). Die Zahlen des RKI bestätigen den Eindruck: Mindestens zwei Drittel der Syphilis-Infektionen in Hessen 2023 wurde beim Sex zwischen Männern übertragen. Dieser Wert hat sich seit 2010 fast vervierfacht.
Ärztin Weise vermutet, dass weniger Kondome benutzt werden, weil HIV nicht mehr so eine große Rolle spielt. Die Immunschwäche-Krankheit lässt sich mittlerweile gut behandeln und Medikamente wie PrEP können die Ansteckung mit HIV verhindern. Auch das RKI sieht hier einen Zusammenhang mit der Zunahme von Geschlechtskrankheiten - vor allem bei Homosexuellen.
Eine Rolle würden auch Dating-Apps spielen, mit denen anonymer Sex mit wechselnden Partnern einfacher geworden ist. Dazu kommt, dass statistisch gesehen ein großer Teil der schwulen Community häufiger wechselnde Sexualpartner haben als Heterosexuelle.
Meiste Neuinfektionen im Rhein-Main-Gebiet
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Bereits seit Jahren sei die Zahl der Neuinfektionen im Rhein-Main-Gebiet und um Frankfurt herum deutschlandweit am höchsten, sagt Professor Helmut Schöfer, Wiesbadener Dermatologe und bei der Deutschen Gesellschaft zur Förderung des sexuellen Gesundheit (STI) für Leitlinienarbeit verantwortlich.
Frankfurt habe einen hohen Anteil an Singles und Männern, die Sex mit Männern haben. Einer der Gründe könnte sein, dass sich Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex suchen, gerne in die Anonymität der Großstädte zurückziehen, vermutet Schöfer. Deswegen ist die Inzidenz in den dicht besiedelten Stadtstaaten oder den Bundesländern mit Ballungsgebieten wie Nordrhein-Westfalen oder eben Hessen meist höher.
Auch ein Blick auf die Daten des RKI und der Krankenkasse AOK zeigen, dass die Hotspots in Hessen die großen Städte sind. Das liege laut Schöfer auch daran, dass Erkrankte aus ländlichen Gegenden oder den Vorstädten zur Behandlung lieber in anonyme Arztpraxen in die Großstadt fahren.
Keine Sorge bei positiven Test
Vor allem Männer, die häufig Sex mit wechselndem Partner haben, sollten sich regelmäßig testen lassen, rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ein positiver Test sei aber noch kein Grund zur Sorge. Rechtzeitig mit Antibiotika behandelt, heilt eine Syphilis-Infektion aus, ohne die Gesundheit zu schädigen. Unbehandelt kann die Erkrankung Organe lebensgefährlich schädigen. Während der Behandlung sollte man sich mit Sex allerdings zurückhalten.