50. Todestag In Frankfurt erinnert wenig an den "Judenretter" Oskar Schindler

Oskar Schindler und seine Frau bewahrten mehr als 1.000 jüdische Menschen in Nazi-Deutschland vor dem Tod. Der frühere Fabrikant verbrachte die letzten 17 Jahre seines Lebens in Frankfurt - weitgehend unauffällig.

Mit Schreibmaschine auf Papier getippte Listen, ein Schwarz-Weiß-Foto eines Mannes
Dokumente und Fotos aus Oskar Schindlers Nachlass. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Oskar Schindler starb vor 50 Jahren – Gedenken im Landtag

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Eine graue, unscheinbare Bronzetafel an der Fassade eines Wohn- und Geschäftshauses am Frankfurter Hauptbahnhof erinnert an den Mann, dessen Geschichte durch den Hollywoodfilm "Schindlers Liste" weltberühmt wurde. "In diesem Haus lebte von 1965 bis 1974 Oskar Schindler" steht auf der Gedenktafel mit dem Konterfei des Fabrikbesitzers aus Zwittau (heute Tschechien).

Angebracht wurde die Tafel 1996 an seinem ehemaligen Wohnsitz mit der Adresse Am Hauptbahnhof 4. Bis in die 1990er Jahre hinein fand seine Geschichte in Deutschland wenig Beachtung. Und so verhält es sich auch noch in Frankfurt.

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Ein Mann im Anzug und mit Halbglatze vor einer Gebäudewand
Oskar Schindler in Frankfurt. Bild © hr
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Im Erdgeschoss seines damaligen Wohnhauses pulsiert heute das Nachtleben. Der Irish Pub O'Reilly's mit seinem Eingang an der Ecke zur Münchener Straße zählt zu den Hotspots im Bahnhofsviertel. Schindler, der gemeinsam mit seiner Frau Emilie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs rund 1.200 Jüdinnen und Juden vor den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten gerettet hatte, wohnte dort in den letzten Jahren seines Lebens allein im Apartment 63, einer Einzimmerwohnung.

Insgesamt lebte der heute als "Judenretter" bekannte Mann 17 Jahre lang in Frankfurt. Doch viele Spuren hat er in der Stadt nicht hinterlassen.

Gedenkstunde im Landtag mit Michel Friedman

Den Ruhm, der Schindler durch Steven Spielbergs Film zuteil wurde, erlebte er selbst nicht mehr: Er starb am 9. Oktober 1974 im Alter von 66 Jahren nach einer Herzoperation in Hildesheim (Niedersachsen), also vor genau 50 Jahren. Der hessische Landtag würdigt den ehemaligen Unternehmer und Lebensretter mit einer Gedenkstunde an diesem Mittwochnachmittag, zu der auch der Frankfurter Publizist Michel Friedman als Gastredner geladen ist.

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Friedman ist selbst Sohn von Juden, die Schindler rettete. An seine erste Begegnung mit Schindler in Frankfurt kann er sich gut erinnern. "Ich begegnete also einem Deutschen, der in seiner Einfachheit so überraschend und überzeugend war", sagte Friedman einmal. Schindler sei kein Intellektueller oder gebildeter Mann gewesen.

Friedman: "Menschen unter Einsatz seines Lebens geholfen"

Er sei "moralisch nicht besonders hoch angesehen" gewesen, ein "Säufer, er hatte viele, viele Frauen", berichtete Friedman. Doch Schindler habe im Gegensatz zu allen "Moralisten" anderen Menschen unter Einsatz seines eigenen Lebens geholfen. Damit habe er gezeigt, dass genau das auch unter dem NS-Regime möglich gewesen sei, sagte Friedman.

"Und ich war mir klar, dass dieser Mann, der dann bei uns zu Hause war, die Grundlage dessen war, dass wir überhaupt zu Hause lebten, dass wir überhaupt lebten. Dass ich als Kind nicht gezeugt worden wäre, wenn meine Eltern nicht von ihm gerettet worden wären", betonte der Publizist.

Hohe Anerkennung in Israel

Nach Frankfurt zog Schindler bereits 1957, nachdem er sich von seiner Frau getrennt hatte. Nach dem Krieg war er wirtschaftlich nie wieder erfolgreich, auch gelang es ihm nicht mehr, überhaupt beruflich Fuß zu fassen.

Gedenktafel an Schindlers letzter Wohnanschrift in Frankfurt
Gedenktafel an Schindlers letzter Wohnanschrift in Frankfurt Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)

Von der hessischen Landesregierung erhielt er eine Ehrenrente von 500 D-Mark. Zudem bekam er als Geschäftsführer des Bundesverbands der Gesellschaft der Freunde der Hebräischen Universität in Deutschland ein kleines Gehalt. Dennoch war er auf finanzielle Unterstützung angewiesen, zum Beispiel von jüdischen Organisationen und einigen geretteten ehemaligen Mitarbeitern.

In Israel fand er jedoch große Beachtung und Anerkennung: 1962 wurde ihm der Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern" zuerkannt. Der damals für ihn in der Erinnerungsstätte Yad Vashem in Jerusalem gepflanzte Baum steht heute noch dort.

Es sollte aber noch lange dauern, bis seine Taten in Deutschland in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Dabei hatte Schindler zwischen 1962 und 1972 in fünf Ermittlungsverfahren gegen nationalsozialistische Gewaltverbrecher ausgesagt. Während des viel beachteten Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963 bis 1965) begleitete und betreute er Zeugen, die im Prozess auftraten.

Schindler: "Musste einfach helfen"

Schindler hatte gehofft, dass seine Taten noch zu seinen Lebzeiten verfilmt würden, wie auf der Webseite des Museums Judengasse in Frankfurt nachzulesen ist. Warum hatten er und seine Frau den jüdischen Menschen - rund 800 Männern und rund 300 Frauen - damals geholfen statt einfach wegzusehen? Die Verfolgung der jüdischen Menschen im damaligen Polen hätten "in ihren Grausamkeiten eine allmähliche Steigerung genommen", erklärte Schindler in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk vom Februar 1965.

"Die Einschließung und Zusammenpferchung der Menschen im Ghetto (von Krakau, Anm. d. Red.) haben natürlich den Sadismus in Reinkultur erst im Jahre 1941 und 1942 geoffenbart", erinnerte er sich. "Und ein denkender Mensch, der mit dem inneren Schweinehund siegreich fertig wurde, musste einfach helfen. Es war keine andere Möglichkeit."

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Oskar Schindler zum 50. Todestag: Späte Ehrung des Lebensretters

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Inzwischen ist Schindlers Geschichte weltweit bekannt. Zu dem Film "Schindlers Liste" gibt es etliches Unterrichtsmaterial für Schulen. In Frankfurt erinnert aber, abgesehen von der Gedenktafel gegenüber des Hauptbahnhofs, nur eine nach ihm benannte Straße im Stadtteil Nieder-Eschbach an den "Judenretter". Das Oskar-und-Emilie-Schindler-Lernzentrum des Museums Judengasse ist vor Ort abgebaut und nur noch online zu besuchen.

"Alles fand keinen Widerhall"

Dabei setzte sich schon zu Schindlers Lebzeiten der damalige evangelische Stadtjugendpfarrer Dieter Trautwein dafür ein, dass die Geschichte des einstigen Retters auch hierzulande bekannt wurde. "Kennen gelernt hatten sich die beiden 1964, nachdem Trautwein in Yad Vashem war und erfahren hatte, dass dort jemand geehrt wird, der in Frankfurt zu Hause ist", berichtet Schindler-Experte Martin Liepach vom Fritz Bauer Institut in Frankfurt. Daraufhin habe Trautwein Schindler in Frankfurt aufgesucht, zwischen den beiden habe sich eine Freundschaft entwickelt.

Zitat
Es wächst ein Baum in Israel, der sagt, was Mut vermag.
Es wächst ein Baum in Yad Vashem, der Trägheit tief beschämt.
Es wächst ein Baum in Israel, der fragt, wer heute hilft.
Zitat von Zitat auf der Gedenktafel für Oskar Schindler, aus einem Liedtext von Dieter Trautwein
Zitat Ende

Trautwein lud Schindler immer wieder zu Veranstaltungen ein und engagierte sich sehr, um dessen Geschichte publik zu machen, jedoch vergeblich. "Alles fand keinen Widerhall. Viele Nazis waren wieder auf Posten, und viele wollten nicht über die Judenvernichtung sprechen", berichtet Trautweins Tochter Katja Praetorius.

Viele Erzählungen, wenige Spuren

Schindlers Geschichte sei verdrängt worden, weil sie eine Anklage gegen alle gewesen sei, die an Verbrechen beteiligt waren, erklärt Trautwein selbst in seinem Buch über Schindler. Sie sei auch wie eine Anklage an alle gewesen, die geschwiegen und nicht geholfen hatten.

Dass Schindler im November 1965 das Bundesverdiendstkreuz Erster Klasse verliehen bekam, habe Trautwein mit veranlasst, erinnert sich seine Frau Ursula Trautwein. Auch das verhalf indes nicht zu der erwünschten Bekanntheit.

Erst nach Spielbergs Film sei der "Judenretter" populär geworden, sagt Schindler-Experte Liepach. Der Fabrikant sei zu einer Art Marke in der Geschichtskultur geworden. In Frankfurt selbst gebe es zwar viele Erzählungen über Schindler, etwa dass er häufig im "Münchner Eck" bei Abraham Rosenberg, einem Holocaust-Überlebenden und ehemaligen Boxer von Eintracht Frankfurt, saß. Aber es gebe wenige Spuren von Schindler in der Stadt, weil die eigentliche Geschichte seiner Judenrettung woanders stattgefunden habe.

Bahnhofsvorplatz soll umbenannt werden

Geht es nach dem Willen des zuständigen Ortsbeirats, soll der Vorplatz vor dem Hauptbahnhof nach Schindler und seiner Frau Emilie benannt werden - vis á vis von seinem letzten Wohnort. Im September 2022 beschloss der Ortsbeirat die Umbenennung. Doch noch immer gibt es keinen Termin dafür. Die Terminfindung sei schwierig, sagt der Ortsvorsteher Michael Weber (CDU). Wahrscheinlich werde es im nächsten Frühjahr so weit sein.

Das wäre die angemessene Würdigung für Schindler in Frankfurt, weil er auch sehr lange dort gelebt habe, meint Liepach: "Und es ist ein Ort, wo auch viele Leute aus vielen verschiedenen Ländern hinkommen." Schindlers weltbekannte Geschichte führe nach Frankfurt. "Insofern könnte sich Frankfurt eigentlich glücklich schätzen, so eine Person hier als Bürger gehabt zu haben", sagt der Experte vom Fritz Bauer Institut.

Der Publizist Michel Friedman würde es sich jedenfalls wünschen. Außer Friedmans Eltern wurde auch seine Großmutter von Schindler gerettet. Die drei waren die einzigen aus ihrer Familie, die den Holocaust überlebten.

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Quelle: hessenschau.de, epd, dpa/lhe, KNA