Meiste Unfälle pro Kopf E-Scooter werden in Frankfurt besonders riskant gefahren
Vergangenes Jahr gab es in Frankfurt über 230 Unfälle mit E-Scootern – und das ist kein Zufall. Vor allem Leih-Roller seien ein Risiko im Straßenverkehr, sagt eine Unfallexpertin. Sie fordert deswegen mehr Kontrollen.
Wie so oft ist Frankfurt die Stadt der Superlative in Hessen: die höchsten Mieten, die größten Wolkenkratzer – und auch die meisten E-Scooter-Unfälle pro Kopf. Über 230 Unfälle ereigneten sich hier 2023, wie das Statistische Landesamt auf hr-Anfrage mitteilte. Es folgen Wiesbaden und Kassel.
Dass in den Großstädten pro Kopf mehr Unfälle passieren, ist kein Zufall, wie Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, erklärt. In den Metropolen ist die Flotte der Leih-Scooter besonders groß – und das hat Auswirkungen auf die Fahrsicherheit.
Miet-Scooter öfter an Unfällen beteiligt
Bei den Nutzenden von E-Scootern gebe es eine Zweiklassengesellschaft, beobachtet Zeidler: "In den Unfallakten der Versicherer sehen wir einen deutlichen Unterschied zwischen den Miet-Scootern und den Scootern im Privatbesitz."
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Auf der einen Seite stünden die Besitzerinnen und Besitzer eines eigenen Scooters. Diese seien oft über 30 Jahre alt, trügen einen Helm und wüssten, wo sie fahren dürfen, skizziert Zeidler. "Sie kennen ihr Gerät und wissen damit umzugehen."
Auf der anderen Seite stehe die größere Gruppe der Nutzenden von Leih-Scootern. Sie seien für die meisten Unfälle verantwortlich. "Häufig sind es jüngere Fahrer, unerfahrener im Straßenverkehr und risikobereiter", sagt Zeidler. "Sie fahren nur gelegentlich und sind weniger geübt."
20 Prozent mehr Unfälle als im Vorjahr
Insgesamt ist die Zahl der Unfälle mit E-Scootern mit Verletzten in Hessen nach Behördenangaben auf über 660 im vergangenen Jahr gestiegen. Das ist eine Zunahme von über 20 Prozent im Vergleich zu 2022.
Vermutlich nimmt die Zahl der Unfälle auch deshalb zu, weil immer mehr Strecken mit dem E-Scooter zurückgelegt werden. Belastbare Zahlen lägen dazu nicht vor, sagt Unfallexpertin Zeidler.
Häufigste Unfallursache: Auf dem Gehweg fahren
Am häufigsten (23 Prozent) verursachten E-Scooter-Fahrer Unfälle durch die falsche Nutzung der Fahrbahn oder der Gehwege, wie das Landesamt für Statistik mitteilte. Letztere dürfen weder zum Fahren noch zum Abstellen der Scooter genutzt werden, darauf weist auch die Polizei hin.
"E-Scooter haben auf Fußwegen absolut nichts zu suchen. Das ist ein Unfallrisiko, nicht nur für die Fußgänger, sondern auch für die E-Scooter-Fahrer selbst", betont Zeidler.
Viele Nutzer wüssten nicht einmal, dass der Gehweg tabu ist. "Ich kann mir das Gerät leihen oder kaufen, ohne dass ich einen Nachweis über Regelkenntnisse erbringen muss", kritisiert die Unfallforscherin.
Die Leih-Anbieter wie das Berliner Unternehmen Tier weisen darauf hin, dass die Nutzenden selbst für die Einhaltung der Verkehrsregeln verantwortlich sind.
Bessere Radwege sollen Sicherheit bringen
Um die Gefahr von Unfällen mit E-Scootern zu reduzieren, führt der Deutsche Verkehrsrat (DRV) seit dem Jahr 2020 die Kampagne "Roll ohne Risiko!" durch. Im Spätsommer will der DRV unter anderem in Frankfurt und Rüsselsheim Sticker und Lenkerschilder mit den geltenden Regeln an Leih-Scootern anbringen.
Beim Anbieter Voi, der in Hessen nur in Frankfurt Roller verleiht, müssen Nutzende vor der ersten Fahrt außerdem ein Sicherheits-Quiz absolvieren.
Auch die Kommunen könnten einen Beitrag zur Sicherheit leisten und mehr Radwege schaffen, die auch mit E-Scootern genutzt werden können, sagt Unfallforscherin Zeidler. "Dann wird nicht auf den Gehweg ausgewichen."
Mit Reaktionstest gegen Trunkenheitsfahrten
Die zweithäufigste Unfallursache ist den Statistikern zufolge das Fahren unter Alkoholeinfluss (14,5 Prozent). Polizei-Daten zeigten, dass Unfälle oft nachts und am Wochenende passieren würden, sagt Zeidler. Für E-Scooter gelten die gleichen Promillegrenzen wie beim Autofahren. In der Probezeit und vor dem 21. Geburtstag gilt ein absolutes Cannabis- und Alkoholverbot auf dem E-Scooter.
Bei einigen Anbietern wie Tier oder Bolt müssen die Nutzer teilweise einen Reaktionstest bestehen, um betrunkene Fahrten zu verhindern. Auffällige Fahrer werden gesperrt. Bolt bestraft nach eigenen Angaben unter anderem abruptes Beschleunigen und Bremsen, Fahren zu zweit oder Driften.
Weitere Unfallursachen in Hessen waren laut Landesamt für Statistik Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr (5,3 Prozent), die Nutzung des E-Scooters mit mehreren Personen (4,7 Prozent), Rotlicht-Verstöße (4,4 Prozent) und die Missachtung der Vorfahrt (3,6 Prozent).
Risiko auf zwei Rädern?
Aber sind E-Scooter wirklich ein besonders großes Risiko im Straßenverkehr? In absoluten Zahlen sind die 660 Unfälle in Hessen im Jahr 2023 mit E-Scootern nicht viele. Zum Vergleich: Im selben Jahr verunglückten in Hessen mehr als 15.000 Autofahrer und über 4.000 Fahrradfahrer.
Da für die E-Scooter keine Zahlen zu den zurückgelegten Strecken vorliegen, lassen sich die Unfälle mit den einzelnen Fortbewegungsmitteln pro zurückgelegtem Kilometer allerdings nicht vergleichen.
Anbieter haben Roller bereits verbessert
Für Unfallexpertin Zeidler steht jedoch fest: Die Roller sind besonders herausfordernd in der Nutzung. "Die Geräte haben vergleichsweise kleine Räder und ein höheres Gewicht. Das bringt bei einem einspurigen Fahrzeug eine gewisse Instabilität mit sich", sagt Zeidler.
Laut einer aktuellen TÜV-Mobility-Studie fühlen sich fast zwei von drei Nutzenden von E-Scootern auf dem Stehroller unsicher. Der Anbieter Tier teilte dazu mit, dass bei seinen E-Scootern das Trittbrett mittlerweile verbreitert wurde, um einen sichereren Stand zu gewährleisten. Auch seien Lenker und Lenkstange vergrößert worden.
Damit weniger Unfälle passieren, sollte die Polizei verstärkt kontrollieren – vor allem abends und am Wochenende, meint Zeidler. "Wir brauchen insbesondere mehr Alkoholkontrollen, um die Regeln konsequent durchzusetzen."
Es sollte zudem ein Minimum an Regelkenntnis der Straßenverkehrsordnung vor der ersten Fahrt mit dem E-Scooter nachgewiesen werden – "ähnlich dem Moped-Führerschein".
Anm. d. Red.: In der Grafik ist uns ein Fehler unterlaufen. Wir haben ihn korrigiert.
Ende der weiteren InformationenIhre Kommentare Wie könnten Städte wie Frankfurt und Wiesbaden die Sicherheit von E-Scooter-Fahrern verbessern?
42 Kommentare
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Das die E Scooter nicht auf die Gehwege dürfen ist mir neu, denn ich sehe sie NUR auf den Gehwegen.
Man muss sich zweimal umsehen bevor man einen Schritt macht.
Habe schon mein Kind zerren müssen weil da ein Intelligenzallergiker mit hohem Tempo unterwegs war und uns haarscharf verfehlt hat. -
E Bike und e Roller alles erlaubt ! Grenzenlos ! Es ist mittlerweile fast nicht mehr möglich an der Nidda , Bundesgartenschau Gelände ( niddapark) oder sonstige Parks spazieren zu gehen . Keine kümmert sich darum das nur noch mit Hochgeschwindigkeit durch die Gegend gefahren wird . Scheiss egal ob ältere Menschen oder Kleinkinder in Gefahr gebracht werden . Selbst auf Bürgersteigen egal wo in Frankfurt stehen die Dinger rum . Zum Teil muss man auf die Straße gehen um vorbei zu kommen . Es macht kein Spaß mehr und von unseren Anführern kommt Nix
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In und um Kassel sieht man Escooter fast nur auf Gehwegen, oder aber auf Gehwegen bei denen Fahrräder erlaubt sind. Rücksicht auf Fußgänger wird selten genommen. Jugendliche fahren oft zu zweit auf den Scootern aber auch mit dem Handy telefonierende Erwachsene wurden schon gesichtet.
Akzeptanz kann nur entstehen, wenn Rücksicht auf Fußgänger und Verkehrsregeln genommen wird.
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