Junge Frauen im Schützenverein Für diese Sportschützinnen geht es nicht ums Ballern

Jung, weiblich ... und im Schützenverein: Das ist nicht so ungewöhnlich, wie manche das womöglich finden. Die Zahl der unter 30-jährigen Mitglieder steigt. Zwei junge Sportschützinnen aus Osthessen berichten hier von ihrer Leidenschaft.

Zwei junge Frauen schauen in die Kamera. Sie tragen schwere Schutzkleidung und halten jeweils ein großes Sport-Luftgewehr in der Hand.
Lisa Klein (Links) und Matleena Baumann vom Schützenverein Petersberg. Bild © hr

Die 19-jährige Matleena Baumann hätte vor sieben Jahren nie gedacht, dass Schießen am Luftgewehr mal ihr Sport wird. Sie kennt gewisse Vorurteile und sagt: "Es ist tatsächlich mehr, als nur am Schießstand zu stehen und zu ballern." Wer es praktiziere, merke, "dass es ein Sport ist, man ins Schwitzen kommt und sich wirklich zusammenreißen muss".

"Mich fasziniert am Schießsport, dass ich mich besonders gut konzentrieren kann und von meinem Stress bei der Arbeit herunterkommen kann", sagt Lisa Klein. Die 23-Jährige ist seit vier Jahren Mitglied im Schützenverein in Petersberg bei Fulda - im selben Verein wie Matleena Baumann.

Videobeitrag

Mehr junge Menschen in Schützenvereinen

Eine junge Frau schießt im Schützenverein.
Bild © hr
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Konzentration, Präzision, Schuss

Während des Trainings mit Matleena und Lisa fällt auf: Die Kleidung der beiden ist schwer. Sie gibt ihnen Stabilität. Am Schießstand checken die Schützinnen die Position ihrer Füße, strecken ihre Hüfte in Richtung Zielscheibe und nehmen tiefe Atemzüge, um den Puls zu beruhigen.

Pure Stille. Pure Konzentration. Purer Fokus. Sie nehmen das circa fünf Kilo schwere Gewehr in die Hand. Der Blick wandert zur Zielscheibe. Ein kurzer, lauter Schuss. Danach fällt die Konzentration ab.

Junge Frauen stehen an einem Schießstand und schauen durch die Zielfernrohre ihrer großen Sportluftgewehre. Diese haben sie im Anschlag.
Lisa Klein (rechts) und Matleena Baumann am Schießstand. Bild © hr

Ihr Hobby helfe ihnen im Alltag, erzählen die beiden. "Das Schießen hat mir dabei geholfen, mein Durchhaltevermögen zu verbessern und in stressigen Situationen einen klaren Kopf zu behalten", sagt Lisa, die als Sachbearbeiterin in einer Buchhaltung arbeitet. Matleena verdient ihr Geld als Chemisch-Technische Assistentin und nebenbei im Catering. "Dabei brauche ich viel Geduld, Ruhe und Konzentration. Das hat mir der Sport beigebracht", sagt sie.

Mitgliederzahlen steigen hessenweit

Das zwei junge Frauen in einem Schützenverein aktiv sind, ist gar nicht so ungewöhnlich. Schützenvereine in ganz Hessen halten ihre Mitgliedszahlen konstant. Und es kommen mehr junge Schützinnen und Schützen dazu. Seit einem leichten Abfall während Corona steigen die Mitgliedszahlen bereits das dritte Jahr in Folge.

2024 gab es nach Verbandsangaben 6.768 neue Mitglieder, 2.600 von ihnen sind unter 30. Von den jüngeren neuen Schützen wiederum sind rund 900 weiblich und rund 1.700 männlich. Der Hessische Schützenverband zählt damit insgesamt knapp 95.000 Mitglieder.

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"Sportschießen war mein Fels in der Brandung"

Aber warum haben sich die beiden jungen Frauen ausgerechnet für den Schießsport entschieden, wie sind sie zum Verein gekommen? "Damals bin ich durch eine schwere Zeit gegangen. Das Sportschießen war mein Fels in der Brandung", berichtet Matleena und ergänzt: "Ich habe mich dazu entschieden, Fußball, Handball, Reiten, alles beiseite zu legen, um einen ruhigeren Sport zu machen und geistig zu wachsen."

Für Lisa geht es im Verein mehr als nur um das Schießen: "Wir sitzen nach dem Training immer in allen Altersgruppen zusammen und tauschen uns aus. Es entstehen Freundschaften, die auch außerhalb des Vereins bestehen bleiben."

Zum Sportschießen kam Lisa durch ihren Großvater, der selbst einmal in der Bundesliga geschossen hat. 2019 stieg der Petersberger Schützenverein in die Erste Bundesliga auf. Der Verein ist also prominent in der osthessischen Kleinstadt. Überzeugt hat Lisa auch, dass die Jugendtrainerin Anja Heck auch die Bundesliga-Mannschaft trainiert. Und die bemüht sich um Nachwuchs, wie sie sagt.

Verein stärkt Zusammenhalt

Pokale über Pokale, Urkunden, Gruppenfotos und eine Wand voller Bilder von Schützenköniginnen und -königen: Im Schützenvereinsheim in Petersberg wird Tradition gepflegt. Aber warum bleiben die jungen Leute dort? "Wir machen kontinuierlich Jugendarbeit", sagt Jugendtrainerin Anja Heck. Gemeinsame Aktivitäten wie Zelten und Ausflüge in den Kletterwald stärkten den Zusammenhalt. "Wir sind hier eine kleine Familie."

Mehrere Frauen und Männer schauen fröhlich und zum Teil Grimassen schneidend in die Kamera. Sie stehen im Grünen und tragen alle rot-weiße Sportvereinsjacken.
Im Schützenverein Petersberg pflegt man nicht nur den Sport, sondern auch das Miteinander. Bild © privat

Das bestätigen Lisa und Matleena. Drei Wörter, mit denen die beiden Schützinnen aus Leidenschaft ihren Sport zusammenfassen? "Konzentration, Gemeinschaft und Familie."

Projekte für Demokratie

Die meisten Luftgewehrschützen beginnen bereits mit zwölf Jahren. Den Vereinen kommt auch die Aufgabe zu, den Jugendlichen neben den sportlichen Fähigkeiten die richtige Einstellung beizubringen: Wer eine Waffe in der Hand hat, trägt Verantwortung.

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Auflagen für Waffenbesitz

Viele Vereinsschützen besitzen keinen Waffenschein, sondern eine Waffenbesitzkarte für ein eigenes Gewehr. Diese kann nach einem Jahr unter strengen Auflagen bei der verantwortlichen Behörde beantragt werden. So müssen die Gewehre zum Beispiel im Waffenschrank verstaut werden - das kontrolliert die Behörde. Ohne Karte nutzen Mitglieder Vereinswaffen.

Ende der weiteren Informationen

Der Hessische Schützenverband arbeitet nach Aussage seines Geschäftsführers René Ullrich seit drei Jahren gemeinsam mit der Sportjugend Hessen am Projekt "DemoS! - Sport stärkt Demokratie". Er hat ein Leitbild für den Verband erstellt.

Ullrich sagt: "Wir arbeiten sehr eng mit dem Hessischen Kompetenzzentrum gegen Extremismus zusammen, sind regelmäßig Gast bei den Barrierekonferenzen und haben daraus das Projekt 'Schützen im Dialog' ins Leben gerufen." Damit wolle der Verband Demokratie und Vereinsarbeit schützen und stärken. Man biete den Vereinen auch Hilfestellung an, wenn Verantwortliche sich bei einer Schützin oder einem Schützen über die Eignung als Mitglied eines Schützenvereins nicht sicher sind.

Vereinsvorsitzender: Klischee stimmt nicht!

In Petersberg treten viele durch Verwandte oder Bekannte in den Schützenverein ein. Davor gibt es ein erstes Gespräch und ein Probetraining inklusive Betreuer, um sich gegenseitig besser kennen zu lernen. "Dann sieht man schon, ob die Person zu uns passt und wie sie tickt", sagt Frank Urspruch, Vorsitzender des SV Petersberg.

Die Satzung erlaubt es, im Einzelfall Mitglieder abzulehnen oder das polizeiliche Führungszeugnis einzusehen, was jedoch bisher nicht nötig gewesen sei, betont Urspruch: "Das haben wir aber noch nie gemacht oder gebraucht. Wir hatten bis jetzt keinen Fehlgriff."

Allgemein wünscht sich der Vereinsvorsitzende weniger Klischees über Schützenvereine: "Weg von dem Bild: Da sitzen alte Herren an der Theke, trinken Bier und gehen dann an den Schießstand. Das stimmt einfach nicht. Das ist mittlerweile ein ganz moderner Sport mit viel Technik und vielen fleißigen jungen Leuten."

Matleena Baumann kann sich jedenfalls nicht vorstellen, damit aufzuhören: "Den Sport werde ich, glaube ich, nicht mehr los."

Redaktion: Stephan Loichinger

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de