Land zahlt länger doppelte Miete Kein Abriss: Marodes Finanzamt in Wiesbaden wird zum Millionengrab

Das marode Finanzamt in Wiesbaden wird doch nicht abgerissen. Die explodierenden Baukosten haben dem Eigentümer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Damit steht womöglich die städtebauliche Entwicklung des gesamten Areals auf der Kippe.

Finanzamt Wiesbaden
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Marodes Finanzamt in Wiesbaden wird zum Millionengrab

hs 23.05.2024
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Es fallen am alten Finanzamt in Wiesbaden schon Betonteile von der maroden Fassade. Aus Sicherheitsgründen könnte es sogar nötig werden, Netze um das Gebäude zu spannen. Das Hochhaus wird dennoch nicht abgerissen, wie der Landesbetrieb Bau und Immobilien (LBIH) dem hr nun auf Anfrage mitteilte. Der geplante Abriss war bereits Ende letzten Jahres abgeblasen worden.

Einen Neubau auf dem Gelände wird es demnach auch nicht geben. Als Grund gibt der LBIH die gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten für Neubauten an. "Vor diesem Hintergrund sind der Abriss und die Neubebauung derzeit sowohl für das Land als auch die Vermieterin gleichermaßen nicht wirtschaftlich darstellbar."

Land und Vermieter hatten bis Ende letzten Jahres eigentlich noch den Plan, das Hochhaus baldmöglichst abzureißen, damit dort ein neues Gebäude entstehen kann. Denn ab dem Moment, in dem die Abrissbagger loslegen, müsste das Land keine Miete mehr für das Haus zahlen.

Land Hessen bezahlt weiter doppelt Miete

Das Land Hessen bezahlt für das Finanzamt Wiesbaden nach wie vor doppelt Miete, wie der hr vor knapp einem Jahr berichtete. Zum einen rund 3,4 Millionen im Jahr für das alte, leerstehende Hochhaus im Behördenzentrum Schiersteiner Berg, und geschätzt noch einmal so viel für ein neu angemietetes Gebäude im Südosten der Stadt.

Statt eines Abrisses untersuche man nun gemeinsam mit der Vermieterin eine Zwischensanierung des Gebäudes, erklärte der LBIH. Doch wer die 14.000 Quadratmeter Fläche nach einer möglichen Sanierung nutzen könnte, ist noch völlig unklar. 

Im schlimmsten Fall hat das Land bis zum Ende des Mietvertrags 2035 insgesamt mindestens 45 Millionen Euro Miete für ein leerstehendes Gebäude bezahlt. Plus die noch nicht zu beziffernden Kosten für die Sanierung des Gebäudes.

RTL greift Geldverschwendung auf

Inzwischen haben bundesweite Medien den Fall von Geldverschwendung aufgegriffen. Zuletzt etwa RTL in  "Mario Barth deckt auf". Für den Entertainer, der sich über Pleiten, Pech und Pannen von Behörden lustig macht, ein gefundenes Fressen: 700 Mitarbeiter eines Finanzamtes ziehen aus einem baufälligen Gebäude in ein neues Gebäude um, und die Steuerzahler müssen eine doppelte Miete von geschätzten sieben Millionen Euro im Jahr berappen. Das leerstehende Hochhaus ist also auf dem besten Weg, zur Lachnummer der Nation zu werden. 

In Seven Gardens wachsen die Bäume nicht in den Himmel

Der Fall hat Auswirkungen auf die gesamte städtebauliche Entwicklung in dem Wiesbadener Areal. Denn das ehemalige Finanzamt ist Teil des "Behördenzentrums Schiersteiner Berg". Zu dem Areal gehört auch das Landeskriminalamt, und früher stand hier auch das inzwischen abgerissene Sozialministerium. Das sorgte 2019 als "erster Fall" für Aufsehen. Damals wurde durch hr-Recherchen bekannt, dass das Land für das leerstehende Sozialministerium und ein neu angemietetes Gebäude doppelte Miete zahlt. 

Es ist dasselbe Prinzip wie beim Finanzamt: Die Mitarbeiter des Ministeriums waren aus dem maroden Gebäude in eine neu angemietete Immobilie umgezogen, und das Land war vertraglich verpflichtet, für das marode Haus weiterzuzahlen. 

Für das Land war es deshalb eine gute Nachricht, dass der Projektentwickler OFB 2019 das ganze Areal vom Vorbesitzer gekauft hatte. Denn die Tochter der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) kündigte an, die in die Jahre gekommenen Gebäude nacheinander abzureißen und durch neue zu ersetzen. Die grauen Betongebäude aus den Siebziger Jahren sollten zu einem zeitgemäßen, urbanen Quartier mit Namen Seven Gardens weiterentwickelt werden.

Oak House auf dem Areal ist fast fertig 

Das erste Haus der "Sieben Gärten", das Oak House, ist mit einiger Verzögerung fast fertig. Es ersetzt das marode Sozialministerium. Anstelle des alten Finanzamts sollten Ginkgo House und Pine House als Häuser zwei und drei in die Höhe wachsen. Doch von diesen Plänen scheint sich die OFB inzwischen verabschiedet zu haben. Denn ohne den Abriss des ehemaligen Finanzamts können dort keine neuen Gebäude entstehen. 

Auf die Frage, ob die gesamten Planungen für Seven Gardens mitsamt den Farn-, Moos- und Gräsergärten nun begraben werden, bekommt der hr keine Antwort. Der Projektentwickler OFB bestätigt nicht einmal, dass der Abriss des Hochhauses abgeblasen wurde. Das Unternehmen, das Seven Gardens intensiv öffentlich bewirbt, beruft sich dabei darauf, Vertragsinhalte vertraulich zu behandeln.

Stadt wird von Stillstand des Projekts überrascht

Zuständig für die Baugenehmigung des Großprojekts ist die Stadt Wiesbaden. Dort heißt das Verfahren "Südlich der Dostojewskistraße". Besonders Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende (SPD), der gleichzeitig auch Planungsdezernent der Landeshauptstadt ist, könnte großes Interesse an der weiteren Entwicklung des Areals haben. 

Doch auch die Stadt weiß nichts davon, dass LBIH und OFB die großen Pläne schon vor einem halben Jahr gestoppt haben. Sie geht weiter davon aus, dass gebaut wird. Eine Offenlegung der Pläne werde für dieses Jahr vorbereitet; zwischen der OFB und der Stadt werde ein Vertrag geschlossen. Mende will das vom hr recherchierte Neubau-Aus nicht kommentieren. Er will warten, bis es stichhaltige Informationen dazu gibt.

Auch in Fulda könnte Leerstand drohen

Das Behördenzentrum ist Teil der sogenannten LEO-Immobilien. Diese nach dem hessischen Wappentier benannten 55 Immobilien wurden vor rund 20 Jahren von der damaligen Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verkauft. Sie werden seitdem zurück gemietet. 

Erst später kam heraus, dass das Land trotz marktüblicher Mieten noch selbst die Innensanierung der Gebäude bezahlen muss. Und das wird für das Land nun in Fulda zum Problem. Denn auch in Fulda mussten die Mitarbeiter des Finanzamtes in einem neu angemieteten Gebäude untergebracht werden.

Das Land Hessen befindet sich mit dem Vermieter des Behördenzentrums Fulda derzeit in einem Rechtsstreit. Es geht dabei um 11 Millionen Euro für eine Innensanierung, die das Land wegen mutmaßlicher Baumängel beim Verputzen nicht bereit ist, zu bezahlen. 

Im vergangenen Jahr haben die Sanierungsarbeiten begonnen. Auf die Frage, was nach Abschluss der Sanierung in das Gebäude hinein soll, antwortete der LBIH nicht konkret. Die Behörde teilte mit, dass die Leerstandsquote, der von ihr verwalteten Liegenschaften bei deutlich unter einem Prozent liege. "Leerstand ist im Einzelfall immer unerfreulich," heißt es weiter, aber sowohl bei den LEO-Immobilien als auch bei den landeseigenen sei er die absolute Ausnahme.

Redaktion: Susanne Mayer

Weitere Informationen

Sendung: hessenschau, 23.5.2024, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de