Forschungsprojekt an der Uni Kassel Diese KI weiß, wann die Ampel grün wird
Lohnt es sich noch aufs Gaspedal zu treten - oder wird die Ampel ohnehin gleich knallrot? Ein Verkehrswissenschaftler aus Kassel hat Ampelschaltungen mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet und dafür einen Wirtschaftspreis erhalten.
Eigentlich ist es ganz simpel: Die Ampel wird grün, nachdem sie erst rot und dann gelb geworden ist. Kevin Heckmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel, reichte diese Erkenntnis aber nicht. Noch als Masterstudent am Institut für Verkehrswesen fütterte der heute 30 Jahre alte Verkehrsforscher eine künstliche Intelligenz - kurz: KI - mit Ampeldaten.
"Ampeln, die verkehrsabhängig gesteuert werden, haben eine Art Eigenleben", sagt Heckmann. "Sie reagieren nach programmierten Kriterien auf die Situation an der Straße." Etwa, wenn ein Passant die Fußgängerampel auslöse oder ein Auto auf eine Kontaktschwelle komme. Zusätzlich müsse der Öffentliche Nahverkehr beachtet werden, der häufig vorrangig von Ampeln behandelt werde. So kann die Straßenbahn oder der Bus mit weniger Wartezeit durch den Verkehr kommen.
KI kann Grünphase zu über 90 Prozent vorhersagen
Heckmann hat sich die Daten von drei Ampeln aus Kassel beschafft und sie an einen Algorithmus verfüttert. "Es ist eine Riesenmenge an Daten. Als Mensch findet man darin keine Muster, der Algorithmus aber ist dazu in der Lage", sagt er.
So entsteht ein Vorhersagemodell, durch das er die nächste Grünphase an der Kreuzung "Katzensprung" an der Kasseler Universität mit 92-prozentiger Genauigkeit vorhersagen könne - und die genaue Zeit, bis die Phase auch wirklich geschaltet werde, zu über 90 Prozent. Grünphasen an anderen Kreuzungen konnten in der Vorhersage sogar noch bessere Werte erzielen - bis zu 97 Prozent.
Robert Hoyer ist Heckmanns betreuender Professor. "Daran forscht man bereits seit zehn Jahren", erklärt er dem hr. Aber es sei schwer vorherzusagen, was als nächstes passiere. "Das weiß die Ampel nämlich selbst nicht". Sie werde vom Verkehrsaufkommen gesteuert. Der Einsatz von Algorithmen und KI habe der Forschung viel genutzt.
Einsatz beim Smart-Routing oder bei Ampelassistenzsystemen
Die Erkenntnis alleine macht zwar eine Forschung spannend, aber noch keine Autofahrer glücklich. Die KI kann zwar noch nicht in der Praxis eingesetzt werden, aber Heckmann ist sich sicher, dass in der Zukunft solche Technologien helfen können - etwa beim sogenannten Smart-Routing, also der intelligenten Führung in Navigationssystemen. "Wenn absehbar ist, dass eine Ampel auf der Strecke gleich rot wird, könnte das Navigationssystem dies berücksichtigen und die Route entsprechend umändern, um Autofahrer schneller ans Ziel zu bringen", sagt Heckmann.
Und nicht nur da. "Sind Sie schon mal auf eine grüne Ampel zugefahren und haben sich gefragt: Schaffe ich das noch? Häufig geht der rechte Fuß dann aufs Gaspedal. Wenn Sie aber wüssten, dass die Ampel in der nächsten Sekunde auf rot springt, würden Sie keine unnötige Energie verschwenden." Unnötige Brems- und Beschleunigungsvorgänge, Lärm und Schadstoffausstoß könnten so reduziert werden.
Ebenso könnten Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs davon profitieren: "Mit dieser KI-Technik kann deutlich zuverlässiger vorhergesagt werden, wie lange etwa eine Tram noch bis zur Haltestelle benötigt, wenn sie auf dem Weg dorthin Ampeln passieren muss", erklärt Heckmann. So werden die angezeigten fünf Minuten Wartezeit auch tatsächlich fünf Minuten - und nicht länger.
Masterarbeit mit Förderpreis der Bauwirtschaft ausgezeichnet
Die Masterarbeit mit dem etwas sperrigen Titel "Erstellung von Datenmodellen zur Phasenprognose von Lichtsignalanlagen mit Methoden des maschinellen Lernens" wurde Ende Januar mit dem Förderpreis der nordhessischen Bauwirtschaft ausgezeichnet. "Die Reaktion auf meine Arbeit hat mich überwältigt. Welche Erwartung stellt ein Student schon an seine Masterarbeit? Man möchte erstmal seinen Abschluss und dann womöglich eine Anstellung", sagt Heckmann.
Wofür er das Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro nutzen möchte, hat er sich auch schon überlegt. Ganz thematisch passend soll das Geld in die Schlussrate seines Autos fließen.
Sendung: hr-iNFO, 07.02.2023, 15.25 Uhr
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