Interview mit erstem Landesbeauftragtem Wie wollen Sie Kinder besser schützen, Herr Bauer?

Vor dem Hintergrund steigender Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat das Land Hessen im Dezember erstmals einen Kinderschutzbeauftragten ernannt: den CDU-Abgeordneten Alexander Bauer. Im Interview spricht er über seine ersten 100 Tage im Amt.

Kinder spielen in einer Sandkiste einer Kita.
"Ein starkes Signal für die Bedeutung des Themas": Alexander Bauer über die Position des Kinderschutzbeauftragten Bild © ARD-aktuelll / Andreas Weiss

Seit rund 100 Tagen ist Alexander Bauer Hessens erster Kinderschutzbeauftragter. Seine ersten Wochen in der neuen Funktion beschreibt der Abgeordnete aus dem Kreis Bergstraße und innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion als Termin-Marathon.

Im Interview spricht er über seine Aufgaben als Landesbeauftragter, und darüber, was er in Zeiten knapper Kassen gegen die gestiegene Gewalt gegen Kinder und unterbesetzte Beratungsstellen tun kann.

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Das Gespräch führte Sonja Fouraté.

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hessenschau.de: Herr Bauer, was macht eigentlich ein Landesbeauftragter?

Alexander Bauer: Ein Landesbeauftragter hat verschiedene Aufgaben. Er ist zum einen Netzwerker. In meinem Fall verbindet er also die Akteure, die es zum Thema Kinderschutz in Hessen bereits gibt. Er soll die Anliegen von vor Ort in die Politik hinein vermitteln. Er berät zudem die Landesregierung in diesem Themenbereich.

Meine Aufgabe ist es auch, eine Art Fürsprecher für das Thema Kinderschutz zu sein und es auch nach außen besser darzustellen.

Die Themenvielfalt ist groß und diese erstmal zu sichten, zu ordnen und Strukturen zu bauen, in denen Menschen und Akteure sich untereinander besser kennenlernen, ist eine der Hauptaufgaben.

hessenschau.de: Haben Sie dafür ein eigenes Budget oder Personal?

Bauer: Ich bin ins Ministerium eingebunden und habe da entsprechende Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen.

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Alexander Bauer

Alexander Bauer
Alexander Bauer (CDU) Bild © picture alliance/dpa | Arne Dedert

Der studierte Lehrer ist seit 1997 politisch aktiv, seit 2008 ist er Mitglied des Landtags. Nach Angaben der Staatskanzlei erhält Bauer in dieser Wahlperiode eine monatliche Entschädigung von 2.000 Euro brutto. Eine Geschäftsstelle im Familienministerium unterstützt ihn.

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hessenschau.de: Wie weit sind Sie in Ihren ersten knapp 100 Tagen mit dem Sichten, Ordnen und Bauen der Strukturen gekommen?

Bauer: Ich habe mir zunächst zur Aufgabe gemacht, zuzuhören und bin dahin gefahren, wo die entsprechenden Akteure sind. Als Erstes habe ich zum Beispiel ein Vorzeigeprojekt besucht, das Childhood-House in Frankfurt, und unter anderem auch das Hessische Kindervorsorgezentrum an der Uni Frankfurt.

In diesen Bereichen sind wir schon sehr gut aufgestellt, ich habe viele gute Ansätze kennengelernt. Jetzt geht es darum, weitere Akteure kennenzulernen, wie zum Beispiel die Beratungsstellen, die wir in Hessen haben.

hessenschau.de: Die aktuelle Kriminalitätsstatistik weist einen Anstieg der Gewalt gegen Kinder aus, wie wollen Sie hier einen besseren Schutz erreichen?

Bauer: Es gibt hohe Fallzahlen, da kann man nicht einfach so tatenlos zuschauen. Es ist ein weites Feld, und man braucht eine gesamtgesellschaftliche Herangehensweise. Wir wollen uns ressortübergreifend noch besser vernetzen, zum Beispiel beim Thema Schule. Das ist ja auch der Ansatz der zuständigen Ministerin, Diana Stolz, die bereits in ihrer Regierungserklärung zum Kinderschutz betont hat, dass Kinderschutz in Hessen ressortübergreifend bearbeitet wird und ganz oben auf der Agenda steht.

Aktuell ist in der Diskussion, inwiefern vielleicht durch Hinweise zur Handynutzung oder durch eine entsprechende sinnvolle Handynutzung darauf geachtet werden kann, dass Kinder sich weniger mit Gewaltphänomenen beschäftigen und auch weniger Gewalt erfahren - Cyber Grooming, Mobbing im Netz, das sind alles aktuelle Themen. Ich pflege also auch den Kontakt zum Kultusministerium, zum Innenministerium, zur Staatskanzlei. Auch kindgerechte Justiz ist ein Thema.

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Mehr Kindeswohlgefährdung

Die hessischen Jugendämter verzeichnen steigende Zahlen von unter "Kindeswohlgefährdung" registrierten Fällen. Sie sind 2023 landesweit um mehr als zehn Prozent auf 6.198 Fälle gestiegen.

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hessenschau.de: Inwiefern?

Bauer: Es ist beispielsweise die Stärke des Childhood-Hauses, dass durch Videovernehmung dafür gesorgt wird, dass die traumatisierten Kinder nicht über Gebühr belastet und immer wieder befragt werden müssen.

hessenschau.de: Aber wird in absehbarer Zeit auch mehr Geld für Kinderschutz zur Verfügung gestellt werden?

Bauer: Wenn ich Akteure zusammenbringe, dann schafft das eventuell Synergien und man kann das gleiche Ziel mit weniger Ressourcen erreichen.

Der Ministerin ist es zudem in Zeiten knapper Kassen gelungen, im Kinderschutz Schwerpunkte zu setzen, beispielsweise für ein zweites Childhood-Haus in Nordhessen.

Und es ist klar: Indem die Landesregierung diese Funktion geschaffen hat, ist das ein starkes Signal für die Bedeutung des Themas und wir werden sicher Gutes auf den Weg bringen.

hessenschau.de: Gerade die Beratungsstellen brauchen dringend mehr Personal. Was können Sie vor dem Hintergrund für sie tun?

Bauer: Weil uns Kinderschutz so wichtig ist, hat das Land letztes Jahr vier spezialisierte Fachberatungsstellen für männliche Opfer von Gewalt in Kindheit und Jugend an den Start gebracht. Daneben wurde eine Landeskoordinierungsstelle geschaffen, die die Fachberatungsstellen vor Ort unterstützt, den Informationsaustausch untereinander und damit die Beratung vor Ort unmittelbar verbessert.

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Ich denke, dass ich ein wichtiger Brückenbauer für die Anliegen der Beratungsstellen vor Ort bin. Ich greife ihre Themen auf, ich versuche, die Dinge besser zu machen und habe einen direkten Draht zu den Entscheidungsträgern in den verschiedenen Ministerien.

hessenschau.de: Zum Beispiel?

Bauer: Ich arbeite eng mit der Familienministerin Diana Stolz zusammen und dementsprechend ist es nur von Vorteil, wenn man über den Kinderschutzbeauftragten seine Anliegen prominent platzieren kann. Natürlich ist die Akzentsetzung des Landes in dem Bereich auch eine politische Wertschätzung, wenn ein Beauftragter sich dieser Themen mit besonderem Augenmerk annimmt.

Ich habe bei meinen Terminen erlebt, dass sich die Menschen sehr gefreut haben, dass man mit dem Ansatz vorbeikommt, die Betroffenen zu beteiligen, genau hinzuhören, hinzuschauen und deren Anliegen auch in die politische Entscheidungsebene einzubringen.

Ich kann außerdem auch über die Landesgrenzen hinausschauen. Was passiert in anderen Ländern? Ich habe mir fest vorgenommen, auch die Kolleginnen und Kollegen zu besuchen, die es in anderen Ländern gibt. 

hessenschau.de: Überlappt sich Ihre Arbeit mit der der Beauftragten für Beteiligung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, Miriam Zeleke?

Bauer: Die Bereiche sind sehr klar getrennt, die Schutzthemen sind bei mir verortet. Ich berate und unterstütze die Landesregierung, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Maßnahmen des Landesaktionsplans zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt.

Darüber hinaus begleite ich die Ausweitung der Förderung von Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie die Implementierung des Konzepts Childhood-Haus. Gemeinsam mit den örtlichen Trägern der Jugendhilfe verfolge ich zudem das Ziel, die Beratungs- und Präventionsangebote im Bereich Kinderschutz flächendeckend sicherzustellen.

Und natürlich vertrete ich die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Organisationen im Rahmen der zuvor genannten Aufgaben gegenüber der Landesregierung.

hessenschau.de: Sie sprechen sich also ab?

Bauer: Wir haben uns getroffen und koordinieren uns, falls erforderlich.

hessenschau.de: Was hat Sie eigentlich persönlich motiviert, das Amt anzunehmen?

Bauer: Ich kenne das Thema als innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion aus der Perspektive des Kampfes gegen sexualisierte Gewalt, und besonders gut im Bereich von Kinderpornographie. Aber auch als studierter Lehrer und Vater von zwei pubertierenden Kindern kenne ich diese Themen.

Quelle: hessenschau.de