Kirche unter Spardruck Wie Gemeinden um die Zukunft ihrer Gotteshäuser ringen
Ländliche Kirchengemeinden verzeichnen weniger Mitgliederzahlen, betreiben aber viele Gebäude. Der Spardruck zwingt die Kirche nun, viele der Bauten stillzulegen. Aber welche?
Eingebaut zwischen Fachwerkhäusern und Gemüsegärten steht sie da: Die evangelische Kirche von Wattenbach. Seit mehr als 240 Jahren bildet sie das Zentrum des kleinen Dorfes, das heute zur Gemeinde Söhrewald (Kassel) gehört.

Doch ihr Fortbestand ist bedroht. Die zuständige Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) muss Geld sparen. Sie ist bei weitem nicht die Einzige.

Sparkurs: Die Kirche muss hessische Kirchen aufgeben
Alle Landeskirchen in Deutschland stünden derzeit vor der selben Herausforderung, sagt Timo Koch, der Baudezernent der EKKW: "Die Mitgliederzahlen gehen zurück." Auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) stellt alle ihre 4.000 Gebäude auf den Prüfstand, teilt ein Sprecher mit.
Der Gebäudebestand sei derzeit auf einem Stand der 1960er (EKHN) und dem Ende der 1980er-Jahre (EKKW). Damals zählte die Kirche doppelt so viele Mitglieder. Entsprechend müsse der zu finanzierende Gebäudebestand deutlich reduziert werden.
Viel Herzblut und Geschichte in Gebäuden
Die Kirchengemeinde Eiterhagen-Wattenbach besitzt noch eine weitere Kirche und ein Gemeindehaus. Beides steht einige Kilometer entfernt im Zentrum von Eiterhagen, in einem anderen Ortsteil von Söhrewald, und stammt aus dem 13. und 16. Jahrhundert. Der Gruppenraum des Gemeindehauses wurde gerade erst aufwändig saniert, erzählt Peter Harz.

Seine Frau Sabine und er sind im Jahr 1975 in das Dorf gezogen und engagieren sich seitdem in der Kirchengemeinde. "Ich sehe es schon so, dass die Kirche eine moralische Verantwortung für die Gebäude hat", sagt Harz.
Gerade aufgrund des Alters müsse sie die Bauten erhalten. Die 850 Mitglieder zählende Gemeinde habe sogar extra ein altes Pfarrhaus verkauft, um die Renovierung des Gemeindehauses zu finanzieren.

"Eine der beiden Kirchen trifft es auf jeden Fall"
Doch müsse der Kirchenkreis nun rund 230.000 Euro einsparen. Dafür wird nun der Rotstift an die laufenden Kosten gesetzt. Das sei Teil des neuen "Gebäudestrategieprozesses".
Die Kirchengemeinde soll dabei selbst entscheiden: Welches der Gebäude ist am Wichtigsten, welches ist entbehrbar? "Wir haben eine gemeinsame Kirchengemeinde", sagt Bianca Siegener aus Wattenbach.
In beiden Dörfern gibt es aber nur jeweils eine Kirche. Ihr Schluss: "Eine der Kirchen trifft es auf jeden Fall". Bei denkmalgeschützten Bauten wie diesen entspräche das oft einem kontrollierten Verfall.

Ringen um Entscheidung und Verantwortung
Peter Harz und sein Kirchenvorstand möchten sich aber nicht entscheiden. "Ja, wir wären mit einer Entscheidung von oben auch unzufrieden", sagt er. Die Gemeinden seien damals auch nicht freiwillig fusioniert.
Im Nachhinein wollen die Gemeindevorsteher aber auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ein ganzer Ort seine Kirche verliert.

Dabei will die Landeskirche eben gerade nicht undemokratisch von oben "durchregieren" und gibt die Entscheidung deshalb an die Gemeinden und Kirchenkreise weiter, sagt EKKW-Baudezernent Koch.
Dekanin: "Jeder Gemeinde liegen ihre Gebäude am Herzen"
Die Konsequenzen für gestrichene Gebäude könnten weitreichend sein. Die Krabbelgruppe, das Frauenfrühstück, der Spieleabend, die Konfirmandengruppen - all das stünde auf dem Spiel, befürchten die Wattenbacher und Eiterhagener.
"Wir haben die Sorge, dass unsere Gemeinde in den Orten nicht mehr präsent genug sein kann", sagt Julia Rohde aus Wattenbach.

Die Dekanin des Kirchenkreises Kaufungen, der für die Gemeinde in Eiterhagen-Wattenbach zuständig ist, kann die Aufregung gut verstehen: "Jeder Gemeinde liegen ihre Gebäude am Herzen", sagt sie.
Es könne auch niemand die Gemeinden nötigen ein Gebäude zu verkaufen, weil sie ihnen selbst gehören.

Kirchensteuer wirft zu wenig Gewinn ab
Wenn die Gemeinde die laufenden Betriebskosten, die Kosten für Reparaturen und Instandhaltung übernehmen würden, könnten die Gebäude problemlos erhalten werden.
Die Kirchensteuer werfe dafür inzwischen aber zu wenig Gewinne ab. Wenn das System beibehalten würde, führe das am Ende nur zu gleichmäßigem Verfall aller Gebäude der Kirche, sagt die Dekanin:
"Der Kirchenkreis kann nur aus begrenzten Mitteln Geld hineingeben". Der Erhalt und Betrieb sei nur noch für zwei Jahre gedeckt. Die danach greifenden Einsparungen kämen nicht der Gemeinde, sondern dem Kirchenkreis zugute.

Eigeninitiative gefragt
Sämtliche Kirchengebäude könnten nur erhalten werden, wenn die Menschen vor Ort sich für sie einsetzten, meint Fülling. In der Stadt Kassel hätten Gemeinden so etwa mehrere Millionen Euro über Fördervereine gesammelt.
Das sei auf dem Land nicht möglich, sagt Bianca Siegener aus Wattenbach. Es gebe zu viele Kirchen und zu wenig Einwohnende.

Nach dem Einholen eines Stimmungsbildes in den Gemeinden entscheidet am Ende die EKKW darüber, welchen Gebäuden die Finanzierung gestrichen wird.
Ob ihre Wattenbacher Kirche nach dieser Umstellung weiter in Betrieb bleibt oder sich mögliche andere Finanzierungswege eröffnen werden? Die Zweifel bleiben.