Kirchen unter Spardruck Weniger Gläubige, Geld und Gebetsräume

Die evangelischen und katholischen Kirchen in Hessen müssen sich einem radikalen Sparkurs unterziehen. Da die Einnahmen schwinden, müssen Leistungen, Besitztümer und Personal reduziert werden. Dafür gibt es Konzepte.

Eine Hand mit einem schwarzen Talar bekleidet steckt eine Münze in ein lilafarbenes Sparschwein mit einem Kreuz.
Sparen wird für die Kirchen in Hessen angesichts geringerer Einnahmen immer wichtiger. (Symbolbild) Bild © hessenschau.de
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Die katholische und evangelische Kirchen in Hessen haben nicht nur mit einem immer größeren Bedeutungsverlust zu kämpfen. Aufgrund zurückgehender Mitgliederzahlen schwinden auch finanzielle Ressourcen. Die Kirchen sind zum Sparen gezwungen. Dabei werden die Aufgaben für die Zukunft nicht kleiner.

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Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) sowie die Bistümer Mainz, Limburg und Fulda erklären, wie sie mit künftigen Herausforderungen umgehen und was das Schrumpfen und Sparen für Auswirkungen hat. Die EKHN als mitgliederstärkste Kirche spricht etwa vom "größten Veränderungsprozess seit ihrer Gründung 1948". Ein Überblick, wie die Kirchen sich neu aufstellen.

Die Kirchensteuer-Einnahmen sinken wegen weniger Mitgliedern. Das bedeutet: Das Geld in den Kassen wird knapper. 80 Prozent der Einnahmen stammen aus der Kirchensteuer, wie ein Bistumssprecher in Limburg erklärte. Wegen der geringen Einnahmen können die Kirchen auch weniger Geld ausgeben und müssen ihre Leistungen reduzieren.

Im Bistum Limburg sind im Zuge eines Strategieprozesses, der noch bis Herbst 2025 läuft, und eines Haushaltssicherungskonzepts noch keine Entscheidungen zu Sparmaßnahmen gefallen. Zum Jahresende soll Konkretes folgen, so das Bistum. Der Haushalt sei noch ausgeglichen. Doch künftig muss das Bistum mit weniger auskommen.

Der Ökonom des Bistums Mainz, Carsten Erdt, schwor das Bistum im Sommer im Jahresabschluss 2023 auf einen Schrumpfkur ein: Für einen soliden Haushalt müsse das Bistum schrittweise rund 25 Prozent seiner Ausgaben einsparen. Ausgehend vom Jahr 2020 bedeute das bis zum Jahr 2030 mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr. Die Kirchensteuern als Einnahmequelle gingen um 6,9 Millionen im Vergleich zum Jahr 2022 zurück.

Das Bistum Fulda etwa erklärte zur Finanzlage: Erstmals sinke die Kirchensteuern, obwohl das staatliche Lohnsteueraufkommen wachse. Das Kirchensteueraufkommen liege aktuell um 7,4 Prozent niedriger als geplant. Das bedeutet: Im laufenden Jahr kommen statt 91,4 nur 84,6 Millionen Euro rein. Dieses Minus werde kompensiert durch Einsparungen, bei Zuschüssen in Immobilien und den Bau.

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) macht im aktuellen Doppelhaushalt 2024/2025 ein Minus und muss auf Reserven zurückgreifen, um das Defizit (6,6 Mio. Euro) zu decken, wie ein Sprecher darlegte. Gespart werden müsse nun überall.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) will ebenfalls in fast allen Bereichen gleichermaßen sparen. Bis 2030 soll das Budget um 140 Millionen entlastet werden. Bei der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Diakonie soll aber weniger gespart werden. Vor allem bei den 4.000 Gebäuden soll reduziert werden. Die EKHN erklärte, dass allgemeine Preissteigerungen die Einnahmen schmälerten. Dennoch werde auch künftig investiert, allein 20 Millionen stehen im Haushalt für die Digitalisierung.

Im Bistum Mainz, das zu weiten Teilen auf hessischem Boden liegt und das mitgliederstärkste Bistum Hessens ist, kommt es - wie in anderen Kirchen auch - zu einer Konzentration der Gemeinden. Bis zum Jahr 2030 werden die früheren 134 pastoralen Einheiten (Pfarrgruppen und -verbünde) allmählich zu 46 Pfarreien zusammengeführt.

Bei dem "Prozess der geistlichen und strukturellen Erneuerung" wurden die ersten fünf Pfarreien Anfang 2024 gegründet. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bemerkte, dass es angesichts der Zusammenlegungen auch "Trauer, Abschied und Besorgnis" gibt. Doch er bitte darum, den Weg mit Zuversicht zu gehen.

Die künftigen Schwerpunkte haben die neuen Pfarreien in eigenen Pastoralkonzepten erarbeitet. Wie Kohlgraf erklärte, "werden die Leitungsaufgaben auf mehrere Schultern verteilt". Es gibt drei Rollen: Pfarrer/in, Koordinator/in und Verwaltungsleiter/in.

Auch in der EKHN läuft eine große Umstrukturierung. Bis 2030 will sich die Kirche neu aufstellen. Die 1.100 Gemeinden organisieren sich neu. Es entstehen 159 sogenannte Nachbarschaftsräume. Und beim pastoralen Personal werden Verkündigungsteams in den Regionen gebildet.

Aufgrund von weniger Kirchenmitgliedern, kleineren Gemeinden und Sanierungsbedarf werden immer wieder Kirchen aufgegeben. Sie werden entweiht, umgewidmet und einer neuen Nutzung zugeführt. Dieser offizielle Akt heißt Profanierung. Im Bistum Mainz gab es seit 2017 neun Profanierungen und eine Übernahme durch eine andere christliche Gemeinschaft.

Auf hessischem Gebiet wurde etwa im November 2023 die Heilig Geist-Kirche in Wartenberg-Angersbach (Vogelsberg) aufgegeben. Zuvor war dort seit acht Jahren kein Gottesdienst mehr gefeiert worden. Das Gebäude soll von der Gemeinde verkauft werden, wie das Bistum Mainz erklärte.

Einen klaren Plan gibt es hingegen für die katholische Kirche St. Michael in Bad Orb (Main-Kinzig). Sie wird aktuell in eine Ketterhalle umgewandelt. Im November 2023 wurde sie entweiht. Aktuell laufen die Bauarbeiten. In einigen Monaten heißt es dann: bouldern statt beten.

Noch kein Konzept gibt es hingegen in der Pfarrei St. Franziskus in Bebra-Rotenburg (Hersfeld-Rotenburg). Die Kirche mit Pfarrhaus und Kloster in Lispenhausen wurden sogar schon im Online-Verkaufsportal Kleinanzeigen angeboten - Verhandlungsbasis 395.000 Euro.

Noch hat Pfarrer Andreas Schweimer aber nicht mitgeteilt, welcher Bieter mit welchem Konzept den Zuschlag bekommt. Die Kirche wurde zuletzt wenig genutzt und verursacht hohe Kosten. "Etwa 14.000 Euro Unterhalt im Jahr an Fixkosten", erklärte Schweimer.

Dennoch tut Pfarrer Schweimer der Verkauf weh. "Es ist sehr schmerzhaft, eine Kirche aufgeben zu müssen." Aber der Schritt sei alternativlos. Die Gläubigen müssen sich zum Gottesdienst nun in eine andere Nachbar-Kirche begeben.

Im Bistum Fulda wurden in den vergangenen vier Jahren 21 Kirchen und Kapellen profaniert. Mitunter gibt es dort besonders sinnstiftende neue Konzepte. In der ehemaligen Elisabeth-Kirche in Fulda entsteht eine neue Grundschule. Und die Kirche in Breuna-Wettesingen (Kassel) wird zu einem Künstleratelier und ein "Ort der Begegnung", wie es heißt.

Im Bistum Limburg sind seit dem Jahr 2000 19 Kirchen umgewidmet worden - oftmals wegen eines Rückgangs der Gläubigen und weniger Menschen in Gottesdienste. Viele Kirchen würden nun anders genutzt. Einige wenige seien abgerissen worden, sagte ein Sprecher.

Doch auch bei anderen Gebäuden im Bistum Limburg muss gespart werden, denn etwa 40 Prozent der Ausgaben gehen für die Immobilien drauf. In der Diözese gebe es mehr als 1.500. Die wenigsten davon gehören dem Bistum Limburg als Körperschaft, sie sind überwiegend im Besitz der Pfarreien.

Das Bistum Mainz wird neben Kirchen in den nächsten Jahren aus finanziellen Gründen auch weitere Immobilien aufgeben, etwa Pfarrhäuser und Gemeindesäle. Die Pfarreien sollen bis 2026 entscheiden, auf welche Gebäude sie verzichten können, wie ein Sprecher erklärte.

Die EKKW wird in den nächsten Jahren 30 Prozent der Gebäude aufgeben. Und 30 Prozent der Gebäude dürften nur noch berechtigt sein, Geld für den Unterhalt zu beantragen. Für alle Häuser sei zudem über alternative Nutzungs- und Finanzierungskonzepte nachzudenken. Das kirchliche Eigentum umfasse derzeit knapp 3.000 Gebäude. Der Bestand wurde zuletzt in zehn Jahren um 145 Gebäude reduziert, darunter fünf Kirchen.

Im Bistum Limburg zum Beispiel werden künftig weniger Menschen arbeiten. Mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Altersstruktur der Mitarbeitenden werden Stellen eingespart. Denn in den kommenden zehn Jahren gehen ohnehin etwa 50 Prozent in den Ruhestand. "Unser Ziel ist es, Arbeitsplätze so weit wie möglich zu sichern", hieß es.

Die Zahl des Pfarr-Personals ist in der EKKW innerhalb von zwei Jahren um 40 Personen auf 700 gesunken. Zudem werden weitere Stellen abgebaut. Wegen des Fachkräftemangels sind 60 Stellen vakant. Hauptamtliche Pfarrpersonen werden künftig nur noch einen Teil der Verkündigung leisten. Kirchenmusiker, Menschen aus der Sozialarbeit und Religionspädagogik sowie Ehrenamtliche bekommen mehr Einfluss. "Wir setzen auf transprofessionelle Teams", erklärte die EKKW.

Um neues Personal zu finden, hat die EKHN nach eigenen Angaben zwei Millionen Euro in die Suche investiert. Von der "Pfarrerin bis zum Kita-Erzieher" werde alles gesucht.

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Kirchenmitglieder in Hessen

Die katholische Kirche in Hessen hat in den vergangenen Jahren Mitglieder verloren. Im Bistum Mainz sind es aktuell rund 620.000 Menschen, im Bistum Limburg 540.000 Menschen und im Bistum Fulda knapp 338.000 Menschen.

Zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN/Sitz: Darmstadt) gehören 1,31 Millionen Menschen. Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW/Sitz: Kassel) hat rund 710.000 Mitglieder.

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Bibbern beim Beten heißt es womöglich für einige bei Gottesdiensten im Winter. In vielen Kirchen wird weniger geheizt. Im Bistum Mainz gibt es dazu zwar keine Anweisung, aber eine Handlungsempfehlung - aus ökologischen und ökonomischen Gründen.

Die Bevollmächtigte des Mainzer Generalvikars, Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth, sagte: "Durch den Verzicht auf das Hochheizen der Kirchen leisten unsere Pfarreien einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz und zum Einsparen fossiler Energieträger."

Doch ganz mit Wärme zu geizen, geht auch nicht. Die Luftfeuchtigkeit ist wichtig, sonst nehmen die Raumausstattung und die Orgeln Schaden, wie das Bistum erklärte. Was das für Gottesdienste an den Weihnachten bedeutet? Die Besucher dürfen mit maximal 10 bis 12 Grad rechnen.

Im Bistum Fulda heißt es dazu: Die meisten Kirchen werden auf 8 bis 14 Grad temperiert. Zu Gottesdiensten auch höher – "so, dass niemand frieren muss". Viele Besucherinnen und Besucher könnten das Energiesparen nachvollziehen und reagierten verständnisvoll.

Auch das Bistum Limburg gibt den Gemeinden Empfehlungen. Es stellt aber klar: "Wo immer möglich, sollte auf das Heizen von Kirchen verzichtet werden" - aus finanziellen und ökologischen Gründen. Das Bistum empfiehlt, Gottesdienste zur kalten Jahreszeit in besser heizbare Gemeindehäuser zu verlegen.

Die EKKW rät den Gemeinden die gängigen Höchstwerte von 8 Grad Grundtemperatur und maximal 15 Grad Nutztemperatur für Kirchen weiter zu senken. Ein Grad weniger spare zehn Prozent Heizenergie. Die Besucher seien verständnisvoll und würden sich wärmer kleiden und auf angebotene Decken zurückgreifen, hieß es. Die EKHN hat keine neuen Empfehlungen zum Heizen ausgesprochen.

Das Bistum Fulda erklärte zum Beispiel, dass auch die Trägerschaft von Schulen und Kindertagesstätten zur Disposition steht. Diese Aufgaben müssten teilweise an den Staat und damit zur Finanzierung von der Gesellschaft abgegeben werden. Mit Blick auf die Kitas stehe das Bistum im Kontakt mit vielen Kommunen. So sollen neue, zukunftsfähige Betriebsverträge für die Trägerschaft auf den Weg gebracht werden.

Die Neuordnung der Trägerschaften und Leistungen ist auch in anderen Kirchen Thema.

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Quelle: hessenschau.de